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Doping Die Affäre um Lance Armstrong weitet sich aus. Macht ein Dopingverbot eigentlich noch Sinn?

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August 2012. Der siebenmalige Tour-de-France Sieger Lance Armstrong verzichtet im laufenden Dopingverfahren auf wei-tere Rechtsmittel. Die Weltdopingagentur USADA beantragt beim Weltverband erfolgreich die Aberkennung seiner Siege. Der Titel ginge auf die jeweiligen Zweitplazierten über. An Jan Ullrich zum Beispiel. Dieser kann sich darüber nicht so wirklich freuen, ist er doch selbst des Dopings überführt worden. Alex Zülle? Ivan Basso? Wegen Dopings verurteilt. Andreas Klöden? War in die Freiburger Doping-Affäre verwickelt. Die Drittpla-zierten? Keinesfalls über jeden Zweifel erhaben. Spätestens jetzt wird die Sache einigermaßen absurd.

Im Ausdauersport wird flächendeckend gedopt, so ist es in der öffentlichen Meinung angekommen. Wer nicht des Dopings ver-dächtig ist, hat sich einfach noch nicht erwischen lassen, was dank verbesserter Analyseverfahren und eingefrorener Blutpro-ben in ein paar Jahren rauskommen wird. Auch gut. Bis dahin interessiert das ohnehin niemanden mehr.

Eigentlich ist es ja ganz einfach im Sport. Ein paar Leute rennen am Start gleichzeitig los und wer als Erster im Ziel ankommt, hat gewonnen. Wer am schnellsten rudert oder am höchsten springt, ist Sieger. Das wird in der Regel sofort entschieden und nicht Jahre später im Labor. Sport ist spannend, weil es solche Duelle gibt wie die zwischen Jan Ullrich und Lance Armstrong an der Alpe d'Huez.

Man könnte sich analytische Umwege also eigentlich sparen und wieder nach höher-schneller-weiter urteilen. Da ohnehin keiner mehr dran glaubt, dass nicht gedopt wird, könnte man es genauso gut auch erlauben. Natürlich in Grenzen, beispielsweise nicht für Minderjährige.

Für die Gesundheit der Sportler wären dann wieder die Ärzte verantwortlich. Bei Problemen müssten sie mit Klagen rechnen. Dopingkontrollen gäbe es keine mehr. Viele der verbotenen Substanzen lassen sich in der Realität ohnehin nicht nachweisen, und um die Sportler regelmäßig zu kontrollieren, fehlen den Verbänden die Mittel. Doping ist in Wahrheit also eine Art Lotterie.

Man müsste vielleicht auf ein paar Skandale verzichten. Wie Erik Zabel mit Tränen in den großen brauen Schoggiaugen. Und Jan Ullrich, der im irgendwie unpassenden Anzug niemanden betro-gen haben will. Es gab Dopingproben, die verschwanden und wieder auftauchten. Hacker, die in die Rechner von Analysela-bors einbrachen. Es gab die Omerta und Enthüllungsromane.

Reuigen, verzweifelten oder schlicht peinlichen Sportlern, die aus Versehen in eine EPO-Spritze gefallen sind, glauben wir ohnehin nicht mehr. Und die, denen wir vielleicht geglaubt haben, mussten ihre Karrieren trotzdem beenden.

Als Sponsor würde sich in Zukunft die Pharmaindustrie anbie-ten. Und in Folge vielleicht eine Horde von Hulk-ähnlichen Athleten an den Start stellen. Würde sich der Einsatz von leistungsfördernden Substanzen auf längere Sicht sowieso einschränken, weil das keiner sehen will? Mit einem Wettstreit der Übermenschen kann sich ja kein Mensch mehr identifizieren.

Um ehrlich zu sein: spätestens nach der Hälfte der Tour sieht ein Radprofi sowieso aus wie ein halb verhungertes Alien mit viel zu großen Oberschenkeln. Meistens auch noch so, als wäre dieses gerade in eine Schlägerei geraten. Um sich da so richtig gut zu identifizieren, braucht man schon ein ziemlich verschobenes Selbstbild. Oder vor der Übertragung wenigstens ein Bier. Aber einschalten tut man trotzdem.

Es ist vielleicht Zeit, das Dopingverbot einzuschränken, denn es lässt sich nicht glaubhaft durchsetzen, keiner versteht es, dem Sport bringt es nichts und die Medien werden andere Skandale finden. Das ist vielleicht nicht die wahre, asketische Sicht von Sport, nur die Realität. Am ungemütlichsten wäre es allerdings, wenn sich nach einer Legalisierung so gut wie nichts ändert.

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