Der Süden widersteht, Tag 2

Kolonialismus Eine Karawane im Süden Mexikos macht auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch zwei Megaprojekte aufmerksam. An diesen beteiligen sich zahlreiche Unternehmen - auch aus Deutschland.

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Noch bevor die Sonne aufgeht, beginnt der zweite Tag der Karawane des Südens, der widersteht. Als das erste Licht die Umrisse der den Sportplatz umgebenden Palmen zeichnet, beginnt die Wanderung zum Cierro Pitayal, einer umkämpften Landschaft.

Die Erde ist trocken, sie reißt auf. Aus ihr wächst eine paradoxe Flora heraus: Tot-wirkende, in der Hitze weiß und kahl gewordene Bäume umrahmen grüne, lebendig-wirkende Kakteen. Alles wird sich hier verändern, wenn es regnet: Dann sprießen die gar nicht-toten Bäume, dann schließt sich der narbige Boden, dann vervielfacht sich das Leben. Es ist „die Bank“ der zapotekischen Gemeinde: „Sie gibt und Essen, Holz und Leben“. In der Regenzeit ist das Land sehr feucht, fast sumpfig. Der niedrige Laubwald wird dann zum Anbauort von Süßkartoffeln, Gurken, Melonen und Papaya. Die Pitayal-, Taulabere- und Guayacan-Bäume tragen dann Früchte, und das Holz des Mesquite dient zur Herstellung der traditionellen Totopo, traditionelles Geschirr der indigenen Gemeinden in der Landenge von Tehuantepec. Brennholz und Geschirrherstellung sind neben der Landwirtschaft die einzige und wichtigste Einnahmequelle der Gemeinden, die ihren Wald nachhaltig pflegen: Weißwedel-Hirsche, Kaninchen, Leguane, Gürteltiere, Wildpferde und Kojoten beheimaten diesen Zauberwald. Die compas aus Puente Madera und der Gemeinde San Blas Atempa (der Monte Pitayal umfasst 10.000 Hektar Gemeindeland, welches von mehreren Gemeinden gemeinsam genutzt wird) erzählen uns, wie sie seit Jahren für die Verteidigung dieses Ländereien kämpfen – gegen Windparks, Raffinerien, Fabriken, und nun – alles verbindend – den interozeanischen Korridor.

Nach wenigen Kilometern lichtet sich das Gehölz. Auf einmal steht man in einer Wüste, die selbst den Kakteen zu heiß zu sein scheint. Doch wenn der Regen kommt, versorgt dieses Stück Land die gesamte Gemeinde – „und genau hier wollen sie ihren Industriepark errichten“.

350 Hektar sollen hier dem Industriegürtel des „interozeanischen Korridors“ zum Opfer fallen, Papayas und Melonen, Gürteltiere und Hirsche den Windparks, Fabriken und Raffinerien weichen. Doch für die Menschen von Puente Madera, dies wird sich heute noch mehrmals zeigen, ist Aufgeben keine Option. Sie wollen heute ein Zeichen setzen. Während vom Dorf her, im Osten, hohe Berge mit sanften, bewaldeten Hängen eine Möglichkeit präsentieren, droht von Westen ferner Rauch der Ölraffinerie bei Salina Cruz einen alternativen Plan an.

Dieser hält keine Früchte bereit. Im Gegenteil: Nicht nur ein, fünf Industrieparks sollen im Umkreis entstehen, nur von einem wissen wir die angekündigte Größe. „Park“ ist das vollkommen falsche Wort, wird Bettina später sagen, denn es gäbe dann ja überhaupt keine Bäume mehr. Puente Madera würde zu Puente Asphalto. Bis an die Küste soll der Industriekorridor von hier aus reichen, bis nach Cozoleacaque und zum Hafen Cuatzacoalcos. Die schlechte Regierung hatte hier erfolglos begonnen, die Implementierung der Großprojekte durch Fälschungen von Unterschriften, manipulierte Anhörungen und Drohungen zu erreichen, und versucht dies weiterhin.

Die folgende Zeremonie, zu der die indigene Gemeinschaft die Karawane lädt, hat symbolische Bedeutung: Hier, auf dieser kleinen Lichtung, genau hier, wo der „parque industrial“ geplant ist, soll das Pflanzen von zwei der hier heimischen, aber seltener gewordenen Bäume - árbol tulabere y guayacan - auf diesem totgefürchteten Boden, eine klare Botschaft Richtung Unternehmen und Regierung senden: Hier, wo wir nun diese Bäume pflanzen, lassen wir kein Industrieprojekt zu. Wir pflanzen Bäume gegen den „interozeanischen Korridor“, im Spiegelbild von Windpark, Raffinerie und Fabrik gegen Berge, Kojote und Wald, entscheiden wir uns für Letzteres.

Seit Jahren widersetzt sich Puente Madera erfolgreich der Implementierung der neoliberalen Großprojekte bei El Pitayal. Vor einem Jahr zeugten ausgebrannte Autos und LKWs von den erfolgreichen Straßenblockaden. 17 Menschen der Gemeinde werden juristisch verfolgt, weil sie sich ihr Land nicht stehlen lassen wollen. Doch ihre kollektive Organisation ist stark, und die Lügen der „progressiven“ Regierung AMLOs haben sie durchschaut: „Die schlechte Regierung hat gesagt, sie würden den Armen helfen, doch das haben sie nur gesagt, um Sympathie bei uns zu gewinnen. Nichts hat sich für die Armen verbessert, im Gegenteil.“

Eine Segnung der Erde schließt an die Reden an, die Enttäuschung über die schlechte Regierung und Hoffnung der eigenen Organisation verbinden. Eine Maispflanze mit bunten Blumen und Kerzen wird geopfert. Eine Compañera, die in Binnizá und eine, die in Zapotec spricht, vollziehen einen Akt des Segens und der Ehrerbietung an Mutter Erde. Dabei spielt ein kleines Kind mit einem Spielzeug-LKW auf dem ausgetrockneten Boden, nur wenige Meter vom frisch gepflanzten, grünen Baum. Wer wird hier in ganzer Größe einmal triumphieren? Der LKW des Industrieparks oder der Baum des Widerstands?

