Lappalien und Niederlagen

Schwarz-Gelb Die Regierung Merkel kokettiert erneut mit ihrem vorzeitigen Aus. Doch was würde ein Koalitionsbruch eigentlich ändern?

Die schwarz-gelbe Koalition kokettiert mit ihrem vorzeitigen Ab­leben. Den Beinahebruch bei der Aufstellung des Präsidentschaftskandidaten mag sie gerade noch überstanden haben, das Verfehlen der Kanzlerinnenmehrheit beim zweiten Griechenland­paket Anfang der Woche mag für sich genommen nicht mehr sein als eine Lappalie. Und doch ist es plausibel zu erwarten, dass die nächsten Wochen die Regierung Merkel abermals an den Rand ihrer Existenz bringen werden.

Die Häme der Opposition, die die Regierung schon seit drei Jahren vor ihrem Ende wähnt und nun ob der 20 Abweichler bei einer zentralen Bundestagsentscheidung von einem „Zerbröseln“ spricht, darf man dabei getrost als professionelles Kriegsgeheul abtun – ebenso wie die Selbstbeschwörung von ­Union und FDP, die ihr klägliches Abschneiden bei der Griechenlandentscheidung als „gutes Ergebnis“ feiern. Das ist nicht mehr als Tagesgeschäft. Es ist jedoch der Ausblick, der die Schatten der vergangenen Tage besonders lang erscheinen lässt.

Die Botschaft der Nein-Stimmer

Zum einen geht es nun bei der Euro-Rettung Schlag auf Schlag. Nach dem EU-Gipfel Donnerstag und Freitag wird schon Ende nächster Woche klar sein, ob die vorläufige Rettung Griechenlands per Schuldenschnitt überhaupt funktioniert. Beteiligen sich zu wenige Banken, Versicherungen und Hedgefonds an dem auf 107 Milliarden Euro taxierten Anleihetausch, stiege entsprechend die Rechnung für die EU-Staaten und den Internationalen Währungsfonds. Auch Deutschland müsste mehr bringen. Daneben wächst international der Druck auf die Bundesregierung, auch die Mittel für den auf 500 Milliarden Euro ange­legten Dauerrettungsschirm ESM aufzustocken.

Doch die Botschaft der Nein-Stimmer aus der Koalition ist eindeutig: Das war’s, mehr gibt’s nicht, und das nächste Mal sind wir viele. So war auch der Querschuss von Innenminister Hans-Peter Friedrich zu verstehen, Griechenland möge doch bitte freiwillig aus der Euro-Zone austreten: Jetzt ist bald Schluss mit der Rettung. Der Regierung bleibt damit auf internationalem Parkett extrem wenig Spielraum.

Innenpolitisch gilt dies ja ohnehin, und das schon seit Langem. Auch vom Koalitionsausschuss am Wochenende ist Wegweisendes nicht zu erwarten. Die ums Überleben kämpfende FDP kann sich Kompromissbereitschaft nicht leisten – zumindest nicht bis zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein Anfang Mai. Danach wird ihre Existenzfrage vermutlich geklärt sein, und damit vielleicht auch der Fortbestand des schwarz-gelben Bündnisses.

Nur die Linke bleibt außen vor

Bleibt die Frage, ob sich danach etwas ändert? Schon jetzt formiert sich – von der Präsidentschaft bis zur Euro-Rettung – eine Fast-Allparteienkoalition. Nur die Linke bleibt wie stets außen vor. Die letzte Oppositionspartei müht sich ab, mit eigener Präsidentschaftskandidatin und Verbalattacken gegen Merkels Sparpolitik. Doch mehr als grellen Protest aus dem Abseits kriegt sie kaum hin. Ansonsten herrscht ungekannte Ein­mütigkeit in zentralen Fragen der deutschen Politik.

Das relativiert für die Kanzlerin die Bedeutung eines möglichen Koalitionsbruchs, sollte die FDP abtreten. Die SPD stünde bereit, ohne dass Merkel ihren Kurs korrigieren müsste. Das mag als Stabilität gewertet werden. Für die Demokratie aber ist diese Hyperstabilität eine Gefahr. Die Republik wäre nicht mehr gelähmt vom schwarz-gelben Gezänk, sondern künftig vom Horror einer Realität gewordenen Alternativlosigkeit.

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Geschrieben von

Verena Schmitt-Roschmann

Verena Schmitt-Roschmann ist Ressortleiterin Politik des Freitag.

Verena Schmitt-Roschmann

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