Ich bin dein Mensch

Rezension Über die Kunst, die Einsamkeit zu vermarkten.

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Ich bin dein Mensch beginnt in einer Tanzlustbarkeit und konfrontiert uns mit einem außergewöhnlich schlechten Flirt, zwischen einem adretten, hochgewachsenen Engländer und einer skeptischen, zugleich faszinierten und erschrockenen Frau. Beide ungefähr so alt, wie die Stammzuschauerschaft des ARD sich vermutlich fühlt. Alma ist Altphilologe für Altorientalische Sprachen und leitet ein Projekt am Vorderasiatischen Museum Berlins, das nach Poetik in frühen und frühesten Verwaltungstexten sucht. Um Forschungsmittel für ihr Projekt zu erhalten, soll sie für eine Ethikkommission einen Bericht über ein neues Produkt erstellen und muss dafür an einer dreiwöchigen Studie teilnehmen. Humanoide Roboter sollen nicht bloß als Liebespartner, sondern gleich als Traumpartner auf den Markt gebracht werden. Ob dieses Produkt ethisch vertretbar ist – immerhin klingt auch die Frage an, ob eine Heirat zwischen Mensch und Roboter denkbar ist – obliegt ihr zu bewerten. Hierbei steht sie als Geisteswissenschaftler dem ganzen entsprechend skeptisch bis zynisch gegenüber. Selbstverständlich verstrickt sie sich, das Produkt Tom betreffend, in allerlei Gefühle, verliert ihr Forschungsprojekt, muss erleben, wie ihre eigentliche Liebe mit einer anderen Frau ein Kind hat, obwohl sie ihres für ihn abtreiben lassen oder verloren hat und pflegt dabei abwechselnd mit ihrer Schwester den dementen Vater. Über einen Streit beendet Alma die Probezeit mit dem Produkt, das darauf verschwindet und erst von ihr auf einer dänischen Nordseeinsel wiedergefunden wird, auf der sie als Kind zum Urlaub war, wo sie sich in einen einheimischen Jungen verliebt hatte. Der Film endet mit der Niederschrift des Gutachtens, in dem Alma von der Zulassung der Roboter strikt abrät. Zu diesem Monolog werden Bilder gezeigt, wie sie mit ihrem Produkt melancholisch bis nostalgisch Löcher in die sommerliche Nordseeluft schaut.

Greifen wir zu Beginn die im Film implizierte Frage auf: Ist die Liebe mit einem Roboter tatsächliche Liebe? Hierauf gibt der Film eine klare und eindeutige Antwort: vielleicht. Dieses „vielleicht“ aber verdient besondere Aufmerksamkeit. Ein „vielleicht“ ist viel vernichtender als es jedes Ja oder Nein wäre. Ein Nein wäre erwartbar – hierzu gibt der Film eigene Anreize (Gefühlsausdruck vs. tatsächliches Gefühl, usw.) – und ein Ja schlicht der Liebeslüge einen Schritt näher. Wer der Liebe ein klares Ja entgegen brüllen kann, ist schon dem nicht-lieben nähergekommen. Völlig verloren ist sie, wenn auch noch gesagt werden kann, weshalb man diesen oder jenen liebt, dann wandelt sich die Beziehung ausschließlich in eine Nutzbeziehung. Aber gerade dieses „Vielleicht“ ist charakteristisch für die Liebe, es beinhaltet das Ungewisse und Unerfüllte, dass jeder Liebe vorausgesetzt ist. Ist die Liebe mit einem Roboter also tatsächliche Liebe? Der Film ist hier also eindeutig, wenn er seine selbstgestellte Frage mit einem klaren „vielleicht“ beantwortet.