Puente Madera lässt an diesem Tag, der gerade erst begonnen hat, keinen Zweifel zu. „Wir werden ihren Neoliberalismus nicht zulassen, ihren Imperialismus“ – „wir werden niemals aufhören, zu kämpfen“. Der heutige Tag wird wiederum keinen Zweifel an diesen Worten zulassen.

Am Ortseingang wurde in der Zwischenzeit „Bienvenido en Pueblo Madera – Aqui manda el pueblo“ (Wilkommen in Pueblo Madera, hier regiert das Volk) auf die Straße gesprüht. Eine einzelne Feuerwerksrakete wird gezündet. Zurück auf dem Sportplatz der hiesigen Schule kündigen Plakate, Banner, Fahnen und Fotos an, dass die Antwort auf die Frage zwischen LKW und Wald auch nicht allein von den Bewohner*innen Puebla Maderas abhängt: Widerstände aus der Umgebung, ja aus ganz Oaxaca haben sich heute hier versammelt, um das Wort direkt an die „schlechte Regierung“ und die „transnationalen Unternehmen“ zu richten – und deutlich zu machen: Der Istmo [die Landenge von Tehuantepec, wo der „interozeanische Korridor“ entstehen soll,] ist unser! Im Großformat ausgehängte Karten, u.a. der compas von Geocommunes, machen deutlich: Windparks, Bergbau, Minen, Militarisierung und der interozeanische Korridor wie der „Maya“ Zug sind miteinander verbunden und als gemeinsames Projekt anzuprangern.

Das folgende Forum, welches aus drei Panels besteht und über fünf Stunden andauern wird, findet unter ebenjener Notwendigkeit statt: Die Megaprojekte sind miteinander verbunden, sie sind Teil eines kapitalistischen, patriarchalen und kolonialistischen Systems – daher muss auch der Widerstand gegen sie vereint sein. Ein Mann, der sich stets für diese Vereinigung einsetzte, ist gerade von uns gegangen – und so beginnt die Veranstaltung mit einer Ehrung von Marcelino Nolasco:

„Wir erinnern uns an unseren Genossen Marcelino Nolasco, der eine große Fähigkeit zum Dialog hatte, Menschen zusammenzubringen, Konflikte zu lösen, so dass die verschiedenen Kämpfe miteinander reden konnten. […] Er war eine sehr wichtige Person für viele Bewegungen und Kämpfe, wie für die Bildungsprojekte des Volkes der Ikoots, auch für die Genossen der Chimalapas, von Tehuantepec, von San Blas Atempa. Er baute auf, er pflanzte eine Saat, die nun jeden Tag zur Verteidigung des Lebens und des Territoriums erblüht. Sein Weggang hat uns überrascht. Wir wollen uns daran erinnern, dass er immer in unserem Kampf sein wird, besonders in schwierigen Momenten, wenn wir nicht miteinander reden oder uns einigen können“, begrüßt Bettina die Anwesenden, bis sie unter ersten Tränen das Wort abgibt. Mit brüchiger Stimme folgt Felipe Jiménez "Kiro" von der Articulación Istmo: „In den Bildungsprozessen ging Marcelino an den Ufern des Isthmus entlang, an den Stränden des Compas Ikoots, in San Mateo del Mar und San Francisco del Mar. Er ermöglichte den Bau von Schulen, wobei er das Leben in den Mittelpunkt dieser Schulen stellte. Er begleitete auch Organisationsprozesse in den Chimalapas, San Francisco Ixhuatán. Wenn Marcelino heute noch leben würde, wäre er an der Autonomen Kommunalen Universität, die wir aufgebaut haben. Wir haben uns mit ihm zusammengetan, um Vorschläge für die Arbeit der Gemeindeschulen zu machen. Wir haben die Pflege und den Schutz des Lebens für die jungen Menschen des Isthmus in den Mittelpunkt gestellt. Diese Bildungsprozesse mit unseren jungen Menschen sind so wichtig, damit es für die großen Unternehmen nicht so einfach ist, bei uns einzudringen und sie abzuwerben. Marcelino war immer bei uns, beim Centro de Derechos Humanos Tepeyac, er hat uns nie verlassen, trotz Meinungsverschiedenheiten, er hat uns geholfen, uns zu artikulieren. Als es um den Kampf um das Cerro Igú von Puente Madera ging, war er bei uns. Wir danken der Caravana el Sur Resiste für die Ehrung unseres Kameraden Marcelino. Er hat ein Vermächtnis hinterlassen, das für uns ein Beispiel sein kann.“ Nun spricht die Compañera Elizabeth: „Ich war 35 Jahre lang die Gefährtin von Marcelino. Ich bin dankbar für die Anerkennung, die Sie ihm zuteil werden lassen. Wir hoffen, dass dieser Verlust uns als Familie und Ihnen als Kampfgenossen dazu dient, immer weiter zu kämpfen, damit Marcelino weiter lebt.“ Es folgt ein lang anhaltender Applaus – niemand denkt an eine Schweigeminute, denn Schweigen ist das Letzte, worum es den Anwesenden heute geht – und worum es Marcelino je ging.

