Die guten Vorsätze

Alltag zum alljährlichen Bewegungswahn im neuen Jahr

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Heute im Hallenbad: Auf jeder Bahn schwimmen, nein stauen sich etwa zehn Schwimmer, die in den unterschiedlichsten Schwimmstilen und -geschwindigkeiten versuchen, den jeweils anderen Beckenrand zu erreichen. Meine Güte, ist es wirklich schon wieder so weit? Kurz nach Neujahr erfolgt alljährlich der Überfall der Haare-werden-nass-Clique und der jetzt-hau-ich-richtig-rein-Truppe, auch genannt Bikini-sitzt-nicht-Fraktion und knielang-ist-cool-Gang.

Allen gemeinsam ist, dass sie vom Aufenthalt im Wasser einen Großteil dafür verwenden, an den Beckenrand geklammert zu fachsimpeln. Am häufigsten kommt vor "früher hab ich mal" (bei den Männern) und "soo toll" (bei den Frauen). Cool bleiben, es muss nicht sein, dass man nach 100 Metern im Schwimmbecken kollabiert, das wird noch. Wenn ihr fleißig weiter übt. Und jetzt geht mal bitte kurz weg da, damit ich hier wenden kann.

Jetzt auf die Joggingstrecke: Auch in Wald und Feld kommt es zuverlässig jedes Jahr in den ersten Januarwochen zum verstärkten Auftreten von guten Vorsätzlern, erkennbar am Baumwolljogginganzug. So einem, wie sie Sylvester Stallone in Rocky I trägt. Wo kann man die bloß heute noch kaufen? Auf dem Waldweg ist fast schon Stau. Vom ständigen Thumbs-up tun mir die Hände weh.

Ein schwer atmendes Paar kämpft sich den Waldweg rauf, sie etwa zwei Schritte hinter ihm. Fast schon archaische Zustände. Hier schlägt das Genderproblem besonders hart zu. Männer haben das größere Herz und die größere Lunge. Der Speck wird an beide Geschlechter aber gleich verteilt. Sollte man mal gesetzlich regulieren. Spätestens im Februar ist sie bestimmt grau im Gesicht, weil sie seit drei Tagen nichts mehr gegessen hat. Von unten kommt noch ein Einzelkämpfer, der mit rotem Gesicht und letzter Puste zum Überholen ansetzt.

Biken war ich noch nicht. Vielleicht bleibe ich dem Trail aus Angst vor Kollisionsverletzungen auch noch ein paar Wochen fern. Auch wenn es Anfang des Jahres bei den Discountern immer Bandagen, Rheumasalbe und Kühlkissen gibt.

Bis März ist dann alles wieder vorbei. Becken, Wald und Wiese leeren sich. Die, die durchgehalten haben, haben sich praktische Kleidung zugelegt und grüßen beim Vorbeilaufen. Nicht, weil sie vorher unhöflich waren, sondern weil dazu inzwischen genügend Luft übrig ist. Die richtig-reinhauen-Gruppen haben sich stark verkleinert und sehen auch nicht mehr so reingehauen aus. Paare halten nach meiner Beobachtung fast nie durch. Vielleicht gehen sie lieber essen.

Ohne Frage, Sport ist prima und macht Spaß. Ich mache ja selbst welchen, sonst würde mir das alles gar nicht auffallen. Aber muss man damit gleich Selbstexorzismus betreiben? Es ist ja auch grundsätzlich egal, wann man damit anfängt, am ersten Januar oder am ersten August. Wer aus irgendwelchen masochistisch-religiösen Gründen dafür Kater und Kopfschmerz braucht, dem sei es gegönnt. Nur, anders geht das irgendwie leichter.

Damit habe ich nun bestimmt allen Neujahrsfanatikern den Wind aus den Segeln genommen. Was so total natürlich nicht beabsichtigt ist. Lehnt euch nochmal zurück, denkt an das tolle Weihnachtsessen und die Sylvesterparty und legt los. Morgen. Und bringt euch dabei bitte nicht gleich um.

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