Die Rückkehr der Anwesenheitskultur

Home Office Bekanntlich tun Arbeitgeber oft nicht das, was Arbeitnehmer gerne wollen. Wenn Unternehmen über Fachkräftemangel jammern, tun sie aber gut daran.

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Eigentlich wollte ich an dieser Stelle einen schönen Text schreiben über die Schwierigkeiten, seiner Arbeit auch zu Hause nachzugehen. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist das nämlich meist schwer durchsetzbar.

Yahoo kam mir zuvor und beorderte vor ein paar Tagen alle Angestellten zurück an den Schreibtisch. In anderen Unternehmen versteht man das zum Teil als Signal.

Wollen Unternehmen wirklich zurück zur Anwesenheitskultur? Anwesenheitszeit gleich Arbeitszeit? Ich hatte eigentlich gehofft, darüber würden wir langsam wegkommen.

Dieses Modell nützt vor allem Singles, die zeitlich flexibel sind und Aufsteigern, die den Flurfunk zu ihren Gunsten einsetzen. Man schaue sich mal an, wer im Büro in den After-Hours noch sitzt: Vorgesetzte, die als letztes von Bord gehen wollen, Fanatiker, Ängstliche, Einsame und Karrieregeile. Ein guter Teil des typischen Burn-Out Klientels also.

Für die Vereinbarkeit von Job und Familie ist Präsenzpflicht ein Problem. Neben dem Mangel an Vollzeitarbeitsplätzen sind familiäre Bedürfnisse der häufigste Grund, weshalb Mütter in Teilzeit arbeiten.

Die Hoffnung, dass es in Zukunft weniger Berufspendler geben wird, wäre auch Geschichte.

Das Interesse daran, der Arbeit zuhause nachzugehen hat seit 2009 etwas abgenommen. Trotzdem wollen noch immer 57% aller Arbeitnehmer ganz oder teilweise zu Hause arbeiten, 10% tun das ohnehin schon. Lediglich 30% wollen jeden Tag am Arbeitsplatz erscheinen.

http://de.statista.com/graphic/1/155775/arbeiten-im-home-office.jpg

Bekanntlich tun Arbeitgeber oft nicht das, was Arbeitnehmer gerne wollen. Die Unternehmensinteressen gehen vor. Wenn Unternehmen über Fachkräftemangel jammern, tun sie aber gut daran, potentiellen Mitarbeitern etwas entgegenzukommen. Zum Beispiel bei der Gestaltung des Arbeitsorts. Kann man das wirklich ignorieren?

Ob, wann und wie oft zuhause gearbeitet werden darf, ist jetzt schon zähe Verhandlungssache, sogar in der Informatik. Von "begründeten Ausnahmen" ist da oft die Rede. Mit Glück und Hartnäckigkeit werden diese dann zur geduldeten Dauereinrichtung.

Im Ganzen hat mich erstaunt, wie wenig statistisches Material ich zum Thema Home Office finden konnte. Falls das nicht an mir liegt, interessiert Heimarbeit weniger, als ich angenommen habe. So ganz geheuer ist das vergleichsweise autonome Arbeitsmodell vermutlich noch immer nicht.

Angeblich haben Angestellte bei Yahoo die zuhause verbrachte Zeit genutzt, um nebenher Start-Ups zu gründen.

Home Office erhöht die Produktivität bremst aber Innovation, zitieren mehrere Medien eine Untersuchung von John Sullivan. Das sagt fast mehr über das Unternehmen Yahoo aus als über den Sinn oder Unsinn von Heimarbeit. Probleme mit Fachkräftemangel scheint Yahoo jedenfalls nicht zu haben. Ich würde sogar raten, dass dort bald eine grössere Entlassungswelle ansteht.

Dr. John Sullivan, HR Spezialist an der San Francisco State University über die Entscheidung Yahoos und die Zusammenhänge zwischen Anwesenheit und Innovation http://bit.ly/15WgcoQ

Das Interesse an Heimarbeit hat abgenommen. Wollten 2009 noch 20,6 Mio Deutsche zu Hause arbeiten, waren es 2012 nur noch 17,63 Mio http://bit.ly/149rGSi

Eine Studie der Stadt Karlsruhe von 2012 belegt wenig überraschend, dass Home Office Tätigkeit den Pedlerstrom verringert. Allerdings fahren die meisten Pendler an den Office-Tagen dafür mit dem Auto zur Arbeit. http://bit.ly/Y409hw

Während im Westen Mütter überwiegend wegen persönlicher und familiärer Verpflichtungen einer Teilzeittätigkeit nachgingen, war im Osten auch der Mangel an Vollzeitarbeitsplätzen von Bedeutung. - Statistiken zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Bundesamt f. Statistik (S. 1079ff , Zusammenfassung S1091) http://bit.ly/XHAsqI

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