das neue Ampel-Kabinett

Ampel-Koalition Das neue Ampel-Kabinett steht fest. Aufbruch und Erneuerung soll sie vermitteln. Ich habe da so meine Zweifel.

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Hier nun die endgültige Kabinettsliste der 20. Wahlperiode:

Olaf Scholz (SPD): - Bundeskanzler

Ist nun Olaf Scholz der neue Gutsherr? Nun Olaf Scholz ist Hanseat, nicht zu verwechseln mit weltoffen, das den Hanseaten so nachsagt wird. Olaf Scholz wird den Regierungsstil von Merkel kopieren. Abwarten was passiert und sich dann auf die richtige Seite schlagen. Die richtige Seite ist immer da, wo die Mehrheit verortet wird. Olaf Scholz hat auch Überzeugungen – er ist ein überzeugter Neoliberaler -, nur die artikuliert er nicht. Er versteckt diese hinter einem verschmitzten Grinsen, antwortet selten auf Fragen, die ihm gestellt werden, kungelt mit den vermeintlichen Eliten in Hinterzimmern und will sich nicht in die Karten schauen lassen.

Ein typisches Beispiel ist jetzt seine Haltung zu der Impfpflicht. Er gibt diese Abstimmung frei, weil er sich sicher ist, wie sie ausgehen wird. Er persönlich ist für die allgemeine Impfpflicht, weil er sich sicher ist, dass die Mehrheit der Bevölkerung dies befürwortet.

Scholz ist sich bewusst, dass seine politischen Gegner mehrheitlich in der eigenen Partei sitzen. Deshalb sucht er die Nähe zu anderen Parteien bzw. er hievt Parteigenossen in Ämter, die ihm gefährlich werden können (z.B. Kevin Kühnert). Die SPD hat gelernt, dass ein nach außen zur Schau getragener Zusammenhalt Wahlerfolge beschert, vor allem dann, wenn der politische Gegner eine derart schlechte Performance hinlegt wie zuletzt.

Wolfgang Schmidt (SPD): - Kanzleramtsminister

Er gilt als Vertrauter von Scholz und wird immer dann vorgeschickt, wenn es brenzlig wird. Und brenzlig wird es werden, wenn ich an den Cum-Ex Skandal oder die Geschehnisse rund um Wire-Card denke.

Robert Habeck (Bündnis 90/die Grünen): - Wirtschaft + Klimaschutz und Vizekanzler

Robert Habeck, der Philosoph unter den Politikern ist der neue Superminister. Manche Dinge erklärt er so umständlich, dass man sich fragt, was er eigentlich gemeint hat.

Ich bin gespannt, wen Habeck anruft, wenn es um wirtschaftliche Fragen geht. Das war bei seinem Vorgänger Altmeier nicht besser, tröstet mich aber auch nicht. Tja, bei den Grünen sind die Kompetenzwerte von nachrangiger Bedeutung. Das wird ein Spaß, wenn künftig Habeck im Parlament auf den Opposititionsführer und neuen CDU-Vorsitzenden Merz trifft. Finanzminister Lindner muss eigentlich gar nichts machen, außer Merz reden lassen.

Habeck hat geschickt abgewartet, bis sich seine Kontrahentin Annalena Baerbock selbst ins Abseits manövriert hat. Nun, die Frauenquote bei Bündnis 90/die Grünen hat nur so lange Priorität, wie sie der Machtfrage nicht entgegensteht.

Wenn Robert Habeck redet, hat man den Einruck, dass er kurz vor der Heulgrenze steht. Er macht den Eindruck, dass er stets mit sich ringt, was er denn tun soll. Das vermittelt seinem Gegenüber ein gewisses Maß an Empathie und macht ihn sympathisch.

Aber irgendwie passt er zu dem Image der Grünen. Er möchte eine bessere Welt, wenn es in das Weltbild der grünen Ideologie passt. Passt es nicht in das grün-ökologische Weltbild, kann es schnell ungemütlich werden. So hat Habeck sein wahres Gesicht in der Pandemiefrage gezeigt, in dem er sich für eine allgemeine Impfpflicht ausspricht.

Das wird bei anderen Krisensituationen nicht viel anders laufen und sollte man auf der BVerfG hoffen, hofft man vergebens.

