Telepathie für das liebe Vieh

paranormales Deutschlandradio Kultur macht Werbung für eine telepathische Tierdolmetscherin

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Die parasoziale Funktion des Radios erfüllt ihren Zweck beim Kochen am Mittwochvormittag hervorragend. 11 Uhr leicht tranig in der Küche. Ein launiger Moderator in RTL-Sprech: Hingehört, Tomaten geschnitten. Weghört, Zwiebeln geschnitten. Hingehört, Augenreiben. Weggehört, Zwiebelweinen, und plötzlich, ja, das kann doch wohl nicht wahr sein! Zunächst, Deutschlandradio Kultur ist für Experimente bekannt, gedacht, sehr lustig! Dann begriffen, der meint das ernst! Ein Bericht über die „Tierdolmetscherin“ Karin Müller in Wettmar von einem Tim Wiese. Klingt zunächst, beim Basilikumzupfen von der Fensterbank, harmlos, so keimt die Idee, es gehe um Verhaltensbiologie. Die Frau nimmt hörbar ein Huhn auf den Arm um zu erklären, sie kommuniziere auf ganz unterschiedliche Arten mit Tieren. Da könnten Bilder sein, die ihr plötzlich durch den Kopf gingen, gefühlte Schmerzen oder schmerzvolle Gefühle, welche selbstverständlich die des berührten Tiers sein müssen. Entsetzen! Mit fahrigen Puls Knoblauch in Sekundenschnelle gehackt. Dabei ängstliches Warten auf ein ganz bestimmtes Wort. Bevor es fällt wird beschrieben, Karin Müller müsse nur das Foto eines Tieres ansehen und schon wisse sie, was es für eine Malaise habe. Der Austausch mit den Tieren fände auf Gedankenebene statt. Bei folgendem Zitat, das Wort fällt wie erwartet, Fleisch brüllend sehr scharf angebraten:

"Das Gefühl, mit seinem eigenen Tier in Verbindung zu sein, das hat eigentlich jeder Tierbesitzer. Nur die meisten bewerten diese Informationen, die sie da schon lange bekommen als Zufall. Und ich sage halt: Nee, nee, das ist einfach nur das falsche Schubfach. Hier geht es eigentlich schon los mit Telepathie, mit dem sechsten Sinn. Damit, dass man eigentlich genau weiß, worum es geht."

Nach zehn Minuten „Deutschland-Radio-Kultur-Mittelalter“, Essen abkühlen lassen und recherchiert. Tatsächlich! Es gibt mehrere „Schulen“ von „Tierkommunikatoren“ oder „Tierdolmetschern“ die über „energetische Kräfte“ mit Tieren Kontakt aufzunehmen vermögen. Kammerflimmern! Starke Verzweiflung! Schnaps! Anruf bei einer Verhaltensbiologin, sie rät vom Schnaps ab, begreift den Sinn meines wutgestotterten Anrufs und bedauert fatalistisch, dass die Menschen lieber Scharlatanen glauben als der Wissenschaft. Es läge an der Faulheit des Hirns, es würde sich eben jene Idee aussuchen, die am einfachsten sei, egal wie hirnrissig. Außerdem, wenn es Menschen zu gut gehe, dann würden sie eben gerne Unsinn glauben. Nach Verabredung zum Trösten, noch einmal recherchiert. Wikipedia schreibt zum Thema Telepathie:

„Telepathische Phänomene werden vielfach auf Fehleinschätzungen von Wahrnehmungen zurückgeführt. Es gibt Studien, aus denen geschlossen werden kann, dass Personen, die paranormale Phänomene für möglich halten, auch für wissenschaftlich beschreibbare Phänomene eher paranormale Erklärungen befürworten und dass der Glaube an paranormale Phänomene einhergeht mit einer erhöhten Fähigkeit zum Phantasieren, einem geringeren Maß an kritischem Denkvermögen und einer verringerten Fähigkeit zur Abschätzung von Wahrscheinlichkeiten. Bei einigen dieser Personen wurde eine erhöhte Aktivität der rechten Gehirnhälfte festgestellt, die Rückschlüsse auf Stärken im gefühlsmäßigen, kreativen Bereich und Schwächen beim Lösen von logischen Aufgaben zulässt.“

Das köstliche Essen versöhnt mit dem Radio. Weitere Nachforschungen ergeben, auch auf der Seite von Deutschlandradio Kultur keine Reflexion, keine Kritik, selbstverständliche Übernahme von pseudowissenschaftlichen Begriffen. Erneuter Wutanfall! Beim Espresso düster die dösende Katze angestarrt und sofort Bild im Kopf: Umzug auf einen anderen Planeten!

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/profil/1827063/

http://karin-mueller.com/index.php

http://www.tierkommunikationen.de/

http://de.wikipedia.org/wiki/Telepathie

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Geschrieben von

visionsbar

"Ich lasse meine Mitmenschen zur Hölle fahren, wie es ihnen beliebt!" Robert Louis Stevenson

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