Im Regenbogenrausch

Pride Month Einmal im Jahr entdecken Unternehmen ihr Herz für die LGBTQ-Gemeinde. Als Zielgruppe
Ausgabe 24/2019
Auch die Staatsmacht wirkt mit dem Regenbogen doch gleich viel freundlicher, oder?
Auch die Staatsmacht wirkt mit dem Regenbogen doch gleich viel freundlicher, oder?

Foto: David McNew/AFP/Getty Images

Erinnern wir uns an Stonewall; daran, dass die schwarze trans Frau Marsha P. Johnson aus Wut und Verzweiflung über die omnipräsente Polizeischikane gegen LGBTQs den ersten Stein auf ihre Peiniger warf, erinnern wir uns an die immerwährenden Kämpfe der Marginalisierten, endlich anerkannt zu werden. Und es scheint, als seien diese Kämpfe jetzt vorbei. Naja, vorbei nicht ganz, aber verkulturindustrialisiert worden sind sie immerhin. Und das ist ja fast wie ein Ende von Homophobie und Transfeindlichkeit. Überall feiert man die Diversität! Zumindest im Juni, dem sogenannten „Pride Month“. Microsoft veröffentlicht Videos, in denen das Unternehmen Tablet-Cover in Regenbogenfahnen präsentiert und darüber spricht, dass LGBTQ „ein ganz normales Thema“ sei. Doc Martens verkauft Stiefel und Adidas Turnschuhe im Regenbogenlook. Trump vergisst für einen Moment dass er trans Personen nicht für würdig erachtet, Zugriff auf Hormontherapie und Gesundheitsversorgung zu haben, und es vollkommen okay findet, wenn Homosexuelle aus „religiösen Gründen“ im Betrieb diskriminiert werden. Er twittert, ganz im Regenbogenrausch, darüber, wie stolz er auf diese ganzen Homos ist, die so viel zu den Errungenschaften der USA beigetragen haben.

Der Kapitalismus liebt Schwule mindestens genauso wie „normale“ Menschen, erklärt uns der Pride Month. Das zeigt man am besten, in dem man auf ein x-beliebiges Produkt eine Regenbogenfahne klatscht und für den doppelten Preis verkauft. Die heteromännliche Glasdecke durchbrechen? Pustekuchen! Einmal im Jahr ein Brunch mit Dragqueens, dann fühlen sich die Homos im Betrieb mal geschätzt – und eine tolle Instagram-Story gibt das auch ab. Sogar Gillette, jahrzehntelang Frontrunner in Sachen Hypermaskulinität, tut weiter Buße und dreht nach dem Erfolg seines Clips, der solche Stereotype kritisierte, zum Pride Month ein zugegeben berührendes Video von einem Vater, der seinem transgeschlechtlichen Sohn das Rasieren beibringt. So kann man nicht nur seine Weltoffenheit zur Schau stellen, sondern sich gleich eine Zielgruppe erschließen.

Das ist das Schöne am Kapitalismus: Solange sich mit deinen Anliegen Kapital generieren lässt, gibt es Unternehmen, die sie erfüllen. Außer, du hast kein Geld. Denn: Ließe sich deine Sexualität nicht vermarkten, wäre sie dem Kapitalismus und seinen Akteuren eigentlich auch egal.

Veronika Kracher ist freie Journalistin und schreibt vor allem über die Neue Rechte

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