Christian Lindner (FDP): - Finanzen

Christian Lindner ist am Ziel seiner Wünsche. Was ihm in den Jamaika -Verhandlungen noch verwehrt geblieben ist, ist nun Wirklichkeit geworden. Die FDP hat in den Koalitionsverhandlungen sehr viel ihrer Themen durchsetzt. Keine Aufweichung der Schuldenbremse, keine Steuerhöhungen, um nur einige Punkte zu nennen.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit Robert Habeck zu seinem Gegenspieler wird, wenn es um die harten Sachthemen geht. Dann ist es vorbei mit der nach außen zur Schau getragenen Männerfreundschaft.

Beide haben im Vorfeld registriert, dass ein gemeinsames Auftreten der beiden kleineren Parteien ihnen mehr Gewicht verleiht, zumal die SPD nicht allzu weit entfernt ist. Ein kurzfristiger Effekt, der jetzt schon aufgebraucht ist.

Annalena Baerbock (Bündnis 90/die Grünen): - Auswärtiges Amt–

Annalena Baerbock hat sich ins Außenministerium "gerettet". Der neue Fixstern von Bündnis 90/die Grünen hat erhebliche Kratzer abbekommen.

Alle in der Partei sind sich im Klaren darüber, dass sie ein besseres Wahlergebnis verhindert hat.

Annalena Baerbock hat ein nassforsches Auftreten. Sie ist gut darin, andere anzuzählen. Geht es in die andere Richtung, wirkt sie dünnhäutig. Die ihr zugeschriebene Fachkompetenz sehe ich nicht. Gerade in juristischen Fragen wirkt sie unsicher.

Nun hat sie mit ihrem Buch und ihrem Lebenslauf gezeigt, dass sie zwar Defizite in ihrer Biografie erkennt, aber nicht in der Lage ist, zu diesen zu stehen.

Wenn es um ihre künftige außenpolitische Ausrichtung geht, wird sich zeigen, welche geostrategische Rolle sie Deutschland zumisst. Ihre Haltung Russland und China gegenüber spricht jedenfalls nicht dafür, dass sie auf Entspannung und Abrüstung setzt.

Offensichtlich gibt es Kreise außerhalb ihrer Partei, die an ihr festhalten. Außenminister:innen sind im Regelfall populär.

Nancy Faeser (SPD): - Innenressort –

Eine echte Überraschung. Die hessische SPD-Chefin hat dort den Laden einigermaßen zusammengehalten. Ich denke ihre Nominierung ist taktisch begründet. Sie soll bei den nächsten Landtagswahlen in Hessen zur Ministerpräsidentin aufrücken und die CDU-Vormachtstellung brechen.

Hubertus Heil (SPD): - Arbeit und Soziales

Hubertus Heil gilt als geräuschlos und fantasiearm. Er setzt das um, was ihm angeschafft wird. Typisches Beispiel: In der Fleischindustrie gibt gibt es praktisch keine Werkverträge mehr. In anderen Branchen (z.B. in der Logistik) geht die Ausbeutung munter weiter. Wenn jetzt dann der Mindestlohn für 12 € kommt, wird es sich zeigen, wie so mancher Arbeitgeber diese Regelung umgehen wird.

Clara Geywitz (SPD): - Bauen und Wohnen

Es lohnt sich, an der Seite von Olaf Scholz gestanden zu haben, als es um den Parteivorsitz ging. Geteiltes Leid ist nun mal halbes Leid.

Kein anderes Thema beinhaltet mehr sozialen Sprengstoff wie das Wohnen. In Deutschland gibt es ca. 1 Mio. Wohnungslose, in einem der reichsten Länder Europas.

Derzeit fallen mehr Wohnungen aus der Sozialbindung, als neue entstehen. Der Bestand an Sozialwohnungen hat sich von ursprünglich 4 Mio. in 1989 auf 1 Mio. reduziert.

Jetzt soll ja Frau Geywitz für 400.000 Wohnungen pro Jahr sorgen, davon 100.000 sozial gefördert. Das Problem besteht ja darin, dass die Grundstücke in Ballungsgebieten viel zu teuer sind, also woher soll das Geld kommen? Gleichzeitig stehen 1,7 Mio. Wohnungen in Deutschland leer.

Jedenfalls beinhaltet der Koalitionsvertrag keine nachhaltigen Ansätze, um das Problem zu lösen.