Es beginnt eine Vorstellung verschiedener Widerstände im Isthmus von Tehuantepec, die alle vom „interozeanischen Korridor“ und seinen Megaprojekten bedroht werden. Santiago A., aus San Francisco del Mar, Oaxaca, Mitglied der APIIDT, spricht über den Widerstand der organisierten Bevölkerung seiner Gemeinde angesichts der Angriffe der schlechten Regierungen auf das Territorium. Er verurteilt die hohen Stromtarife wie die einhergehende Kriminalisierung und Bedrohungssituation. Er verurteilt die derzeitige föderale Regierung dafür, dass sie keine Gelegenheit zum Dialog anbot und die Probleme nicht angegangen ist. Über die Regierung des aktuellen Präsidenten AMLO verliert er klare Worte: „Es ist die schlechteste Regierung aller Zeiten. Die vorigen Regierungen, die auch schlecht waren, hörten uns wenigstens in ganz seltenen Fällen zu, bevor sie gegen uns handelten. Die aktuelle Regierung spricht nicht mit uns.“

Bettina, Gemeinderätin von APIIDT, CNI und CIG berichtet über die Probleme der angeblich „erneuerbaren Energien“: „Das Wind-Megaprojekt steht für die Suche nach neuer Energie, um den Klimawandel und die globale Erwärmung einzudämmen. Die Realität sieht jedoch anders aus: Die Unternehmen sind nur auf der Suche nach neuen Formen des Profits, neuen Geschäften oder der Expansion. Sie suchen nach Standorten, um sich unter dem Begriff "erneuerbare Energie" niederzulassen. Dafür werden jedoch Wälder abgeholzt, ein Industriepark errichtet, der mehr Wärme erzeugt, oder, wie im Fall des Maya-Urwalds, in einen Immobilienkomplex verwandelt wird. Dies geschieht durch Täuschung der Bevölkerung, indem man sie mit dem Versprechen, hohe Zahlungen zu leisten, dazu bringt, das Land an die Unternehmen zu verpachten (über sogenannte „Usufructo-Veträge“). In der Region des Isthmus von Tehuantepec gibt es 29 Windparks, verteilt auf 5 Gemeinden, 15 davon in Juchitán de Zaragoza. Was ist dort aus den Versprechen von Entwicklung und Beschäftigung geworden? Die Probleme haben sich verschärft: Armut, Arbeitslosigkeit und Verdrängung weiterer Arbeitsplätze. In der Region Isthmus gibt es heute 10.000 Motorradtaxis, aber keine Arbeitsplätze in der Industrie. Für 30 Windturbinen wird nur eine Person mit Fachkenntnissen benötigt. Außerdem werden nur 0,1 % der Gewinne aus der erneuerbaren Energie an die bezahlt, die dafür ihr Land verpachten. Das bedeutet: Nur wer mehr als 15 Hektar Land besitzt, bekommt gutes Geld. Die Armen, die Landlosen, sie alle gehen leer aus, verlieren durch die Großprojekte aber ihre Lebensgrundlagen. Was die Zerstörung der Umwelt angeht, so trocknet das Land durch die Entwaldung aus, und auch weit um die Windparks herum werden die größten Bäume gefällt, weil sie die Windrichtung verändern. Die Megaprojekte bedrohen Vögel und Fledermäuse (letztere sind sehr wichtige Bestäuber für die Vegetation), und wir sehen auch, dass Kühe weniger kalben. Hinzu kommt die Verschmutzung durch das Öl aus den Windkraftanlagen, die nicht richtig gewartet werden, der Lärm und die Veränderung der Landschaft, aber vor allem der Verlust der Kontrolle über das Gebiet. Die Windparks erzeugen 3000 Megawatt pro Stunde, aber im Isthmus kämpfen wir gegen die hohen Stromtarife, und die erzeugte Energie kommt nicht in unseren Häusern an.“ Es ist wieder das Paradoxon, welches sich durch einfachen Kolonialismus erklärt: Die Projekte zur Energiegewinnung entreißen den indigenen Gemeinschaften ihr Land und damit ihre Lebensgrundlagen, doch nicht einmal vom produzierten Strom profitieren sie: Dieser wird von den internationalen Unternehmen verwendet, die sich ebenfalls im Industriekorridor ansiedeln. Die lokale Bevölkerung kann sich Strom und Licht praktisch nicht leisten, und die Preise steigen weiter: „Wir sehen, dass die beteiligten Unternehmen (Iberdrola, Gamesa, Siemens, Coca-Cola, Heineken, Bimbo) sich in grün kleiden (die ersten drei sind Produzenten des Stroms, letztere, neben vielen weiteren, die Nutznießer), aber die Gewinne sind nicht für uns. Von welcher Entwicklung ist die Rede, von welchen Arbeitsplätzen?“ Bettina bekräftigt, dass der Verlust der Kontrolle über das Territorium durch die (indigene) Bevölkerung die schwerwiegendste Auswirkung ist.

Der Kampf dagegen wird auf verschiedene Art und Weise geführt, mit Hilfe von Amparos, juristischen Prozessen, direkten Aktionen, Bildungsarbeit und Organisation. Zwei Projekte sind gestoppt worden, doch immer mehr Neue werden angekündigt.

