LVRG - Wer regiert Deutschland?

Lobbyismus Immer dann, wenn ein sportliches Großereignis wie z.B. die Fußball-WM stattfindet, droht dem Normalbürger vom Gesetzgeber Ungemach. So auch jetzt durch das LVRG.

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Fast unbemerkt von der öffentlichen Wahrnehmung wurde im Eilverfahren das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) durch die Gremien im Bundestag und Bundesrat regelrecht durchgepeitscht. Interessenverbände wie beispielsweise der Bund der Versicherten

https://www.bundderversicherten.de/Pressemitteilungen/Verfassungsrechtliche-Bedenken-gegen-Lebensversicherungsreformgesetz

laufen gegen das Gesetz Sturm. Aber auch der Normenkontrollrat geht von einem groben Verstoß gegen die Vorgaben der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien aus. Kritisiert wird vor allem die kurze Frist für eine fundierte Stellungnahme von weniger als 2 Werktagen. Das ganze Gesetzgebungsverfahren war insofern darauf ausgelegt, kritische Stimmen erst gar nicht zu Wort kommen lassen bzw. die Sachverständigen mit unzureichenden bzw. überholten Informationen zu versorgen, die im laufenden Gesetzgebungsverfahren bereits ad acta gelegt wurden.

Aber zur Sache selbst:

Hintergrund der Gesetzgebungsinitiative war das anhaltende Niedrigzinsniveau, das sich u.a. in dem Nominalzins deutscher Staatsanleihen widerspiegelt. Der Garantiezins von Lebensversicherungsanlagen von derzeit 1,75% sollte auf 1.25% abgesenkt werden, damit die Lebensversicherer ihre Verpflichtungen gegenüber den Versicherten langfristig erfüllen können. Die Absenkung des Rechnungszinses ist aber nur ein Ablenkungsmanöver, um zentrale Forderungen der Versicherungslobby - quasi durch die Hintertür - zu erfüllen.

Dazu muss man wissen, dass nur durchschnittlich ca. 65% des Lebensversicherungsbeitrags tatsächlich angelegt wird. Der Rest, also 35% geht somit für Kosten drauf. Wenn aber der Versicherungsnehmer nur 65% seines Beitrags verzinst bekommt, sinkt auch seine effektive Verzinsung. Dies führt zu der abstrusen Situation, dass selbst bei längeren Laufzeiten die Auszahlung der Garantiesumme bei Ablauf nur geringfügig die eingezahlten Beiträge übersteigt. Rechnet man die Inflation heraus, macht der Versicherungsnehmer sogar ein Minusgeschäft. Aber auch die Versicherungsbranche muss fürchten, ihre enorme Kostenbelastung durch ausufernde Vertriebs- und Verwaltungskosten nicht mehr bedienen zu können, ganz zu schweigen von diversen Aufenthalten in Etablissements, in denen die Damen verschiedene Farben von Armbändchen tragen, damit auch hier das Hierarchiegefüge nicht durcheinander kommt.

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/versicherungen/lustreise-skandale-ergo-legt-weitere-verfehlungen-im-internet-offen/7199724.html

Nun argumentiert die Versicherungsbranche immer gern mit der Überschussbeteiligung, die ja alles zum Guten wendet. Der ohnehin schon sehr niedrige Rechnungszins soll also aufgepeppt werden. Auf den Garantiezins wird sozusagen „etwas“ draufgepackt, das im Versicherungsdeutsch „RfB“ genannt wird. RfB heißt ausgeschrieben „Rückstellung für Beitragsrückerstattung“. Diese RfB ist der zentrale Bestandteil für die Bereitstellung verfassungsrechtlich vorgeschriebener, finanzieller Zuweisungen an die Versicherungsnehmer aus dem Gewinntopf der Versicherer. Anders ausgedrückt, dieser Gewinntopf gehört dem Versicherungsnehmer, schließlich speist er sich aus den vom ihm geleisteten Beiträgen.

In dem LVRG sind nun umfangreiche und hoch komplexe Regelungen eingebaut worden, die im Prinzip nur ein Ziel verfolgen.

Wie kann der Versicherungsnehmer zu Gunsten der Versicherer und seiner Aktionäre enteignet werden?

Dies geschieht mittels einer Strategie, die darauf setzt, die Sicherungsreserve bei den Versicherern mittels einer Zinszusatzreserve bzw. der Installation einer kollektiven RfB zu erhöhen, die Bewertungsreserven zugunsten der Versicherungsnehmer zu kürzen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass Gewinnabführungen an die Aktionäre über eine entsprechende Konzernstruktur weiter ermöglicht werden. Damit wird die Regelung umgangen, dass Dividendenausschüttungen an die Aktionäre bis zur Höhe des Sicherungsbedarfs unzulässig sind.

Durch diese Maßnahmen wird aber nur erreicht, dass Finanzmittel, die eindeutig dem Versicherungsnehmer gehören, diesem entzogen werden, um sie letztendlich der freien Verfügung des Managements der Versicherer zu überlassen.

Fazit

Das LVRG legt den Verdacht nahe, dass der GDV bzw. der Marktführer Allianz zentrale Passagen des Gesetzes mit formuliert hat. Durch die – wie oben bereits ausgeführt – kurze Reaktionsfrist bzw. die ultraschnelle Verabschiedung des Gesetzes durch die Gesetzgebungsorgane wurden kritische Stimmen bereits im Vorfeld ausgeschaltet.

Der Deal zwischen der Politik und den deutschen Lebensversicherungen lautet sehr einfach. Die Lebensversicherer kaufen die deutschen Staatsanleihen zu Minimalrenditen und im Gegenzug sorgt der Gesetzgeber für den erforderlichen Handlungsspielraum in den Konzernzentralen. Dass der Versicherungsnehmer dabei auf der Strecke bleibt, spielt keine Rolle.

Der Bund der Versicherten hat nun den Bundespräsidenten Gauck in einem offenen Brief dazu aufgefordert, das LVRG zu stoppen. Ich will nicht unken, aber hier sehe ich schwarz – oder doch vielleicht rot.


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