Steffi Lemke (Bündnis 90/die Grünen): - Umwelt

Steffi Lemke kann bissig werden, das hat schön öfter bewiesen. Sie ist klug, aber auch etwas ideologisch verbohrt. Das Umweltministerium hatte noch nie einen hohen Stellenwert im Kabinett. Das wird nicht zwingend besser, auch wenn ein Grüner wie Robert Habeck für Klimaschutz verantwortlich ist. Ich denke eher, dass Frau Lemke gegen das Verkehrsministerium in Stellung gebracht werden soll, denn dort regiert die FDP.

Volker Wissing (FDP): - Verkehr

Volker Wissing ist ein „Effizienzkünstler“. Die CO(2) Einsparung soll vorrangig dort durchgeführt werden, wo sie am wenigsten kostet. Von einer prozentualen Sektoreinsparung hält er wenig. Der Weinbau ist sein Hobby, vielleicht sogar seine wahre Leidenschaft. Er folgt ja Andreas Scheuer nach. Nun schlimmer kann es nicht kommen. Ich bin ja schon gespannt auf die Duelle mit seiner Kabinettskollegin Steffi Lemke.

Christine Lambrecht (SPD): - Verteidigung

Christine Lamprecht ist eine Art Allzweckwaffe der SPD. Sie wurde nach oben gespült, weil Heiko Maas das Auswärtige Amt leiten durfte und es selbst da geschafft hat, eine schlechte Figur zu machen. Ich schätze Frau Lamprecht für resolut ein. Ob sie aber für das Verteidigungsressort die erforderliche Fachkompetenz mitbringt, wage ich zu bezweifeln. In diesem Ministerium gehört kräftig aufgeräumt. Viele reden von einem „Saustall“ und das ist noch untertrieben. Obwohl, wer weiß, vielleicht ist eine Juristin wie sie gerade die richtige.

Karl Lauterbach (SPD): - Gesundheit

The One and Only Karl Lauterbach, der Gesundheitsminister der Herzen, wenn man den Medien Glauben schenken darf. Nun hat der mediale Druck oder präziser gesagt der Druck von BIG Pharma doch gewirkt. Ob Lauterbach in eine Kabinettsdisziplin eingebunden werden kann, wird sich zeigen. Entscheidend für das weitere Regierungshandeln ist Karl Lauterbach ohnehin nicht, bis auf eine Ausnahme. Lauterbach wird den neoliberalen Kurs in der Gesundheitspolitik fortsetzen. Die Privatisierung im Gesundheitswesen - Stichwort: der ökonomisierte Patient - wird weiter voranschreiten. Lediglich bei der Bürgerversicherung wird Lauterbach versuchen, Pflöcke einzuschlagen. Es soll ja zu einer Einheitskrankenversicherung kommen, indem die privaten Krankenversicherer eingestampft werden. Dahinter steckt die Überlegung, an die milliardenschweren Altersrückstellungen der Privatversicherten heranzukommen. Es geht hier offensichtlich um Milliardenbeträge und die hat der Staat bitternötig. Nein, zu Steuererhöhungen wird es nicht kommen, sehr wohl aber zu Erhöhung der Sozialversicherungsbeträge. Die Dosis wird allerdings nur schrittweise verabreicht.

Lauterbach ist ja der Herr der Studien in Sachen Corona. Er liest sie alle und hat demzufolge einen taktischen Vorteil in deren Interpretation. Wenn er sich mal vertut, dann war es nicht er, sondern die Ergebnisse der Studie waren falsch.

Noch vor der Pandemie hat er gefordert, dass jede dritte eigentlich jede zweite Klinik geschlossen werden soll. Aber dem nicht genug. Durch das von ihm propagierte Fallpauschalensystem hat er den Pflegenotstand mitverursacht.

Manche nennen ihn den Prof. Seltsam. Nun er hat die Gabe, wenn er nicht weiter weiß, zu schwurbeln, etwa dahingehend, dass die Ergebnisse der Studie XY genau das aussagen, was er im Grunde genommen selbst nicht erklären kann. Am liebsten umgibt er sich mit den Modellierern (Prof. Brockmann, Prof. Priesemann und Prof. Meyer-Hermann). Das sind die neuen "Wahrsager" in Sachen Kontaktbeschränkungen und wie sie denn wirken. Das sind gewiss intelligente Personen. Das Problem besteht nur darin, dass ihre zugrunde gelegten Annahmen mit der Wirklichkeit oft nicht übereinstimmen. Unter einer evidenzbasierten Wissenschaft stelle ich mir jedenfalls etwas anderes vor.

