Augstein&Blome - Interview mit Merkel

Realsatire Frau Merkel stellt sich den Interviewpartnern Augstein&Blome. Für die zwei Journalisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die Chance, sich in Szene zu setzen.

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Augstein: Ohne Krawatte, alles andere als zugeknöpft. Frau Bundeskanzlerin, es freut uns natürlich, dass sie uns Einblicke in ihre politische Arbeit gewähren wollen.

Blome: Wie immer korrekt gekleidet, fast schon überkorrekt. Da stimme ich meinem Interviewpartner ausnahmsweise zu, Frau Bundeskanzlerin.

Merkel: Nun, meine Herren, ich habe mich zu dem Interview entschlossen, weil ich neue Wege gehen will, auch und gerade im Umgang mit der veröffentlichten Meinung.

Augstein: Sie spielen aber nicht auf das Buch von Frau Höhler „die Patin“ an, in dem ihnen vorgeworfen wird, dass wichtige Entscheidungen doch eher im Verborgenen – quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit – getroffen werden?

Merkel: Herr Augstein, ich bin seit sieben Jahren Bundeskanzlerin. Das bin ich doch nicht geworden, weil einsame Entscheidungen in nicht zugänglichen Hinterzimmern getroffen werden, sondern weil ich meine Verantwortung für Deutschland in schwierigsten Zeiten wahr genommen habe und das öffentlich und für jeden nachvollziebar.

Blome: Richtig, Frau Bundeskanzlerin, da kann ich ihnen nur zustimmen. Hat sie eigentlich das Buch von Frau Höhler nicht ein bisschen geärgert?

Merkel: Wieso geärgert, ich habe das Buch doch gar nicht gelesen. Mit meiner Person beschäftigen sich viele Menschen, da ist es nur allzu normal, wenn meiner Politik nicht alle zustimmen. Im Übrigen kenne ich Frau Höhler nur flüchtig.

Augstein: Frau Bundeskanzlerin, Ihnen wird vorgeworfen, dass sie nicht entscheidungsfreudig sind, zu lange zögern und auch dazu neigen, Ideen anderer aufzugreifen, um sie dann als ihre eigenen zu verkaufen.

Merkel: Meine Entscheidungen sind wohl überlegt, da gibt es keine Schnellschüsse, schließlich muss man die Dinge vom Ende her denken. Und wenn der politische Gegner in ausgewählten Einzelfällen der gleichen Meinung ist wie ich, kann ich darin nichts Befremdliches finden. Gerade was die Beschlusslage in der Euro-Finanzkrise betrifft, haben wir parteiübergreifend eine hohe Übereinstimmung. Das zeigt doch gerade, dass alle demokratischen Kräfte an einer gemeinsamen Lösung interessiert sind.

Blome: Bis auf die Linke, Frau Bundeskanzlerin. Halten Sie die Linke für verantwortungslos in dieser Frage?

Merkel: So weit möchte ich nicht gehen, aber man kann doch nicht für den Euro sein und dann in entscheidenden Fragen, was die Stabilisierung des Euro betrifft, dagegen stimmen. Die deutsche Bevölkerung fragt sich mit Recht, wo die Linke eigentlich steht. Jedenfalls kann sich das nur eine Partei leisten, die nicht in der Regierungsverantwortung steht.

Augstein: Frau Bundeskanzlerin, spielen sie da nicht auch auf ihre Koalitionspartner FDP und CSU an, die keine Gelegenheit auslassen, ihre europapolitischen Zielsetzungen zu torpedieren?

Merkel: Da gebe ich ihnen teilweise Recht, Herr Augstein. Gewisse Äußerungen aus dem Kabinett und auch aus Bayern sind da nicht immer hilfreich. Insgesamt ist die Entscheidungsfindung in der Eurokrise schwierig. Da braucht man Augenmaß und muss seine Worte wägen.

Blome: Frau Merkel, man wirft ihnen auch vor, klassisch konservative Werte nicht zu beachten, ja geradezu zu ignorieren. Das betrifft u.a. die Abschaffung der Wehrpflicht, die steuerliche Gleichstellung von Homosexuellen und der doch sehr abrupte Ausstieg aus der Kernenergie.

Merkel: Jede Volkspartei muss sich gesellschaftlichen Wandlungsprozessen unterziehen, sonst verliert sie ihre Fähigkeit Volkspartei zu bleiben. Der Markenkern der CDU ist und bleibt ihre christliche Orientierung. Hier die Balance zwischen pragmatischer Politik und dem christlich-konservativen Wertesystem zu halten, ist nicht leicht, aber gerade da liegt auch eine zentrale Chance für die CDU. Wer sonst vertritt die politische Mitte so überzeugend wie wir.

Augstein: Nach allen Seiten offen, wankelmütig in den Entscheidungen, zur Not über Leichen gehend, um nur einige Zitate ihrer immer zahlreich werdenden Kritiker zu nennen. Kein Bundeskanzler vor ihnen hat so viele Weggefährten seiner eigenen Partei zur Strecke gebracht wie sie Frau Bundeskanzlerin. Der Fall Röttgen ist das jüngste Beispiel einsamer, nicht nachvollziehbarer Personalentscheidungen.

Merkel: Ich bedauere den Rückzug vieler politischer Weggefährten zutiefst, zeigt es doch, dass die Belastungen – physisch wie psychisch – sehr hoch sind. Was den Fall Röttgen betrifft, ist mir die Entscheidung nicht leicht gefallen. Sachzwänge müssen jedoch für mich als Bundeskanzlerin den Vorrang vor persönlichen Befindlichkeiten haben. Wie ich aus zuverlässiger Quelle unterrichtet wurde, haben doch auch sie Herr Augstein sich vor nicht allzu langer Zeit von ihren Herausgebern trennen müssen.

Blome: In sich hineingrinsend ob der Schlagfertigkeit der Kanzlerin. Frau Bundeskanzlerin, stört es sie eigentlich, wenn sie als mächtigste Frau der Welt tituliert werden?

Merkel: Ach wissen Sie, nichts ist so vergänglich wie die Macht, vor allem, wenn sie geliehen ist.

Augstein: Wir bedanken uns für das Gespräch, Frau Bundeskanzlerin.

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