Verantwortung abbekommen

Abwahl Anderthalb Jahre nach der Loveparade-Katastrophe treibt ein Bürgervotum Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland aus dem Amt. Das ist gut so

Der Mann wusste bis zuletzt nicht, was er falsch gemacht hatte. Was er zu tun hatte mit dem Loveparade-Desaster, bei dem im Juli 2010 in Duisburg 21 Menschen starben und 541 weitere verletzt wurden. „Wir haben alles getan, dass es zu dieser Katastrophe nicht kommen kann“, sagte Adolf Sauerland zuletzt dem Spiegel. Dass es trotzdem dazu kam, schien für ihn dabei Nebensache.

Nun haben die Duisburger ihren Oberbürgermeister abgewählt und zwar erstaunlich eindeutig. 92.000 Stimmen wären nötig gewesen, den 56-Jährigen seines Amtes zu entheben. 129.000 sind es geworden – beachtlich bei einer traditionell schwachen Wahlbeteiligung in der Ruhrstadt mit 365.000 Wahlberechtigten. Erstmals kippen Bürger in Nordrhein-Westfalen damit ein Stadtoberhaupt aus dem Rathaussessel.

Das ist richtig und wichtig, weil nun endlich die politische Verantwortung benannt und verteilt ist, mit der Sauerland so lange nichts zu tun haben wollte. Und weil erst jetzt langsam so etwas wie Ruhe einkehren kann, in der von dem tragischen Unglück und dem Streit über das Versagen so tief aufgewühlten Stadt. Letztlich wird es sogar für Sauerland die beste Lösung sein, denn der massige Mann wirkte trotz allen Klettens an die Macht zermürbt von den Anfeindungen, Drohungen und Ketchup-Attacken. Versüßt wird ihm der Abschied von der Macht mit einem satten Ruhegehalt bis zum Ende seiner regulären Amtszeit 2015 und einer ordentlichen Pension danach.

Der andere Sitzkleber bleibt noch

Die durchgesetzte Abwahl ist aber darüber hinaus auch ein gutes Zeichen für die hie und da in der Republik sprießenden Pflänzchen direkter Demokratie. Wie bei Stuttgart 21 konnte sich auch in Duisburg bis zum Schluss keine Seite eines Sieges sicher sein. Der kapriziöse Wählerwille scheint nicht so leicht zu bestimmen. Das ist vielleicht kein gutes Zeichen für die Demoskopie, der Demokratie jedoch kann es durchaus Hoffnung stiften. Denn das einfache Argument, die Bürger liefen wie Schäflein den bösen Demagogen und den simplen Wahrheiten nach, zieht ganz offensichtlich nicht. Wenn es so wäre, blieben Volksentscheide ohne Überraschung.

Für den anderen Sitzkleber der Republik, der ebenfalls nicht weiß, was er groß falsch gemacht haben soll, wird dieser kleine Sieg der Demokratie allerdings keine Rolle spielen. Der Bundespräsident wird weder von den Wählern bestimmt, noch geschasst. Er wird erduldet. Doch darf er selbst gehen, wenn er möchte.

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Geschrieben von

Verena Schmitt-Roschmann

Verena Schmitt-Roschmann ist Ressortleiterin Politik des Freitag.

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