Merkel und das Parlament

Realsatire Im Bundeskanzleramt herrscht wieder einmal Krisenstimmung. Bei der Abstimmung zu dem Griechenlandhilfspaket wurde erneut die Kanzlermehrheit verfehlt.

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Kanzlerin Merkel trifft sich mit ihren engsten Vertrauten Kauder und Pofalla im Bundeskanzleramt, um geeignete Maßnahmen zu evaluieren, die Abweichler in der eigenen Partei zur Raison zu bringen.

Merkel: Meine Herren, bei der letzten Abstimmung zu dem Griechenlandhilfspaket, war ich jetzt zum wiederholten Male auf die Stimmen der Opposition angewiesen. Ich empfinde diesen Zustand beschämend und unerträglich.

Kauder: Auf die SPD und die Grünen kann man sich eben verlassen, Frau Bundeskanzlerin. Wir haben die Abstimmung in den eigenen Reihen ja freigegeben, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass wir da irgendwie Druck ausüben.

Pofalla: Das sind doch immer die gleichen Nein-Sager wie Bosbach und Konsorten. Zum Glück erledigt sich das Problem mit Bosbach bald von selbst.

Kauder: Also die Aussage über Bosbach empfinde ich jetzt als etwas geschmacklos von Dir, lieber Ronald, schließlich sind wir eine christlich orientierte Partei. Wir haben zwar schon einen geeigneten Nachrücker für Bosbach nominiert, aber etwas Geduld müssen wir da schon haben. In dieser Legislaturperiode wird das wohl nichts mehr werden.

Merkel: Bosbach hin oder her, wir haben es mit einer systemischen Krise innerhalb unserer parlamentarischen Demokratie zu tun. Immer mehr Abgeordnete begehren auf. Das kann schnell zu einer Epidemie ausarten.

Pofalla: Ja, was soll ich denn machen, liebe Angela. Ich bekomme die Gesetzentwürfe auch viel zu spät. Und dann sind die alle noch auf Englisch. Ich habe dem Asmussen von der EZB schon mehrfach erklärt, er soll das lassen.

Merkel: Und was hat er geantwortet?

Pofalla: Dass Englisch nun mal die international gängige Sprache ist und die mit den Gesetzentwürfen beauftragten Anwälte allesamt aus dem angelsächsischen Raum kommen.

Kauder: Ja sind denn alle hier von der Muffe gepufft. Ich habe gedacht, in Europa wird wieder Deutsch gesprochen. Und nun das.

Merkel: Es ist doch völlig unerheblich, meine Herren, ob die Abgeordneten die Sprache oder nur den Inhalt oder beides nicht verstehen. Tatsache ist, dass wir die Griechen um jeden Preis retten müssen, weil sonst die Kapitalmärkte auch uns das Vertrauen entziehen.

Pofalla: Wie immer hast Du Recht, liebe Angela. Deutschland zahlt faktisch kaum mehr Zinsen für ihre ausgereichten Staatsanleihen. Es gibt sogar Fälle, da zahlt der Investor Zinsen dafür, dass er von uns Anleihen kaufen darf.

Kauder: Das ist schon kurios. Und schließlich dürfen wir unsere Freunde von den Hedgefonds nicht zu sehr verärgern. Die können dann ruhig mit den Staatspapieren von Griechenland, Portugal, Spanien und bald auch Italien etwas spekulieren und sich dort die Gewinne einfahren. Deutschland gilt schließlich als „save harbour“.

Merkel: Wenn schon Englisch, dann „safe haven“, mein lieber Volker. Apropos, sicherer Hafen, dass ich nicht lache. Der Bundestag ist ein Haifischbecken. Ich leite die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung, bin die mächtigste Frau der Welt, bin beliebt wie noch nie, habe den Kanzlerkandidaten der SPD voll im Griff und leiste mir keine Eskapaden. Aber was nützt das alles? Ich kann mich nicht einmal mehr auf meine eigenen Leute verlassen, von der FDP mal ganz zu schweigen. Diese Leute haben ein Problem damit, wie eine repräsentative Demokratie zu funktionieren hat. Das kann ich und will ich nicht länger hinnehmen.

Pofalla: Wir müssen unseren Leuten einfach mehr Zeit lassen, über das nachzudenken, was sie mit mehr Zeit auch nicht verstehen. Aber, das ist heute sehr wichtig. Es gibt ihnen ein gutes Gefühl.

Kauder: Was soll das denn, Ronald. Wir können doch nicht zulassen, dass die Abgeordneten erkennen, dass sie sich den Ast selbst absägen, auf dem sie sitzen.

Merkel: Nun mal langsam, lieber Volker. Der Ast, auf dem Du sitzt, ist morscher als Du denkst. Ich steuere zwar auf Sicht, aber ich weiß immer noch, welches Ziel ich verfolge.

Pofalla: Welches denn, Angela?

Merkel: Es zeigt sich doch immer wieder, dass das Parlament unsere Fähigkeit effizient und zum Wohle aller zu regieren massiv einschränkt, ja sogar behindert. Ständig wird mir vorgeworfen, ich würde zu lange zögern und wichtige Entscheidungen vor mir herschieben und sogar zum Schaden Deutschlands verschleppen.

Kauder: Ja dann beschließen wir eben ein Gesetz zur Beschleunigung von Gesetzesvorhaben im Hinblick auf die Konsolidierung der europäischen Staatsfinanzen, kurz BeGeVoKeF genannt.

Pofalla: Klingt irgendwie vernünftig.

Merkel: Dann lass uns das machen, mein lieber Volker. Ab jetzt wird durchregiert. Und die Redezeit der Abgeordneten wird auch beschränkt und wenn das nicht geht, wird wenigstens das Mikrophon abgeschaltet.

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