Brandt und Wehner – Grüße aus dem Orbit (2)

Zwiegespräche Brandt und Wehner, die beiden Urgesteine der SPD treffen sich zu ihrem regelmäßigen Gedankenaustausch. Thema heute: Kanzlerkandidat Peer Steinbrück!

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Brandt: Herbert, was sagst denn zu unserem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück?

Wehner: Wehner will einen tiefen Zug aus seiner Pfeife machen und merkt in dem Moment, dass sie ausgegangen ist. Da springt ein entmaterialisierter SPD-Anhänger flugs herbei und reicht ihm stilgerecht ein langes brennendes Streichholz. In Rauchschwaden gehüllt zischt Wehner hervor „Du meinst doch nicht etwa diesen Parvenü aus Hamburg?

Brandt: Was hast Du schon wieder gegen Steinbrück. Das ist doch ein fähiger Mann. Er hat eine spitze Zunge, kennt sich in Wirtschafts- und Finanzfragen sehr gut aus und im Übrigen haben wir keinen anderen, der Kanzlerin Merkel wirklich gefährlich werden kann.

Wehner: nähert sich seiner Betriebstemperatur. Bist Du so naiv und merkst Du nicht, dass der CDU gar nichts Besseres passieren konnte als die Nominierung Peer Steinbrücks zum Kanzlerkandidaten? Das einzige Thema, bei dem die SPD noch punkten kann, ist die soziale Gerechtigkeit. Ein Kandidat wie Peer Steinbrück, der mit seinen Vorträgen ein Mehrfaches dessen verdient hat, als er als Abgeordneter erhält, der kann doch nicht einem einfachen SPD-Wähler erklären, dass er für soziale Gerechtigkeit eintritt. Für das Honorar eines von ihm gehaltenen Vortrags müssen 5 Harz IV Empfänger das ganze Jahr ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Brandt: Die Harz IV Empfänger wählen doch nicht die SPD, mein lieber Herbert. Die sind bei der Linkspartei. Also gilt es, die links von der Mitte stehende Klientel zu erreichen. Und da ist der Steinrück genau der Richtige. Die SPD ist eine Volkspartei, das hast Du wohl vergessen.

Wehner: Dass ich nicht lache, links von der Mitte sind mittlerweile die Grünen und auch Teile der CDU/CSU. Merkel ist so wandlungsfähig wie ein Chamäleon. Die verkörpert immer gerade das, was man von ihr erwartet. Die Merkel sage ich Dir, schlägt die SPD ganz alleine. Die ganze CDU ist zum Kanzlerwahlverein mutiert. Fast 98% Zustimmung auf dem CDU-Parteitag sagt doch alles.

Brandt: Ja, da hast Du wohl Recht, mein lieber Herbert. Das sind ja Zustimmungswerte vergleichbar mit denen in einer Diktatur. Dennoch: Wer hätte es denn machen sollen außer der Peer. Wir beide sind nicht mehr da, der Helmut ist zu alt und Oskar, dieser Abtrünnige, kommt auch nicht in Frage.

Wehner: Die Hannelore Kraft soll es machen. Die kann wenigstens Wahlen gewinnen.

Brandt: Die will doch nicht. Der gefällt es in NRW, jetzt wo sie endlich mit den Grünen mehrheitlich regieren kann. Und blöd ist die auch nicht. Wenn sie Kraft jetzt kandidiert, geht es ihr wie der Ypsilanti, die sich nicht an ihre Zusagen gehalten hat und gnadenlos abgestraft wurde.

Wehner: Die SPD muss sich von Grund auf erneuern. Diese neoliberalen Mutanten kommen wir vor wie Zombies einer längst vergangenen Partei, die sich so lange verbogen hat, bis von den alten Idealen unserer einst so stolzen Arbeiterpartei nichts mehr übrig geblieben ist.

Brandt: Wenn ich Dich so reden höre, ist es schon fast eine Schande, dass meine Büste im Willy Brandt Haus steht.

Wehner: Endlich hast Du es begriffen, mein lieber Willy. Du kannst ja den Antrag stellen, dass sie mit einem schwarzen Tuch verhüllt wird.

Brandt: Wenn schon denn schon, dann ein rotes Tuch, Herbert.

Wehner: Auch da bist Du nicht ganz auf der Höhe der Zeit, mein lieber Willy. Das heißt jetzt Magenta und leitet sich aus Agenda 2010 ab.

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