Was mit Computern machen

Informatik Das Leben in der IT in den Hirnen der Anderen

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Informatik ist die „Wissenschaft von der systematischen Verarbeitung von Informationen, besonders der automatischen Verarbeitung mit Hilfe von Digitalrechnern“, sagt Wikipedia.

Und? Das macht eigentlich jeder. Zum Beispiel wenn er Inhalte auf sein Mobiltelefon lädt oder seine Waschmaschine programmiert. Jede Mikrowelle hat einen Chip und CERN sowieso. Wer einen Facebook-Account hat und Blogs liest, kennt sich aus und kann mitreden. Beim Mitreden wird dann schnell klar, dass man vieles weiß und das meiste nicht. Auskennen tun sich da nur die Spezialisten. Warum verstehen alle anderen nur Bahnhof und wer sind die Spezialisten überhaupt?

Schwer zu sagen. "Die" IT gibt es schon lange nicht mehr. Was vor ein, zwei Jahrzehnten noch wie ein Haus mit vielen Zimmern aussah, hat sich zu einer wuchernden Stadt ohne Einwohnermeldeamt entwickelt. Es wimmelt dort von Leuten, die sich selbst zum Beispiel als Security-Spezialisten, Hardwareexperten, Webdesigner oder Programmierer bezeichnen und sich in ihrer Straße gut auskennen. Vom Rest der Stadt haben sie in der Regel mal gehört. Untereinander teilen sie nicht mal die gleiche Sichtweise der Dinge. Die Netzwerk-Gilde würde mir an dieser Stelle zum Beispiel widersprechen und behaupten, dass zumindest jeder eine eindeutige IP-Adresse hat.

Kurz gesagt: einen Spezialisten für Bankensoftware bei Problemen mit dem WLAN-Modem zu fragen, ist etwa so erfolgversprechend wie einen Gärtner um Rechtsbeistand zu bitten. Was einen CAD-Designer, einen Javaentwickler und einen Firewallspezialisten verbindet, ist nicht viel. Außer ihr Beruf aus der Sicht der anderen.

Von Twitter und Facebook mal abgesehen, ist diese Sicht vorwiegend: IT ist wichtig, teuer, kompliziert und keiner versteht sie. Am wenigsten die, für die sie eigentlich da ist. Was daran liegt, dass diejenigen, die damit zu tun haben, sich einfach nicht verständlich ausdrücken können. Bei „denen“ handelt es sich meist maulfaule, sozial inkompetente Lebewesen, die zu einem Stamm gehören, der in Kellerräumen zwischen halbleeren Pizzaboxen vor sich hinvegetiert oder mit einem Laptop unter dem Arm unverständliche Phrasen drischt.

Dieses Klischee wird gerne bedient und stimmt einfach nicht. Ich habe große Hochachtung vor Programmierern, die in endlosen Sitzungen einfach geniale Dinge basteln, aber die Regel sind sie nicht.

Viele Informatikangestellte sind Quereinsteiger aus anderen Berufen. Mathematiker in Versicherungen zum Beispiel oder Physiker und Geologen. Und die sollten in der Lage sein, sich für Durchschnitts- wesen verständlich auszudrücken. Geisteswissenschaftler gibt es in diesem Bereich eher wenig, aber es hat auch noch niemand behauptet, dass diese extrem verständlich kommunizieren können.

Zugegeben, es braucht Übersetzer, manchmal im wortwörtlichen Sinn. In fast keinem anderen Fachgebiet gibt es eine derartige Ansammlung an Fremdworten, Akronymen und Anglizismen wie in der Informatik. Man kommt sich im Gespräch gelegentlich vor wie zu Gast bei Außerirdischen. Erfreulich ist es oft schon, wenn in einem Satz mehr als zwei deutsche Worte mit drei Buchstaben auftauchen. Ein Beispiel war kürzlich auf SPON zu lesen, wo das Klischee leider wieder reichlich bedient wurde: „Wir modellieren mit BPML die Geschäftsprozesse, die wir als Services über eine SOAP-API und WSDL integrieren und in der n-Tier-Architektur über EJB-Container an das SAP anbinden. Bingo!"

So schlimm ist nicht mal reines Friesisch oder heftigste Waliser Mundart. Folglich verbringt ein Mensch, der "was mit Computern" macht, einen großen Teil seiner Lebenszeit damit, anderen zu erklären, was er tut. Nur - das tun Juristen auch. Irgendwie scheint es aber in Sachen IT nichts zu nützen. Auf einer Feier verfolgte ich kürzlich folgenden Wortwechsel:

"Und was machst du denn so beruflich?"

"Mhmm, ...was mit Computern."

"Was machst du denn da den ganzen Tag? Das geht doch alles automatisch?"

Das ist jetzt ein vielleicht sehr krasses Beispiel vom Verständnis der IT in der breiten Masse. Da kann einem schon der Gedanke kommen, dass beim Erklären einfach niemand zuhört.

Vieleicht geben sich Produktplaner und Programmierer nur zu viel Mühe. Anwendungen sind oft so einfach und selbsterklärend aufgebaut, dass die Meinung entsteht, alles andere drum rum wäre genau so leicht nachvollziehbar. Was bei näherer Betrachtung irgendwie nicht stimmen kann. Wer mal eine Modelleisenbahn hatte und sich vorstellt, es wären 200 Züge und nicht nur zwei, sieht das umgehend ein.

Die kompetentesten Gesprächspartner sind in dieser Hinsicht Kinder und Jugendliche. Was auch daran liegen mag, dass sie geübt darin sind, Dinge auf Wikipedia nachzuschauen oder gleich selbst auszuprobieren. Im Anschluss lernen sie dann, was beim Ausprobieren schiefgehen kann und wie man das elterliche Notebook von unerwünschten Viren wieder befreit. Das Resultat heißt dann Kompetenz.

In einer Zeitschrift las ich kürzlich, man solle sich nicht scheuen, sich bei Problemen mit dem Handy von seinen Kindern beraten zu lassen. Das halte ich für eine sehr gute Idee. Um gleich hinzuzufügen: Das Gerede vom digital Native halte ich für Quatsch. Von etwas keine Ahnung zu haben, ist mittlerweile der Normalzustand und also die Regel. In spätestens zwei Jahren gibt es eine neue Software oder ein neues Gerät und wenn man es benutzen will oder muss, wird man sich damit auseinandersetzen müssen.

Leider ist Sich-Auseinandersetzen sehr viel aufwendiger, als auswendig zu lernen, was "Shitstorm" heißt und wie man einen Twitter-Account anlegt, warum Facebook böse ist und Google sowieso. Und sich mit Dingen zu beschäftigen, die man schon in der Schule nicht mochte.

Es ist auch so, dass das so erworbene Wissen eine immer kürzere Haltbarkeit hat. Kein Mensch will heute mehr wissen, wie man einen Videorekorder programmiert. Oder kann sich noch jemand an die Kürzelschrift erinnern, mit der man Eingaben in Handheld-Devices gemacht hat?

Das Leben in der IT besteht größtenteils daraus, neue Lösungen für neue Probleme zu finden. Die Mittel bleiben dabei meist mehr oder weniger die alten. Es gibt eine wachsende Anzahl an Problemstellungen, weil die Welt zunehmend komplexer wird. Und weil immer mehr automatisiert und digitalisiert wird. Es arbeiten also immer mehr Leute daran, elektronische Dinge zu erdenken, zu designen, zu beschreiben und zu verkaufen. Keine esoterische Beschäftigung. Man muss dazu auch nicht überdurchschnittlich begabt sein. So einfach ist das.

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