Noch frisch im Amt kannte Gerhard Schröder sein Maß. Eine freiwillige Befristung der Kanzlerschaft auf zehn Jahre wäre vernünftig, meinte der Regierungschef 1999 und argumentierte: „Die Gefährdung in hohen Ämtern besteht darin, dass sich beim Amtsinhaber das Gefühl einstellt: Du bist nicht ersetzbar. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass sich die Menschen in der unmittelbaren Umgebung nicht mehr trauen, den Mund aufzumachen – und wer es wagt, wird wegorganisiert.“
Zwar verdrängte der SPD-Kanzler schon wenig später die Erinnerung an diesen luziden Augenblick und führte 2005 im Machtrausch vor der versammelten Fernsehnation die einstige Vision vom freiwilligen Verzicht ad absurdum. Doch die Analyse bleibt richtig: Zwe
chtig: Zwei Amtsperioden für den Bundeskanzler sind genug.Wenn Satire Realität wirdAngela Merkel nimmt nun ernsthaft Anlauf für eine dritte Amtszeit ab 2013. Bei ihrem Krisengipfel mit CSU-Chef Horst Seehofer und dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler ging es am Montag ja explizit darum, nach drei verzettelten Jahren nun mit Blick auf die Bundestagswahl Tatkraft zu demonstrieren. Und am Wochenende ließ sich Merkel sogar zu einer vorzeitigen Koalitionsaussage hinreißen. „Die Gemeinsamkeiten mit der FDP sind immer noch die größten“, sagte die CDU-Chefin bei einem Parteitreffen – ein deutlicher Hinweis, dass auch nach der nächsten Wahl alles so weiter gehen soll wie bisher. Und möglichst nach der übernächsten auch noch.Die sinnigerweise schon 2005 erschienene Satire „16 Jahre Merkel sind genug“, die ihre Kanzlerschaft bis 2021 vorzeichnet, scheint damit plötzlich erschreckend realistisch. Ebenso die 2007 ganz ernst gemeinte Vorhersage von Merkels Biograf Gerd Langguth, ihr seien gut und gerne ebenso viele oder mehr Regierungsjahre zuzutrauen wie Dauerkanzler Helmut Kohl.Kein handlungsfähiges BündnisAber was – im Rahmen des Vorstellbaren – könnte denn Inhalt oder Projekt einer solchen dritten Amtszeit Merkel sein? Immer nur weiter so bei Schuldenbremse und Eurorettung? Welche Idee könnte diese zerschlissene schwarz-gelbe Truppe denn noch aus dem Staub vergessener Aktenablagen befreien, um so etwas wie politischen Gestaltungswillen zu simulieren? Und was stützt die Annahme, dass diese sogenannten Partner nach 2013 anfangen mit konstruktiver Politik?Das Scheitern dieser Koalition als handlungsfähigem Bündnis ist vielleicht einer ungünstigen Konstellation des Spitzenpersonals anzulasten, das es für angemessen hielt, sich gegenseitig als Wildsäue und Gurkentruppe zu beschimpfen. Vielleicht war es auch der historische Moment, der ihnen mit der Euro-Krise und der Fukushima-Katastrophe zu viel auf die schwachen Schultern packte. Doch zeigt sich in ihrer Selbstblockade zwischen Energiewende, Betreuungsgeld, Vorratsdatenspeicherung, Mindestlohn, PKW-Maut, Frauenquote und Praxisgebühr, in diesem täglichen Kleinklein auch ein allgemeineres Phänomen: Politik ermüdet und verschleißt – heute angesichts der hochtourigen Mediendemokratie und eines globalisierten Gipfel-Jet-Sets mehr noch als zu Kohls Zeiten. Der brauchte immerhin 16 Jahre bis zum völligen politischen Stillstand.Das Hofieren der KronprinzenSchröder wusste schon nach seiner überraschenden Wiederwahl 2002 im Prinzip nichts mehr mit sich anzufangen. Stattdessen steuerte er die Republik mit „ruhiger Hand“ in Stagnation und Rekordarbeitslosigkeit, bis er mit der Agenda 2010 eine ächzende Kehrtwende einleitete. Ähnlich ist es bei Merkel, die sich seit 2009 nur noch von äußeren Krisen treiben lässt. Die erste Amtszeit nutzen Kanzler, um die aus der Opposition mitgebrachten Wunschprojekte anzugehen. Die zweite dient derzeit nur noch dazu, den Status Quo zu erhalten und die eigene Macht zu zementieren – möglichst für immer.Wäre die Amtszeit hingegen endlich, würde dies keine große Rolle mehr spielen. Viel weniger Zeit würde darauf verwendet, die mit den Füßen scharrenden Kronprinzen – wie zuletzt Norbert Röttgen – aus dem Rennen zu boxen. Im Gegenteil: Wüsste Merkel, dass 2013 für sie Schluss ist, müsste sie einen Röttgen oder eine von der Leyen längst pflegen. Eine Amtszeitbegrenzung erzwänge also eine konstruktivere Parteiendemokratie. Gleichzeitig brächte sie Freiräume zum Regieren in der Gewissheit: Bald ist‘s vorbei.Gestaltung braucht RegenerationNatürlich müsste die Verfassung geändert werden, und die Ausrichtung des Grundgesetzes auf totale politische Stabilität würde dabei etwas verschoben hin zu größerer Dynamik. Doch belegen ähnliche Klauseln in anderen Ländern, dass die Demokratie profitiert. Die zweite und letzte Periode im Weißen Haus erweist sich meist als die produktivere für die amerikanischen Präsidenten. Und die Begrenzung der französischen Präsidentschaft auf zwei Mal fünf Jahre verhindert Auswüchse der Macht.Dass es sich um Präsidialsysteme handelt, ist nicht entscheidend. In Deutschland ist dem Kanzler oder der Kanzlerin eine ähnlich zentrale politische Gestaltungsrolle zugedacht. Grundlage dieses Gestaltens ist die Regeneration politischer Ideen, das neue Definieren politischer Ziele. Das geht am besten in der Opposition Oder in der zweiten Reihe.