Hört endlich auf zu jammern!

Zeitungskrise Print stirbt. Die FTD und FR sind bereits eingegangen. Der Journalismus steckt in der Krise. Seit Wochen kommentiert sich die Branche selbst.

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Inzwischen habe ich gut 50 Artikel über das Zeitungssterben gelesen und werde in Kürze auch den sechzigsten und siebzigsten gelesen haben. Print wird nicht mehr verkauft und online vom Leser nicht finanziert, von der Werbung schon gar nicht. Ich lese das alles mit einer Mischung aus Interesse, Mitgefühl und Genervtheit.

Interesse, weil hier eine Wandlung sehr ausführlich öffentlich diskutiert wird, Mitgefühl, weil ich nachvollziehen kann, daß es sich für Betroffene so anfühlt wie im Schleudergang der Waschmaschine, Genervtheit, weil hier eine Apokalypse beschworen wird, die es nicht gibt.

Es wird von "Qualitätsmedien" und "Qualitätsjournalismus" gesprochen, den es in Kürze nicht mehr geben soll. Man gibt sich Mühe, die falsche Denke zu identifizieren, die zu all diesem schrecklichen Unheil geführt hat. Um daraus die richtige Geisteshaltung zum Erhalt einer sterbenden Stadt zu destillieren? Und ist es wirklich der Punkt, wer am Ende schuld war? Nichts gegen eine richtig gute Party, bevor die Welt untergeht. Ein ganz klein bisschen unglaubwürdig ist das schon.

In der IT gab es das auch schon mal. Am Anfang des Jahrtausends, als die Konkurrenz härter wurde, die Dotcom-Bubble platze und die globale Wirtschaft die Zähne zeigte.

Von Serviceorientierung war die Rede und vom Kunden, der zahlt oder auch nicht. Am zynischsten fand ich in diesem Zusammenhang den Begriff "Ventilation Principle". Alte Klepper raus, neue, unverbrauchte Wollmilchsäue rein. Permanente Erneuerung twentyfourseven. Die Folge waren ein Leben im Hamsterrad, Entlassungswellen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Burn-Out.

Die IT gibt es immer noch. Die Branche ist hierzulande nicht eingegangen, sie wird größer und diverser. Die Arbeitsbedingungen werden besser, weil man dafür Leute braucht. Outsourcing funktioniert nicht so, wie man das ausgerechnet hat. Der Kunde zahlt immer noch oder immer wieder.

Man arbeitet jetzt vielleicht härter als vorher und die Arbeit macht nicht mehr ganz so viel Spaß. Was woanders besser sein könnte oder früher.

Es ist bitter, seinen Job zu verlieren oder in Angst davor zu leben. Mag sein, daß aus guten Zeiten schlechtere werden und früher alles besser war. Mit allem Respekt für die, die jetzt grade in der Waschmaschine stecken, an alle Vierte-Gewalt-Skandierer und Print-darf-nicht-sterben Jünger: Hört endlich auf zu jammern!

Zeit, sich Alternativen zu überlegen, was ja an vielen Stellen auch geschieht. Eine deutsche Zeitung kann nicht in Bangalore gemacht werden. Sprachlich nicht und kulturell nicht, ob sie online erscheint oder in Print. Vielleicht lohnt es sich, in anderen Bereichen nachzusehen, wie Krisen bewältigt wurden und was daraus entstanden ist. Und entstehen wird etwas. Vorzugsweise an der Grenzfläche von "dem Neuen" und "dem Alten“.

Daß neue Modelle wie Crowdsourcing, Paywall oder Medienmix (noch) nicht kostendeckend arbeiten, ist ja kein Beweis, daß sie nicht funktionieren. Nur, dass sie vielleicht nicht zu Ende gedacht sind.

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