Ganz ähnliche Folgen des Landverlustes bedeutet der Bergbau, von dem anschließend Aline Z. S. aus Ixtepec berichtet, einer Gemeinde 12 km von Puente Madera entfernt: „Ich möchte kurz von einer organisatorischen Erfahrung berichten, die vor etwa 10 Jahren in Ixtepec im Zusammenhang mit dem Bergbau gemacht wurde. Diese Megaprojekte kommen mit voller Rückendeckung der Behörden in die Städte und Gemeinden, so war es auch, als der Bergbau kam. 2013 waren wir eine kleine Gruppe von Frauen, sehr jung, und wir waren besorgt, weil wir nicht wussten, was vor sich ging, wir hatten keine Informationen. Wir sammelten Informationen, bis wir herausfanden, dass die lokalen Behörden, das Kommissariat für kommunales Eigentum und der Gemeinderat, grünes Licht für den Bergbau gegeben hatten. Wir begannen eine organisatorische Kampagne, um auf diesen bevorstehenden Angriff aufmerksam zu machen; es ging um unser Leben, und deshalb schlossen sich, nachdem wir die Informationen weitergegeben hatten, unsere Landsleute zusammen, um unser Land und unser Gebiet zu verteidigen. Es war eine sehr bereichernde Erfahrung, und es blieb nicht bei der Frage des Bergbaus, sondern wir begannen, Informationen über andere Arten von Projekten auszutauschen, wie z. B. Windparks, und wir sahen, dass alle Projekte miteinander verbunden waren. Zehn Jahre später sehen wir, dass, wenn wir damals in der Lage waren, das Territorium zu verteidigen, es jetzt das CIIT (der „interozeanische Korridor“ im Isthmus von Tehuantepec mitsamt Industrieparks) ist, das einem Projekt des Todes entspricht und Ixtepec bedroht. Die Menschen wissen nicht, was in diesem Gebiet passiert, was ein Industriepark ist, oder dass das CIIT kommen wird, um uns das wenige Viele (lo poco mucho) zu nehmen, was wir als indigene Gemeinde noch haben. Wir fahren fort, dieses Thema und die Behörden anzuprangern. Von Ixtepec aus sind wir mit den Menschen in Puente Madera vereint. Wir werden immer an der Seite der Menschen sein, die mit Würde und Organisation kämpfen.“

Nicht nur Ixtepec wird vom Bergbau (zumeist Gold- und Silberminen) bedroht: Germán V. berichtet von ähnlichen Problemen in La Ventosa, Juchitán: „Unser Kampf begann 2016, als ohne Vorwarnung große Baumaschinen auftauchten. Die örtlichen Bauern begannen als Erste, sich über die Maschinen zu wundern, da sie keine Informationen hatten, die über das hinausgingen, was ihre Augen sehen können. Sie sprechen kaum Spanisch, sondern Zapotek. Sie sahen, wie ihr Hügel, das heilige Land für Brennholz und Viehfutter, nach und nach abgetragen wurde. So begannen sie, sich zu organisieren und fanden heraus, dass es sich um ein kanadisches Unternehmen handelt, das 1.038 Hektar mit einer 30-jährigen Konzession abbaggern will. Vier Jahre lang organisieren sie sich, gewannen die Unterstützung anderer Gemeinden, entdecken, dass sie die Autorität sind und lernten ihre Rechte als indigene Bevölkerung kennen. Im Jahr 2019 haben sie mit der Versammlung zur Verteidigung von Völkern und Territorien die Agrarverfügung gewonnen. Sie behaupten, als indigene Gemeinschaften weiter zu wachsen und lehnen die sogenannten Konsultationen durch die Regierungenab, da sie erklären, dass diese immer manipuliert sind und das Recht auf Selbstbestimmung verletzen.“ Noch immer versuchen kanadische Unternehmen, in La Ventosa einzudringen. – Genau wie in der östlichen Zone von Ixhuatán, von der im Anschluss Felipe J. berichtet:

„Puente Madera ist unsere Hoffnung, unser Leuchtturm auf dem Isthmus gegen die CIIT. Der Isthmus war aufgrund seiner Lage schon immer in den Entwicklungsplänen der mexikanischen Regierungen enthalten, und die Erinnerung, oder das kurze Gedächtnis, zeigt uns, dass wir seit dem Jahr 2000 mit dem Plan Puebla-Panama unter Fox, dann mit der Integration und Entwicklung Mesoamerikas und mit den Sonderwirtschaftszonen unter Enrique Peña Nieto über diese Entwicklungspläne zu sprechen begannen, und jetzt, mit der aktuellen Regierung, ist es immer noch dasselbe. Seit 100 Jahren taucht das Projekt des Interozeanischen Korridors immer wieder auf. Es sind die gleichen extraktivistischen Projekte, gegen die wir seit jener Zeit kämpfen: Kanadische Minen suchen bei uns nach Gold, auf einer Fläche von zwischenzeitlich 94.000 Hektar. Diese Konzession zur Suche und dem Abbau des Goldes betrifft ein Gebiet zwischen Zanatepec und Chimalapas, in der Nähe eines sehr wichtigen Flusses, dem Ostuta, es gibt dort ein Meer von Kupfer, Silber und Gold, sie haben alles getan, damit das Bergbauunternehmen diese Mineralien ausbeuten kann. Die Organisation der Ejidos und der Gemeindeeigentümer konnte jedoch verhindern, dass das Bergbauunternehmen in die Abbaugebiete vordringt, was entscheidend war, um die Minen aufzuhalten, genau wie eine 500 Millionen Dollar teure Gasleitung von Playa Vicente, Salina Cruz, nach Guatemala. Doch beide Projekte versuchen weiterhin, in unser Territorium einzudringen. Ja, die Projekte sollen sogar noch größer umgesetzt werden, als sie je zuvor gedacht worden waren: Von San Francisco del Mar, in der Mündung des großen Meeres über Salina Cruz bis Tapachula wollen sie ihre Pipeline umsetzen, und niemand sieht diese Umgestaltung. Denn die Leute sind alle mit den Sozialprogrammen der 4T [der sogenannten „vierten Transformation] der aktuellen mexikanischen Regierung] einverstanden. Doch sie dienen nur zur Spaltung und Ablenkung. So gewinnen die schlechten Regierungen und Unternehmen auch neues Land für Monokulturen: In der östlichen Zone werden Tausende von Hektar für den Mangoanbau abgeholzt. Sembrando Vida verstärkt Abholzung und Anpflanzung von Mango und Maguey fort. [„Sembrando Vida“ wird von der mexikanischen Regierung als „größtes Aufforstungs- und Sozialprogramm der Welt“ präsentiert: Kleinbäuer*innen erhalten einen Geldbetrag, wenn sie bestimmte Bäume auf ihrem Land anpflanzen. Doch die Regierung bestimmt, welche Bäume: So roden viele Menschen gesunden, natürlichen Wald, um etwa Mango oder Maguey anzupflanzen, die sie aber nicht verkaufen dürfen – dies tun andere. Auch das mexikanische Militär spielt im „Sembrando Vida“ Projekt eine bedeutende Rolle und kontrolliert die Pflanzungen]. „Was tun wir dagegen? Wir verbreiten Informationen über das Gemeinschaftsradio und über Gemeinschaftskonsultationen für das Leben. Wir haben Filmvorführungen zu all diesen Projekten organisiert: Theater, Spiele und viele Aktionen von Jugendlichen, um die Probleme sichtbar zu machen. Unsere Völker sind verletzt und politisch gespalten. Das hat dazu geführt, dass unsere Gemeinschaft, insbesondere die Asamblea [die Form der traditionellen Versammlung, um als Gemeinschaft Entscheidungen zu fällen], zerbrochen ist, aber die Versammlungen sind für unsere Lebensweise unerlässlich, um Entscheidungen über, gegen die Projekte des Todes zu treffen.“

