Ein überdimensionaler weißer Hut schiebt sich durch den Saal, in dem versucht wird, den Herrscher unförmig gewaltiger Kreaturen mit auserwählter Nahrung zu befriedigen. Darunter taucht die gefangene Agentin Laureline auf, während die Kamera in die Aufsicht geht und zeigt, was vorher unklar war: Der Hut hat nur eine Krempe, und der Schädel ist nach oben unbedeckt, somit angreifbar und fertig garniert. Gierig zeigt sich der hungrige Herrscher mit einem Nussknacker-Werkzeug. Bevor der Schädel von Laureline geknackt und Gehirnmasse geschlürft werden kann, ist aber Partner Valerian zur Stelle, um Rettung in letzter Minute zu leisten.
Das Spiel mit Formen, das diese Sequenz so stark macht, das Interesse an Maßstäben und Symbolen zeigt zugleich das Können und Scheitern von Luc Besson. Seine Science-Fiction-Comic-Verfilmung der Valerian-Serie aus den 1970er Jahren tobt sich aus, ist Feuerwerk und Labor für Raumgestaltungen, entfesselte Kamerafahrten und Special-Effect-Eskalationen – und bricht sich dabei das Genick. Valerian – Die Stadt der tausend Planeten ist ein 3D-Spektakel, das tut, was die Science-Fiction-Fangemeinde liebt: detailreiche Ausstattung von Weltentwürfen und absurde Kreaturen als Schöpfungen, die aus Albträumen, Utopien und Fantasien entstanden sind.
Aber dann versucht Besson, Geschichten zu erzählen – führt etwa den riesigen Hut ein, der an die Frisur der Star-Wars-Prinzessin Leia erinnert, den massig hungrigen Feind, der inszeniert wird wie Jabba der Hutte aus dem George-Lucas-Universum –, bleibt dabei aber nur Bildern verhaftet, die um die Figuren gebaut werden und nicht mit ihnen in Dialog treten. Laureline mit Todeshut wird vorhersehbar durch Valerian gerettet, die Situation löst sich auf, bevor Spannung entstehen kann: Besson hat das Erzählen verlernt.
Valerian und Laureline sind im 28. Jahrhundert für die Regierung des Gesamtuniversums unterwegs, um herauszufinden, was es mit der Bedrohung durch eine radioaktive Zone auf dem Planeten Alpha auf sich hat. Dabei erfahren sie von der lange zurückliegenden Zerstörung des Planeten Mül, die von der Regierung verschleiert wurde und den Lebensraum des Volks der Pearls zerstörte.
Kamera als Spiegel
Der Film will seine Zukunftsräume als Dystopien der Gegenwart präsentieren: Die Pearls werden, an den Konflikten unbeteiligt, vom Krieg in der Galaxie getroffen und nehmen die Rolle der Refugees ein; die Militärs sind korrupt, ziehen Tode dem Schuldgeständnis vor, weil ihr Selbstbild auf immerwährende Stärke gebaut ist. Die erste Mission führt Valerian und Laureline an einen Ort, der nur durch spezielle Brillen sichtbar wird. Ein Spektakel, das im Film die schaulustigen Touristen anzieht, die uns Zuschauerinnen selbst mit unseren 3D-Brillen nachahmen.
Eine Verfolgungsjagd zeigt dabei Bessons dramaturgisches Geschick, komplexe Situationen zwischen sichtbarer und unsichtbarer Welt, zwischen Fremdsteuerung und menschlicher Bewegung aufzulösen. Weiter zieht es die beiden nach Alpha, das so etwas wie ein Knäuel hyperglobalisierter Stadtadern ist, die nicht pulsieren, sondern das Blut des Konsums durch die Straßenschluchten schießen. Die Kamera rast durch diese Hölle, in der sich alles zu Werbung auf Flachbildschirmen wandelt.
Da scheint es konsequent unangenehm, dass der Film diese Welt affirmativ mit dem Konsumgut Rihanna aus der Gegenwart verknüpft. Die spielt sich als Bubble, ein Wesen, das seine Gestalt ändern kann, vor allem selbst und inszeniert sich nebenbei als sterbende Nofretete. Sie spricht pathetisch über ihr Leben als Künstlerin und verlässt die Geschichte genauso unmotiviert, wie sie in ihr aufgetaucht ist.
Die Figuren werden zu Zierrat ohne Bedeutung. Die Dialoge, die Valerian und Laureline gelangweilt aufsagen, wirken wie eine Parodie auf ihre Rollen – eine Parodie minus Charme und Witz; eine ermüdende Gleichung. Dazu kommt eine Romanze zwischen den beiden Protagonisten. Besondere Coolness soll die abweisende Haltung von Laureline generieren, die Valerian auf Abstand hält.
Sie handelt so jedoch nicht aus Unabhängigkeit, sondern weil sie meint, ein Anrecht darauf zu haben, die einzige Frau für Valerian zu sein. Alles an dieser Verbindung ist normativ: Besson kostet jedes puppenstubenhafte Klischee aus – vom Ideal des Heiratsantrags bis zum bösen Mann, der mehrere Frauen hat. Laureline umkreist die Männerfigur nur und wird dadurch um eigene Züge beschnitten. Neben dem reaktionären Spiel verfolgt sie selbst keine Wünsche und Ideen, die nicht an ihren Partner im Leben und in der Arbeit gebunden wären.
Das Spiel der Protagonisten ist dabei genauso ausdruckslos wie ihre Sprache. Cara Delevingne wirkt, als würde sie die Kamera mit einem Spiegel verwechseln, in dem sie ihren Modefoto-Look trainiert. Dane DeHaans glatte Mimik wird zu einem zweiten Schutzanzug, und selbst die Kraft eines Clive Owen (als Commander Arun Filitt) wird von der Montage in kurze Wutausbruch-Sequenzen verbannt, wo sie unbeachtet verkümmert. Nahaufnahmen werden so nicht zu einem Vergrößerungsglas für Ausdruck und Gefühl, sondern zu Maskenbildern. Da hilft keine 3D-Technik, da könnte nur ein Interesse für die eigenen Figurenentwürfe helfen. Aber das muss Luc Besson auf einer seiner schwindelerregenden Kamerafahrten abhanden gekommen sein.
Info
Valerian – Die Stadt der tausend Planeten Luc Besson F/USA 2017, 137 Minuten
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