Fünf Millionen Tonnen. Das sind 125.000 Vierzigtonner, die man sich am besten als 2.500 Kilometer langen Riesenstau von Berlin nach Ankara vorstellt. Und doch sind die fünf Millionen Tonnen Kohlendioxid, die Deutschland zuletzt beim Heizen von Gebäuden eingespart hat, eine Winzigkeit verglichen mit dem Gesamtausstoß von 832 Millionen Tonnen CO2 vergangenes Jahr. Nun wird erneut darüber gestritten, wie die Bilanz verbessert werden kann und wer dafür zahlt.
Im Juli stoppte der Bundesrat Pläne der Regierung, Hausbesitzern zusätzlich zum CO2-Gebäudesanierungsprogramm 1,5 Milliarden Euro schwere Steuervorteile für den Einbau neuer Fenster, moderner Heizungen oder moderner Dämmung zu gewähren. Im Vermittlungsausschuss geht es nun am komm
un am kommenden Dienstag vordergründig um das Anliegen der Länder, nicht allein auf einem Großteil der Steuerausfälle sitzenzubleiben. Doch gibt es auch grundsätzliche Zweifel, ob diese Art der Förderung mit Milliardenaufwand in die richtige Richtung geht und sozial ausgewogen ist.So meinte die Berliner Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer in der Bundesratsdebatte, für Mieter brächten die Steuerrabatten wenig, weil sie vor allem Hausbesitzer mit hohen Steuersätzen begünstigten. Besser wären höhere einkommensunabhängige Zuschüsse. „Wenn wir vorankommen und breiten Konsens in der Gesellschaft erzielen wollen, kommt es darauf an, dass wir im Interesse des Klimaschutzes zweckmäßige, gerechte Entscheidungen treffen“, sagte die SPD-Politikerin. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) plädierte für eine Direktförderung „für die kleinen Leute“.„Beeindruckende Bilanz“Tatsächlich gibt es eine solche Förderung über die staatliche KfW-Bankengruppe seit Langem. Schon 2001 wurden nach Angaben der KfW Zusagen für 513 Millionen Euro gemacht, damals noch für zinsverbilligte Kredite. Später kamen Direktzuschüsse an Sanierer hinzu. Das Volumen lag zuletzt im Schnitt bei 1,3 Milliarden Euro jährlich. Höhepunkt war das Jahr 2010, als mit Hilfe des Konjunkturpakets gut zwei Milliarden Euro Staatsgeld in die Modernisierung privater Häuser flossen. Mit Schwarz-Gelb sackte die Summe 2011 dann auf 936 Millionen ab.Bauminister Peter Ramsauer (CSU) lobt trotzdem die „beeindruckende Bilanz“ des Programms. Von 2006 bis August 2011 wurden nach Angaben seines Ministeriums 7,78 Milliarden Euro für die Sanierung oder Errichtung von gut 2,5 Millionen Wohnungen ausgezahlt. Das öffentliche Geld habe Investitionen von 87,4 Milliarden Euro angestoßen. Fazit: „Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm der Bundesregierung ist dreifach erfolgreich – es schützt das Klima, macht Wohnen bezahlbarer und schafft Arbeitsplätze.“ Von 2012 bis 2014 werde es mit jährlich 1,5 Milliarden Euro fortgesetzt.Allerdings werfen die stolzen Zahlen auch Fragen auf. Denn wenn tatsächlich 87 Milliarden Euro für eine Kohlendioxidsenkung um 5,1 Millionen Tonnen aufgewendet wurden, entspräche dies gigantischen 17.000 Euro pro Tonne. Zum Vergleich: Bei Windrädern liegen die CO2-Vermeidungskosten bei etwa 130 Euro pro Tonne, bei der oft als überteuert geschmähten Photovoltaik sind es laut Modellrechnung der Forschungsstelle für Energiewirtschaft etwa 850 Euro. Die erneuerbaren Energien erreichen übrigens auch ganz andere Größenordnungen bei der Minderung der Klimagase: Der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell kam für 2009 auf CO2-Einsparungen von jährlich 72 Millionen Tonnen durch Ökostrom.Der Staat verdientIn Wirtschaftlichkeitsanalysen der KfW wird auch weniger auf die CO2-Bilanz des Gebäudeprogramms abgehoben als auf die positiven Effekte für Arbeitsmarkt und öffentliche Haushalte. Denn die zusätzliche Arbeit für Handwerker bringt Steuereinnahmen, so „dass insgesamt der Staatssaldo positiv ist“, wie die Bank in einem Bericht festhält. Das heißt, der Staat verdient an seinem eigenen Förderprogramm. Dieses sichert nach Angaben des Bauministeriums 340.000 Arbeitsplätze.Unterm Strich verteidigt aber nicht nur die Deutsche Energie-Agentur (Dena) das Programm und fordert eine Aufstockung auf fünf Milliarden Euro. Auch der Umweltverband BUND sieht keine Alternative, wie Effizienzexpertin Irmela Benz sagt. Ohne Ersparnis in Gebäuden, die für 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind, seien die Klimaziele nicht zu erreichen. „Unsere Gebäude sind ganz einfach ineffizient“, meint Benz.Noch geht es beim Klimaschutz in Gebäuden aber langsam voran – auch weil sich die Investitionen trotz öffentlicher Förderung nur schleppend rechnen. So muss der Besitzer eines Einfamilienhauses nach einem Dena-Rechenbeispiel für eine Tip-Top-Energiesanierung selbst 49.450 Euro finanzieren. Bei einer Energieersparnis von 2.500 Euro pro Jahr dauert es fast 20 Jahre, bis das Geld verdient ist. Mit einer Aufstockung des Gebäudeprogramms und den im Vermittlungsausschuss debattierten Steuervorteilen ginge das schneller, und die Hausherren könnten sich zudem über eine Wertsteigerung und ein besseres Gewissen in punkto Klimaschutz freuen. Mietern jedoch bleibt oft nur ein schlechtes Geschäft. Werden zum Beispiel in eine Wohnung 10.000 Euro investiert, dürfen davon elf Prozent auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden. Das sind gut 90 Euro im Monat. Umgerechnet ist das eine Menge Kohle, Gas oder Erdöl.