Zuletzt ergreift Eliot E. der Repräsentant von La Corriente de Pueblos Sol Rojo das Wort. Eliot beginnt mit einer Würdigung aller anwesenden Kämpfe, national wie "jenseits des Meeres“: „Es ist ein Skandal, dass trotz des Überflusses an Windenergie die Tarife, die die Menschen zu zahlen haben, so hoch sind. Auch an Wasser mangelt es: In den Regionen des Isthmus ist das Wasser, wenn es denn ankommt, schmutzig, aber was immer ankommt, sind die Rechnungen und die Steuern auf selbiges, obwohl es uns gehört. In der Agrargemeinschaft Santa Cruz Tagolaba verurteilen wir die Morde an Protestierenden gegen die hohen Tarife.“ „Auch wurden mehrere unserer compas beim Widerstand gegen die Minen ermordet“. Der Weg des Widerstands, sagt Eliot, besteht auch darin, nicht weiter für die Dienstleistung „Wasser“ und „Strom“ zu bezahlen. Er ruft zum Zusammenschluss der Kämpfe auf, sei es für die Freiheit der politischen Gefangenen in Mexiko oder in Europa, der Kampf in Frankreich gegen die Rentenreform und der Kampf in Deutschland bei der Besetzung von Lützerath. Er unterstreicht, wie wichtig es ist, auf die Straße zu gehen und sich überall zu organisieren. Es bleibe nichts anderes übrig.

Eine Compañera aus Binnizá, die im Publikum saß und nun zur Bühne tritt, interveniert und ergänzt zustimmend: Wir wollen nicht, dass Pitayal [das Land, welches wir in der morgendlichen Zeremonie besuchten] zerstört wird: Dort kommt das Leben her, ein kleines Stück Brennholz, ein Leguan, ein Kaninchen, ein Reh. Jetzt werde ich auf Zapotec sprechen. Und sie hält eine ergreifende Rede, die ich nicht verstehe, die von den anwesenden Zapotecen (und allen anderen) aber mit begeistertem Applaus beantwortet wird. David H., aktuell Gemeindesprecher von Puente Madera, antwortet ihr: „Wir danken den Kampfgenossinnen, die uns immer begleitet haben, ohne Frauen gäbe es keinen gerechten Kampf, ohne die kämpferischen Frauen von Puente Madera. Es leben die Frauen! Seit 2016 kämpfen wir gegen die Auferlegung von Projekten durch die Bundesregierung in Komplizenschaft mit der Generalstaatsanwaltschaft für Landwirtschaft und den drei Regierungsebenen, die unsere natürlichen Ressourcen aus der Hand geben. Puente Madera ist eine Gemeinschaft des Kampfes gegen das Umspannwerk, gegen die Ausbeutung des Igú-Hügels, gegen die CIIT der 4T, die unsere natürlichen Ressourcen, das Land der indigenen Gemeinden, durch manipulierte Versammlungen, durch indigene Konsultationen, die weder frei noch informiert sind, an sich reißen will. Das ist die Realität, in der wir leben, sie hat einen Namen und einen Nachnamen: Antonino Morales Toledo, der derzeitige Verwalter der Landesregierung. Wir werden nicht gehen. Die Regierungen und Unternehmen werden nicht entscheiden, was auf dem Gemeindeland passiert, sondern die Versammlungen und die indigenen Völker, auch mit all den 17 Haftbefehlen, wir werden nicht alle in die Gefängnisse passen, wir haben keine Angst, wir werden fest im Kampf bleiben. Salomón Jara, Antonino und AMLO, wir machen euch verantwortlich für das, was mit uns in der Gemeinschaft, die ihr Land und Territorium verteidigt, der APIIDT und der Artikulation des Foro Frente Único de Organizaciones, geschieht.“ Die anwesenden Internationalist*innen verkünden später – in Hinblick auf befürchtete Repressionen gegen die Bewohner*innen von Puente Madera, die der Regierung und den Unternehmen so offen die Stirn bieten, in einem Land, in dem allein 2023 dutzende Aktivist*innen ermordet wurden: „Wir machen Regierungsebenen, Militär, Organisierte Kriminalität und Konzerne für jeden Akt der Repression, Kriminalisierung, Schikane oder Angriff auf Mitglieder der Versammlung verantwortlich.“ Es ist entscheidend, dass es im Falle des Falles nicht nur bei Worten bleibt – wir müssen Seite an Seite mit den compas in Puente Madera stehen, die unter Gefahr ihres selbigen das Leben verteidigen – nicht nur jenes im Isthmus:

Mario, der Koordinator der Karawane El Sur Resiste und der Versammlung zur Verteidigung der Völker und Territorien, sprach zum Abschluss des ersten Teils der Podiumsdiskussion ein paar entsprechende Worte. Ergänzend zu den Ausführungen der Compas und der Redner*innen unterstreicht er die Risiken und Folgen der Megaprojekte, die bereits spürbar sind und die verschiedenen sozialen und ökologischen Bereiche betreffen, auch über Mexiko hinaus: „Was den Isthmus von Tehuantepec betrifft, so besteht eine Besorgnis, die die systeminterne Gewalt der drei Regierungsebenen, des organisierten Verbrechens und der Armee miteinander verbindet, sowie die ernste Situation der humanitären Migrationskrise, die sich jeden Tag unter immer bedauerlicheren und gewalttätigeren Bedingungen verschlimmert. Durch das Megaprojekt werden die Ströme der Migrant*innen umgelenkt und überqueren den Isthmus. Früher überquerten sie den Isthmus in einem Block: Früher waren es 3000 Menschen im Transit pro Jahr, heute sind es 1000 pro Tag, Brüder und Schwestern aus Mittelamerika, aber auch aus anderen Gegenden, aus marginalisierten Gebieten, aus Gebieten, deren Bewohner vom Kapitalismus ausgeplündert wurden. Brüder und Schwestern aus Haiti, Afrika, Südostasien, Arabien…“

Mario unterstreicht die Folgen des Projekts im Hinblick auf den Transfer von Produktion und Material, der den neuen internationalen Knotenpunkt in der Region bildet. Der Neoliberalismus hat sich in die Logik der Gemeinschaft eingebettet, er hat die Menschen von unten dazu gebracht, ihr Land zu verlassen und zu schlecht bezahlten Arbeitskräften der Großindustrie zu werden. Er verurteilt die Proletarisierung der einheimischen Landbevölkerung. Angesichts des Versuchs, ein kleines Dorf wie Puente Madera zu zerstören, einen Industriepark zu errichten, von dem man weiß, dass er Energie, Wasser, Entwässerung, Mülldeponien, die in der Region nicht geregelt sind, benötigt, "ist es an uns, uns zu organisieren, um gegen den alten, neuen Imperialismus zu kämpfen, der sich aufgrund des globalen Neoliberalismus in der Krise befindet und wild um sich schlägt. „Um ihr zerstörerisches Wirtschaftswachstum fortzusetzen, brauchen sie die kommerzielle Passage des Isthmus, brauchen sie den „interozeanischen Korridor“. Nach 132 Jahren der Idealisierung des Projekts wird es nun von der Regierung der vierten Transformation vorangetrieben wie nie zuvor, im Kampf zwischen China und den USA, in der Krise des Kapitalismus richtet sich der Blick nach langem Verharren auf dem Atlantik auf die Handelsrouten und Ausbeutungsmöglichkeiten des Pazifiks – wie der „erste Colonisador“ in Stefan Zweigs Sternstunde den Berg erklimmt um einen Blick auf den „neuen“ Ozean zu werfen, erklimmt der Colonisador heute den Trümmerhaufen, den er 500 Jahre lang angehäuft hat, und wirft den Blick auf die letzten rincones an dieser sich widersetzenden Küste, die sich ihm bisher entzogen haben und die nun durch den „internationalen Korridor“ erschlossen werden sollen.

„Deshalb ist die Lage so ernst, und das Handeln so dringend erforderlich, compas. Deshalb haben wir zu dieser Karawane aufgerufen. Fällt der Isthmus, fällt so viel mehr, etwa ganz Mittelamerika: Waren, Unternehmen, Waffen, alles kann von hier aus eindringen und gen Süden transportiert werden, wenn der interozeanische Korridor Realität wird – was wir niemals zulassen werden!“

Moderiert wurde dieses erste Panel, wie die folgenden, von compas des Kollektivs „Oaxacatrans“, die sich für die Rechte von Transmenschen einsetzen – und ihren Kampf als Teil des Kampfes für das Leben und das Territorium verstehen. Sie erhalten lang anhaltenden Applaus, genau wie die jungen Musiker*innen aus San Mateo del Mar, einer weiteren Gemeinde im Widerstand: Auf Schildkrötenpanzern und mit geschnitzten Flöten spielend leiten sie musikalisch zum zweiten Panel über.

In diesem wird weiter über die Widerstände im Bundesstaat Oaxaca berichtet, auch über den Isthmus hinaus: Zwei Frauen aus Eloxochitlán de Flores Magon, dem Geburtsort „des Anarchisten“ Ricardo Flores Magón, berichten von ihrem Volk der Mazateken, das seit neun Jahren Gerechtigkeit für seine politischen Gefangenen fordert: Jaime Betanzos, Herminio Bonfil, Fernando Gavito, Alfredo Bolaños, Francisco Duran und Omar Hugo Morales. Obwohl nationale Instanzen wie der Oberste Gerichtshof und internationale Gremien wie die UNO die Unschuld der Genossen anerkannt haben, beharrt die von den drei Regierungsebenen ausgeübte Macht und Korruption darauf, die Genossen für erfundene Verbrechen, an denen sie nie beteiligt waren, in Haft zu halten. Einer der Gefangenen ist der Vater der Vortragenden, der bereits gefoltert wurde. Auf ihren Schildern in Form zweier Mädchen mit erhobener Faust stehen die Namen der Eingesperrten. „Trotzdem strebt Eloxochitlán de Flores Magon immer weiter die Selbstbestimmung an, das Erbe des magonistischen Gemeinschaftsgedankens ist in ihren Bräuchen, in der Aussaat und der Gemeinschaftsarbeit erhalten geblieben. Die sozialen Statuten, die der Staat ihnen auferlegen will, sind weit von ihrer Gemeinschaftlichkeit entfernt, aber die Menschen leisten Widerstand und appellieren an die nationale und internationale Solidarität, um gemeinsam von Salomón Jara, dem Gouverneur von Oaxaca, die Lösung des Konflikts und die Achtung ihrer Autonomie zu fordern.“

Ähnliche Forderungen verkündet anschließend die Front der Oaxaca-Organisationen (FORO), welche sich aus 13 Organisationen zusammensetzt, die für die Verteidigung des Territoriums und der Menschenrechte kämpfen. Sie prangern die Kriminalisierung des sozialen Kampfes durch den Bundesstaat und die Bundesregierung an und rufen zu nationaler wie internationaler Solidarität auf.