Aber viele Bürger draußen sind schon froh, dass es jetzt ein "Gesundheitsexperte" Gesundheitsminister geworden ist und nicht ein Bankkaufmann.

noch eine Anmerkung zu der Impfung:

Die Kunst besteht darin, die Ungeimpften von der „Wirksamkeit“ der Impfung zu überzeugen, während man die Geimpften von der „Unwirksamkeit“ der Impfung überzeugen muss, damit sie zum Boostern gehen. Keine einfache Aufgabe! Aber mit Hilfe bezahlter Propagandisten wird wenigstens letzteres funktionieren.

Marco Buschmann (FDP): - Justiz und Verbraucherschutz

Marco Buschmann ist der strategische Kopf der FDP. Auf keinen anderen hört Christian Lindner so sehr wie auf ihn. Buschmann hält formal die Grundrechte hoch, knickt aber dann ein, wenn der Druck auf ihn zu stark wird, sehr gut zu beobachten in der Frage der allgemeinen Impfpflicht. Hier duckt sich Buschmann weg und will zunächst die Gruppenanträge abwarten, bevor er sich entscheidet. Das ist gelinde gesagt etwas feige, zumindest opportunistisch.

Anne Spiegel (Bündnis 90/die Grünen): - Familie, Senioren, Frauen, Jugend

Anne Spiegel ist ein typische Fachministerin, die in Rheinland – Pfalz in verschiedenen Ministerien Erfahrungen sammeln konnte. Man wird abwarten müssen, welche Gesetzesinitiativen sie auf den Weg bringen wird.

Bettina Stark-Watzinger (FDP): - Forschung und Wissenschaft

Die bisherige Ministerin Anna Karliczek galt als farblos, ideenlos und auch sonst nix los. Bildung für alle ist der neue Schlachtruf der FDP. Da ist es nur konsequent, wenn eine FDP-Ministerin diesen Job erledigt. Nun ist ja Bildung Ländersache und die künftige Bundesforschungsministerin muss jetzt ausloten, inwieweit der Bund hier eingreifen darf und soll. Wenn man allerdings die Bildung privatisiert, dann ergeben sich neue Spielräume für die FDP, die zwar Bildung für alle einfordert, gleichzeitig aber ihrem Klientel verpflichtet ist und dieses Klientel möchte keine Bildungsgerechtigkeit, sondern präferiert ein System, in dem ihre Zöglinge in einer globalen Welt die Nase weiterhin vorn haben werden.

Cem Özdemir (Bündnis 90/die Grünen): - Landwirtschaft

Dass nun ausgerechnet der Außenpolitiker Cem Özdemir Landwirtschaftsminister wird, erschließt sich mir nicht. Anton Hofreiter, Biologe seines Zeichens, musste weichen. Einmal mehr zeigt sich, dass es bei der Besetzung der Ministerien bei Bündnis 90/die Grünen nicht nach Fachkompetenz geht, sondern nach Machtproporz in der Partei.

Nun wird sich Anton Hofreiter aus der Parteispitze zurückziehen. Ich bin kein Fan von ihm, aber verdient hat er das nicht.

Svenja Schulze (SPD): - wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit –

Das frühere Entwicklungshilfeministerium wurde ja umgetauft, geändert hat sich nichts. Dabei wäre eine wirksame Strategie zur Eindämmung von Fluchtursachen dringend nötig. Solange aber Institutionen wie der europäische Entwicklungsfonds und die Weltbank primär dafür Sorge tragen, dass die Problemländer weiter ausbluten bzw. durch unfaire Handelsverträge in den Ruin getrieben werden, ist eine derartige Steigbügelhalterpolitik nicht nur scheinheilig sondern auch zynisch.

Das wäre in Stichworten das künftige Personaltableau einer künftigen Ampel-Koalition. Nein, die Union ist nicht mehr dabei. Sie übt sich künftig in der Opposition. Das war schon einmal der Fall und zwar vor gut 20 Jahren. Gebracht hat es nichts. Aber Geschichte kann sich, muss sich aber nicht wiederholen.

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