Von den Fragen, die im Film gestellt werden (Kann man Algorithmen lieben; ist es nur Selbstgespräch, wenn man mit einem Programm spricht; was ist der Unterschied zwischen dargestellter und gefühlter Wut für die Umstehenden; usw.) soll eine insbesondere aufgegriffen werden. Als Alma und Tom sich das erste Mal treffen, stellt sie ihm zum Test mehrere Fragen. Darunter auch, was der Sinn des Lebens sei, worauf Tom prompt antwortet: Die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Identisches liest man auch auf Biokaffeeverpackungen oder Ökoschokoladenriegeln. Ist es nicht das Credo jedes Produktes, dass es die Welt zu einem besseren Ort macht? – welche Welt auch immer gemeint ist. Von Papierstrohalm bis Elektroauto liest man entsprechendes auf Verpackung und Werbung. Und hier stoßen wir schon auf ein grundlegendes Problem von Ich bin dein Mensch. Zwar liest man überall, dass der Film existenzielle Fragen aufwerfen soll, was Mensch sein bedeutet, usw., nur dass zur (versuchten) Beantwortung dieser Fragen, nie aus dem Film etwas herangezogen wird, sondern das Ganze einfach verhallt, ist symptomatisch. Es ist charakteristisch sowohl für den Film selbst, als auch für den Umgang mit ihm. Aber ja: Fragen wurden gestellt – dass aber macht noch keinen guten, geschweige denn philosophischen. Damit reiht er sich nur in den aktuellen Werbetrend ein, möglichst nichtssagende Pseudoaphorismen seinen Produkten beizugeben. Wenn wir also feststellen müssen, dass sich die Tiefgründigkeit dieses Films mit der Verpackung eines Schokoriegels oder einem Werbeplakat eines bekannten Stromanbieters messen kann, erübrigt sich die weitere Forschung nach Fragen, die vom Film aufgeworfen werden, gänzlich. So scheint es aber viel dringlicher, dass wir uns den Fragen und Problemen zuwenden, die gerade nicht gestellt und den Problemen, die eben nicht behandelt werden, zuwenden.

Woher kommen die Roboter? Da heißt es: aus einer Fabrik. Und sehen Alma zu Beginn ein himmlisch weißes Gebäude mit Tom verlassen. Das war es. Und als sich die einzige Verbindung zur Fabrik ebenfalls als Roboter entpuppt, wird der Produzent vollkommen unsichtbar. Die Roboter erscheinen ex machina. Sie sind eben einfach da. Was damit eine wunderbare Schablone für die Perspektive des Konsumenten ist, der am besten gar nicht fragt, woher etwas kommt, sondern sich bitte nur auf seine eigene Beziehung zum Produkt konzentriert – wenn es ihm nicht gefällt, soll er es halt nicht kaufen. Ob deren bloße Existenz gerechtfertigt ist, ist schlichtweg irrelevant. Die Ethikkommission hat nur herauszufinden, ob sie als legitime Mitmenschen gelten dürfen (inkl. Heirat, usw.). Das dahinter – hierzu wird nichts geliefert, aber weshalb sonst die Fabrik – konkrete Profitinteressen stehen, wird anzunehmen sein. Stattdessen bekommen wir die Plattitüde eines Polizisten zu hören, der auf Almas Hysterie (dass alles in einem Haus Wert hätte, auch wenn nichts gestohlen worden ist) antwortet, dass Wert ja relativ sei. Er hätte aus der Position des Einbrechers gesprochen, als er meinte, hier sei nichts von Wert. Übersetzt heißt das: „Wenn einer mit einer Sehnsucht, die er selbst auch noch in dir geweckt hat, verdient – sich also seine eigene Nachfrage verschafft – und dich davon abhängig macht, dann ist das völlig in Ordnung, ein glücklicher Zufall bloß, denn wichtig ist nur, wie du zu dem Produkt selbst stehst. Was bedeutet es für dich?“ Was es für eine Gesellschaft bedeutet, in welche Umstände das ganze eingebettet ist, wird nicht nur nicht behandelt, sondern aktiv verdrängt.

Die ethische Frage wäre hier (denn für eine Ethikkommission und nicht für ein Seminar der Liebeslyrik des 21. Jh. forscht Alma) also vielmehr, ob das oben geschilderte Modell überhaupt vertretbar ist. Genauso wenig wird behandelt, aus welcher Situation heraus jemand solche Produkte für lukrativ hält, welcher Sehnsüchte sich bedient wird, um Absatz zu generieren (durch die Platzierung des Geschehens in einer Studie, umgeht man das finanzielle Problem völlig) und aus was für einer sozialen und ökonomischen Struktur so ein Idee überhaupt geboren werden kann. Was sind überhaupt die Produktionsbedingungen?

Der Film selbst ist aber in konkrete Strukturen eingebettet und wir kommen nicht umhin uns zu fragen, ob der Versuch den Roboter als menschengleich zu erheben, nicht bloß ein Versuch ist, das Problem der Verantwortung im Schadensfall vom hypothetischen Produzenten auf das einzelne Produkt abzuschieben.

Der Schadensfall wird nämlich ebenso völlig unbehandelt gelassen. Bis auf einen anachronistischen Aufhänger zu Beginn, ist das Produkt scheinbar perfekt. Es tut genau, was es soll. Anders in der dem Film zugrundeliegenden Kurzgeschichte von Emma Braslavski, in der das Produkt durchaus auch gewalttätig wird, nachdem Alma es entsprechend modifiziert hatte. Wir kommen nicht umhin zu bemerken, dass Ich bin dein Mensch insgesamt außergewöhnlich weichgewaschen daherkommt – von einem „Naturerlebnis“ ist besser ganz zu schweigen.[1] Denn vor tatsächlich existentiellen Fragen, die sich hier anböten, scheut er erneut zurück. Was, wenn der Kunde geschlagen werden möchte? Was wenn er sich oder jemand anderen umbringen möchte? Wie hat das Produkt sich hier zu verhalten, was kann insofern über den Menschen gefragt und gesagt werden, wie er sich wiederum dazu verhält?

Gerade das „Vielleicht“ auf die Frage, ob es also Liebe ist, ist niederschmetternd und fast bizarr, weil es den Fokus des Status Quo von den gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen, in der sich das Individuum wiederfindet, auf das Individuum selbst reduziert. Vielmehr fällt der Film zurück auf die Frage, wie ein Produkt designt sein muss, um noch mit der Einsamkeit Geld verdienen zu können, ohne dabei aber die Einsamkeit selbst zu beheben, sondern im Gegenteil: am besten langfristig noch zu steigern, um den Menschen in völlige Abhängigkeit zu ziehen.

Genaugenommen macht es der Film richtig: die Protagonistin rät schlussendlich völlig von den Robotern ab. Hier will man Kritik zeigen. Aber es ist falsche Kritik, genauso weichgewaschen wie der Nordeseesand auf dem das Schilf melancholisch im Sommerhauch wippt. Ich bin ein Mensch versucht mit allen Mitteln Sehnsucht nach solch einem Produkt zu wecken und gerade das durch die Protagonistin ausgesprochene Verbot wird die Liebe geadelt. Er spricht sich oberflächlich dagegen aus, nur um eigentlich die beste Werbung dafür zu sein.

Damit bedient sich Ich bin dein Mensch genau der aktuelle Werbeform, in der ein Produkt sich einer pseudokritischen Selbstbefragung unterzieht, um gerade damit die anschließende, gewissenlose Lust zu ermöglichen: Bei Bioladen die Avocado kaufen, die von irgendeinem armen Taglöhner in Südamerika gepflückt wurde, aber „Öko“ ist – wofür man ja auch mehr zahlt. Fast-Food-Ketten, die nach Kauf von Burger und Kückenzerhexeltem noch fragen, ob man nicht einen Euro spenden möchte, um einen Baum zu pflanzen, oder im Kleidungsgeschäft an SOS Kinderdörfer spenden, während man die Kleidung hält, die womöglich sogar von eben jenen Kindern genäht wurde.

Der Auftrag des Produktes – oder „der Sinn des Lebens“ – sei es, die Welt ein Stück besser zu machen. So Toms Antwort. Das geschieht, indem das Produkt die Träume der Nutzer Wirklichkeit werden lässt – den Traumpartner. Allerdings haben wir – um mit Žižek zu sprechen – ein Wort für Träume die (zu) real werden: Alpträume. Und ich fürchte damit haben wir es hier auch zu tun.

[1] Wobei es das Produkt ist, was als mit der Natur völlig im Einklang dargestellt wird. Die Tatsache, dass aber gerade hier die Montage/ der Konstruktionscharakter der Szene, die Tom zwischen die Hirsche projiziert, besonders deutlich ins Auge fällt, spricht für sich.

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Geschrieben von

Julius

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Julius

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