Es folgen weitere Redebeiträge:

Genosse Felipe, Vorsitzender des Vorstands der indianischen Organisationen für Menschenrechte in Oaxaca (OIDHO), prangert insbesondere die Spaltung seines Volkes aufgrund der falschen Versprechungen der schlechten Regierung an.

Die Genossen der Zapatistischen Indigenen Agrarbewegung (MAIZ) schließen sich der Karawane 13 Jahre nach dem ungesühnten Mord an Bety Cariño und Jiri Jackola an (siehe „Der Süden widersteht, Tag 3“ [Shortlink wird eingefügt, sobald verfügbar]). Zwei Regierungen haben keine Gerechtigkeit walten lassen, die derzeitige Regierung hat 4 mutmaßliche Täter freigelassen, die an den Morden beteiligt waren. „Drei Regierungen der Straflosigkeit, und die Gerechtigkeit ist nicht eingetroffen. Die Genossen wurden ermordet, weil sie ihr Land und ihr Territorium verteidigten, weil sie ihre Stimme erhoben, weil sie sagten, dass das mixtekische Volk nicht an der Entwicklung interessiert ist, die ihm aufgezwungen wird.“ Dort, wo Bety und Jiri kämpften, gibt es mehr als 40.000 Hektar Bergbaukonzessionen. Die Regierung der 4T pflastert Landstraßen mit der Absicht, die Gemeinden auszuplündern. In San Simón Zahuatlán wurde die Straße bereits asphaltiert, die Fahrtzeit hat sich von zwei auf eine halbe Stunde veringert, doch nicht, um den Menschen bessere Infrastruktur zu liefern, sondern weil es dort 7.000 Hektar Bergbaukonzessionen gibt, obwohl die Gemeinde darüber nicht informiert wurde. „Alles ist eine Plünderung unseres Territoriums, die Hand in Hand mit den Maßnahmen der Regierung und des organisierten Verbrechens durchgeführt wird.“

Es gibt auch gute Nachrichten: Die Organisation Maderas del Pueblo, die im Nationalen Komitee zur Verteidigung von Chimalapa (einem der artenreichsten Regenwälder der Welt, bewohnt von den Chimalapas und bedroht durch die Megaprojekte) mitarbeitet, hat nach 70 Jahren Kampf ein Urteil zu ihren Gunsten erwirkt, das die Rückgabe von 162.000 Hektar Land an die indigenen Gemeinden Chimalapas vorsieht, in die Unternehmen eingedrungen waren. Doch nun treten neue Konzerne an sie heran. „Für die Genossen ist klar, welche Absichten dahinter stecken.“ Unter dem Slogan „El Itsmo no se negocia“ („Über den Isthmus wird nicht verhandelt“) kündigt Miguel Ángel von Maderas del Pueblo an, dass die Chimalapas gegen das Megaprojekt (des „interozeanischen Korridors“) mobilisieren werden, aber er räumt auch ein, dass mehrere Organisationen mit der Idee von Verhandlungen geliebäugelt haben. Miguel, den wir bereits bei seinem Besuch in Brasilien interviewten, trägt ein T-Shirt der ersten Versammlungen unter dem Namen „Der Isthmus ist unser“ – von 1997. Das wir 2023 unter demselben Slogan in Puente Madera zusammenkommen, macht Angst und Hoffnung zugleich.

Die Front "Nein zum Bergbau" (EDUCA), der 14 Gemeinden angehören, prangert den Extraktivismus in den zentralen Tälern von Oaxaca an, eines der Hauptprobleme der letzten 15 Jahre. Diese Praxis wird hauptsächlich von nordamerikanischen und kanadischen Unternehmen betrieben. Im Jahr 2009 drängte sich Fortuna Silver Mines durch Gewalt, den Einsatz von sogenannten „bewaffneten Schockgruppen“ und die Zerrüttung des sozialen Gefüges in das Gebiet. Bewaffnete Gruppen wurden eingesetzt, um die Projekte durchzusetzen; Bernardo Méndez und Bernardo Vázquez wurden ermordet. Dreizehn Jahre nach ihrer Ermordung gibt es noch immer keine Gerechtigkeit. Im Jahr 2008 kam es am Jales-Staudamm zu einem Unglück, das viele Gemeinden ohne Wasser zurückließ, und sechs Monate später zu einem weiteren. Es herrscht völlige Straflosigkeit, bis heute wird Gerechtigkeit gefordert, aber es gibt keine Fortschritte. Die Wassersituation ist auch deshalb zu einem großen Problem geworden, weil in Valles Centrales die Städte landwirtschaftlich geprägt sind. In drei Gemeinden ist das Wasser in den Brunnen versiegt, weil die Grundwasserleiter übermäßig ausgebeutet wurden. „Wir haben es hier mit einem Bergbaukorridor zu tun, der eine Vielzahl von Problemen in den Gemeinden verursacht hat. Da der Isthmus dasselbe Einzugsgebiet hat wie der Fluss Tehuantepec oder der Rio Grande, ist es klar, dass die Gemeinden von Valles Centrales doppelt betroffen sein werden, wenn der Transistmico (der „interozeanische Korridor“) eingeführt wird.“

2023 kündigt sich statt Gerechtigkeit eine Verschärfung der Probleme an: Nach einem Treffen von Biden, AMLO und Trudeau wurde bekannt, dass dutzende neue Konzessionen für Minen US- und kanadischer Unternehmen in Oaxaca zugelassen werden. Die Menschen, die sich heute in Puente Madera versammeln, werden diesen nicht weichen: „Sollen sie es wagen, zu kommen. Wir haben keine Angst. Sie können uns einsperren, wir haben keine Angst, wir kämpfen.“

Die Große Hoffnung liegt dabei auch in den jungen Konstellationen: Es ist ein schönes Bild, als sich ein gewisser 84-jähriger Frans,[1] mit Kindern und Jugendlichen mehrerer Gemeinden die Bühne des dritten Panels teilt: Sie stellen Ansätze autonomer Produktion vor: Medizinherstellung, Lebensmittelanbau, Handelskollektive: „Wir brauchen den Staat nicht“.

Es ist ein weniger schönes Bild, als die letzte Rednerin des letzten Panels abschließend über die Wasserproblematik spricht und ins Publikum fragt: „Wer von euch kennt einen Fluss in diesem Territorium, das Mexiko genannt wird, der einmal schön und sauber war, und nun kontaminiert ist?“ Fast alle der über 150 Anwesenden heben die Hand. Wir denken auch zurück an den Fluss Rio Verde, einer der wenigen großen Flüsse, die immer noch sauber sind – auch, weil die Gemeinden ihn verteidigen. Doch der Widerstand leidet unter einem Klima der Angst: In den vergangenen drei Jahren sind sieben Vertreter*innen des Komitees zur Verteidigung des Flusses ermordet worden.

Doch ohne Angst steht Pueblo Madera zusammen. „Sie sollen es nicht wagen, uns anzugreifen!“ – und: „Wir brauchen internationale Rückendeckung, nicht nur heute, auch morgen, genau wie ihr die unsre habt!“

Der Applaus für die Gemeinde, die nicht nur für die Menschen von Ixhuatán, sondern für den gesamten Isthmus „ein Leuchtturm“ des Widerstands ist, hält lange an, unter allseits bekannten Sprechchören und den Namen der Verfolgten und Ermordeten. Heute leuchtet der Turm besonders hell, und das Licht begleitet die Busse der Karawane, die auf vier angestiegen sind, bis in die Tierra Bonita (das schöne Land), die nächste Station der Karawane, direkt an den Schienen des „interozeanischen Korridors“.

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Was europäische Unternehmen mit den Megaprojekten zu tun haben, erfahrt ihr hier: https://deinebahn.com/

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Eine Ergänzung zum gestrigen Aktionstag in Deutschland: Neben den gestern aufgezählten Orten fanden auch in Bonn, München, Bremen, Frankfurt und weiteren Städten Aktionen statt.

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Eine Korrektur zum staatlichen Mord an den Migrant*innen in Ciudad Juarez: 40 Menschen starben bei dem Feuer.

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Ergänzung zum völkerrechtswidrig in der besetzten Westsahara abgebauten Phosphat, welches zum Istmus-Hafen Coatzacoalcos verschifft wird: Ein deutsches Unternehmen ist für den Transport verantwortlich: Die Reederei oldendorff aus Lübeck (2022).Den entsprechenden Bericht der Western Sahara Resource Watch findet ihr hier: https://wsrw.org/de/nachrichten/konfliktressource-phosphat-vier-jahrzehnte-plunderung

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Zu Windparks und dem ILO-169-Abkommen der Rechte indigener Völker: In Norwegen wurden 151 Windkraftanlagen von der dänischen Firma Vestas für viele Milliarden Kronen aufgestellt – und müssen nun möglicherweise wieder abgerissen werden - damit die dort einheimischen Sami ihre Rentiere ungestört in ihrem indigenen Territorium weiden lassen können, wo sie es schon seit vielen Generationen tun. Das haben norwegische Richterinnen und Richter entschieden. https://www.nordschleswiger.dk/de/international-meinung-leitartikel/minderheitenrechte-von-norwegen-lernen-heisst-hoffentlich-bald

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Neuigkeiten zu den zerstörerischen Megaprojekten im Süd-Südosten Mexikos: 26.04.2023: Das Parlament nimmt den Vorschlag des mexikanischen Präsidenten an, zukünftig 80 Prozent der durch den Tourismus eingenommenen Steuern in die Megaprojekte unter Verwaltung des Militärs fließen zu lassen. / 26.04.2023: Die berühmte Cenote (Höhlensystem im Karstgestein mit Süßwasser) „Dama Blanca“ in Quintana Roo wurde durch die Bauarbeiten am „Maya“ Zu endgültig zerstört. // 27.04.2023: Das mexikanische Militär erhält noch einen weiteren enormen, besorgniserregenden Machtzuwachs: Ab sofort untersteht der El Consejo Nacional de Ciencia y Tecnología (Conacyt), einer der wichtigsten öffentlichen Forschungseinrichtungen Mexikos, dem Militär. Damit entscheiden ab sofort praktisch die Streitkräfte über die Wissenschaft und ihr Budget. Unter diesen Umständen, die sicher lange geplant war, ist es kaum verwunderlich, dass die Conact vier Jahre lang Forschungsergebnisse zum Tren „Maya“ zurückhielt und zensierte. Dies wurde erst vergangene Woche bekannt.

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Für aktuelle Informationen rund um die Karawane „Der Süden widersteht“:

Twitter: @AgRecherche und @TrenMayaStoppen

Websites: https://www.elsurresiste.org/, https://deinebahn.com/

[1] Francisco Van der Hoff, gründete in den 80er Jahren die erste Fairtrade Kooperative, die ihren Anspruch auch ernst nahm. Er arbeitet seit 40 Jahren mit zapotekischen und mixtekischen Gemeinden zusammen und verkündete: “No se puede cambiar el sistema de golpe”, dijo. “Protestar sin tener alternativas no va muy lejos”. (Man kann das System nicht einfach durch einen Schlag besiegen. Protestieren, ohne eine Alternative zu haben, bringt einen nicht besonders weit.")

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