Wer zuletzt zockt

NRW Die Düsseldorfer Landesregierung ist am Ende. Die Opposition habe sich "verzockt", meint Rot-Grün. Ob deren Kalkül bei Neuwahlen aufgeht, ist allerdings auch nicht sicher

Nun ist es also vorbei. Überraschend, wie einige Berichterstatter meinen. Tatsächlich hat eine neue juristische Expertise der Düsseldorfer Landtagsverwaltung über die Bedeutung der zweiten Lesung in der Haushaltsgesetzgebung das Ende der rot-grünen Minderheitsregierung in unerwarteter Weise beflügelt. Doch war dies nur eine Technikalie. Wichtiger waren die schon seit Monaten spürbaren politischen Wirkkräfte hinter der Entscheidung für Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen.

SPD und Grüne, die trotz mangelnder Mehrheit in den vergangenen zwei Jahren einige Achtungserfolge – zum Beispiel in der Schulpolitik – erreicht haben, hatten große Kompromissbereitschaft in Sachen Landeshaushalt nicht wirklich nötig. Denn die Umfragen sehen für sie günstiger aus als für die Opposition, die derzeit keine Aussicht auf eine Mehrheit hat.

FDP und Linkspartei dümpeln unterhalb der Fünf-Prozent-Marke. Nun können die beiden Kleinen nur hoffen, dass ihre Ablehnung des Haushalts als heroischer Akt der Selbstaufgabe im Dienst einer gerechten Sache interpretiert wird und ihnen einige Wähler zutreibt. Diesen Spin versuchten ihre Herolde jedenfalls bereits am Mittwoch. Eher noch trifft aber wahrscheinlich die Einschätzung der grünen Vizeministerpräsidentin Sylvia Löhrmann ins Schwarze, die Opposition habe sich bei ihrem Taktieren zum Haushalt einfach „verzockt“.

Wartendes Dilemma

Was allerdings nicht bedeutet, dass das Kalkül von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihrer grünen Partner aufgehen muss, sich mit einem neuen Urnengang eine Mehrheit zu verschaffen. In jüngsten Umfragen liegen SPD und CDU bereits gleichauf. CDU-Landeschef Norbert Röttgen, der sich schon Mittwochmittag selbst als Spitzenkandidat präsentierte, könnte der Union noch einige zusätzliche Stimmen bringen. Er steht in der langen Tradition sozialdemokratischer CDU-Politiker in NRW und bringt für die Landespolitik offenbar mehr Leidenschaft auf als für seine derzeitige Aufgabe als Bundesumweltminister.

Am Ende könnte also auch dieser Wahlausgang ein Dilemma für die derzeitigen Regierungspartnerinnen mit sich bringen: Wird die CDU stärkste Partei und steht Rot-Grün doch ohne Mehrheit da, wer geht dann mit wem? Immerhin haben sich die bisherigen Regierungsparteien bereits im „Schulfrieden“ einmal mit Röttgen zusammengerauft. Die andere spannende Frage ist die nach den Piraten, die den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen könnten. In einem Jahr relativer innenpolitischer Ruhe eröffnen sich nun tatsächlich unerwartete Möglichkeiten tektonischer Verschiebung.

Gute Argumente sind das beste Geschenk

Legen Sie einen Gutschein vom digitalen Freitag ins Osternest – für 1, 2 oder 5 Monate.

Geschrieben von

Verena Schmitt-Roschmann

Verena Schmitt-Roschmann ist Ressortleiterin Politik des Freitag.

Verena Schmitt-Roschmann

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden