Merkels Verzweiflungstat

Entlassung Die Kanzlerin schasst Norbert Röttgen als Umweltminister. Nun kann es eigentlich nur besser werden mit der Energiewende. Denn der CDU-Mann war eine Fehlbesetzung

Es ging dann eben doch nicht mehr. Ein Minister, der als Parteifunktionär eine krachende Wahlniederlage einfährt, der sich von einem CSU-Chef öffentlich abwatschen lassen muss, der sich zudem Häme und Zorn seiner eigenen CDU-Parteikollegen gefallen lässt – das funktioniert wohl wirklich nicht länger als ein paar Tage. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nun die Konsequenzen gezogen und ihr einstiges Protegé Norbert Röttgen aus dem Amt des Bundesumweltministers gefeuert. Nachfolger soll der werden, der Röttgen einst schon auf dem Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion und auch im engen Kreis der Getreuen um Merkel ersetzt hat: Peter Altmaier.

Merkel begründet dies damit, dass ihr die Energiewende so wichtig sei. Ein „zentrales Vorhaben dieser Legislaturperiode“ sei der geplante Abschied von der Atomkraft, ein Kraftakt, der einen personellen Neuanfang erfordere. Röttgen habe die Grundlagen gelegt, jetzt mache einer weiter, den sie lange kenne und dessen Arbeit sie sehr schätze. Altmaier werde sich dem Projekt mit voller Kraft zuwenden.

Eine Fehlbesetzung

Hinter dieser Entscheidung steckt eher Taktik und Gesichtswahrung als andere Motive. Denn die CDU-Bundesvorsitzende konnte die Unruhe in ihrer Partei und in der Fraktion wohl nicht aussitzen: Der Ärger über Röttgen war zu vehement. Dass der Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nicht von vorneherein auf sein Ministeramt verzichtete und sich nicht ganz der selbstgewählten neuen Aufgabe in Düsseldorf widmete, hat der Union dort am Sonntag eine dramatische Niederlage beschert. Einfache Rückkehr zur Tagesordnung war keine Option.

Tatsächlich aber hätte Merkel aber auch ohne diese Vorgeschichte längst handeln müssen. Denn Röttgen war seit langem als Umweltminister eine Fehlbesetzung. Obwohl er sich das Ressort nach eigenen Angaben selbst gewählt hat – möglicherweise, so hat es Röttgen durchblicken lassen, weil es als Karrieresprungbrett einst für Merkel ja auch funktionierte –, galt der CDU-Politiker als uninteressiert, inaktiv und nicht präsent. Der Mann war der Meister des Allgemeinplatzes. Eifer für die Sache – Fehlanzeige. So ergab sich die groteske Situation, dass ein blasierter Umweltminister sogar einem total unbeleckten Wirtschaftsminister in den ewigen Scharmützeln über Netzausbau und erneuerbare Energien unterlag.

Das Chaos geht weiter

Es kann also nur besser werden, vielleicht sogar mit Altmaier. Der 53-Jährige ist kein Ideologe, als Parlamentarischer Geschäftsführer war er bisher eher einer, der mit Lust und nicht Bierernst seinen Spin drehte. Aber ob das reicht? Altmaier hat – wie die meisten in der Union – bisher kein echtes Interesse an Ökologie erkennen lassen. Und die Energiewende ist in ihren Einzelheiten so kompliziert und von Lobbyinteressen durchwoben, dass der Neue aus dem Stand, ein Jahr vor der Wahl, kaum etwas bewirken kann – zumal gegen einen FDP-Minister Philipp Rösler, der selbst so angeschlagen ist, dass er alles auf die Karte Profilierung setzen muss.

Unterm Strich bleibt also kaum Aussicht, dass die bisher so schleppende Energiewende – das angeblich zentrale Projekt – regierungsseitig an Dynamik gewinnt. Merkel hat auch von dieser Kabinettsumbildung keine späten Erfolge ihrer verkorksten zweiten Amtszeit zu erwarten. Die Trennung von Röttgen war deshalb wohl nicht mehr als eine Notbremse, um sich selbst nicht dem Sturm wachsender Kritik auszusetzen. Eine Verzweiflungstat – das schwarz-gelbe Chaos geht weiter.

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Geschrieben von

Verena Schmitt-Roschmann

Verena Schmitt-Roschmann ist Ressortleiterin Politik des Freitag.

Verena Schmitt-Roschmann

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