Nachtschicht im Hotel - ein Erfahrungsbericht

Lohndumping Die Beschäftigung von Nachtschichtmitarbeitern im Hotel auf Leiharbeiterbasis ist ein Paradebeispiel dafür, wie heute in der Berufswelt Menschen ausgebeutet werden.

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Die Hotelbranche - ein Haifischbecken

Auf der Suche nach einer Teilzeitbeschäftigung wurde ich in dem Online-Portal „meine Stadt“ fündig. Dort wurde von einem namhaften Hoteldienstleister ein Empfangsmitarbeiter für den Nachschichtbetrieb gesucht. Ich nenne jetzt aus rechtlichen Erwägungen bewusst das Unternehmen nicht. Es ist aber im süddeutschen Raum angesiedelt und hat sich u.a. auf Hoteldienstleistungen im Nachtschichtbetrieb spezialisiert. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Die Hotelbranche sucht dringend im 3-5 Sterne Bereich Empfangsmitarbeiter, die bereit sind, im Nachtschichtbetrieb zu arbeiten. Sie findet aber insbesondere im 3 oder 4 Sternebereich kaum eigenes Personal, weil der Nachschichtbetrieb nicht jedermanns Sache ist und die Bezahlung in Relation zum Anforderungsprofil sehr niedrig ausfällt. Deshalb beauftragt das jeweilige Hotelmanagement darauf spezialisierte Unternehmen, die das erforderliche Personal hierfür bereit stellen. Ein weiterer Grund für das Outsourcing dieser Dienstleistung liegt darin, dass das Hotelmanagement aus den Reihen der eigenen Mitarbeiter nur einen Zwei-Schichtbetrieb sicherstellen muss. Krankheitsbedingte Ausfälle, Urlaub, rascher Ersatz bei Kündigungen muss das Hotelmanagement nicht personell abfangen, da der Nachschichtbetrieb von dem externen Dienstleister gewährleistet werden muss. In einem Vertrag zwischen dem Hotelmanagement und dem externen Dienstleister werden die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterüberlassung festgelegt. In diesem Vertrag ist auch der Grund zu sehen, warum Mitarbeiter eines externen Dienstleisters nicht die gleichen Arbeitsbedingungen und vor allem nicht die gleiche Bezahlung erhalten können, als Arbeitnehmer, die direkt im Hotel beschäftigt sind. Schließlich will das Dienstleistungsunternehmen an jedem überlassenen Arbeitnehmer verdienen und das Hotel will an dem Dienstleister nicht mehr bezahlen, als es für einen eigenen Mitarbeiter ausgeben müsste.

Zur Sache

Aber zurück zu meinem Erfahrungsbericht. Nachdem ich mich entschieden hatte, dieser Arbeitsstelle näher zu treten, rief ich beim besagten Arbeitgeber an und erkundigte mich nach dem Anforderungsprofil der angebotenen Stelle und ob es in meinem Alter (über 60 Jahre) überhaupt noch Sinn macht, mich zu bewerben. Der zuständige Personalsachbearbeiter bejahte dies grundsätzlich und forderte mich auf, ihm meine Bewerbungsunterlagen per e-mail zukommen zu lassen. Am nächsten Tag schon wurde ich zurückgerufen und nach einem kurzen Sondierungsgespräch war klar, dass ich für die Stelle in Frage komme.

Um meine Eignung für diese Stelle festzustellen, musste ich zunächst eine Schnuppernacht absolvieren, ohne Bezahlung versteht sich. In dem Zusammenhang wurde mir ein Hotel in München zugewiesen, in dem ich mich in korrekter Kleidung (dunkler Anzug mit Krawatte) bei dem Mitarbeiter XY des besagten Dienstleisters um spätestens 23:00 Uhr einzufinden hatte. Die Nachtschicht dauert im Regelfall 8 Stunden (kann auch länger sein) und endet um 7:00 Uhr morgens.

Zunächst dachte ich, das wird eine lange Nacht, es gibt nicht viel zu tun und ich bin überwiegend damit beschäftigt, gegen mein Schlafbedürfnis anzukämpfen. Der Mitarbeiter XY, der die Nachtschicht im Normalfall allein zu absolvieren hat, war ein freundlicher und kompetenter Herr in meinem Alter, der den Job schon über 3 Jahre machte. Ein alter, erfahrener Hase also, der wusste, wo es langgeht. Ich, der Frischling, sollte in erster Linie herausfinden, ob ich den Job überhaupt machen will. Natürlich sollte mich der Stammmitarbeiter anschließend beurteilen, ob ich denn auch geeignet bin. Nachdem ich diese Schnuppernacht hinter mich gebracht hatte und auch weiter machen wollte, sollte ich noch ein Einarbeitungspraktikum absolvieren, das zwischen2 und 4 Tage dauern sollte. Schließlich war ich ja berufsfremd und insofern in der Hotelerie ein „Analphabet“. Ich absolvierte also nochmals 2 Nachtschichten in zwei anderen Hotels in München mit einem anderen Mitarbeiter, wiederum ohne Bezahlung. In einer Nachschicht war es besonders heftig. Hier kam zu den normalen Tätigkeiten noch ein 24 Stunden Bardienst (also auch nachts) hinzu, nicht zu vergessen die Vorbereitung des Frühstücksbuffets. Dabei war es erforderlich, die Hotelbar vorher zu reinigen und umzubauen, damit die Frühstücksutensilien für die Gäste bereit gestellt werden konnten.

Wer nun glaubt, eine solche Nachtschicht stellt keine großen Anforderungen an den Mitarbeiter, der täuscht sich gewaltig. In jedem Hotel dieser Kategorie existiert eine Job Description (Checkliste) für den Nachtdienst, in der in ca. 50 Einzelpunkten mit diversen Unterpunkten (40 weitere Punkte) festgehalten ist, was der Night-Auditor zu tun hat. Das ist kein Pappenstil. Neben dem perfekten Umgang mit der englischsprachigen Hotelsoftware (im Regelfall Opera), müssen auch der Check-In, Check-Out mit den Gästen sowie diverse Rundgänge bzw. Zimmerdienstleistungen beherrscht werden. Gerade der Umgang mit der Hotelsoftware, zu der keine Beschreibung existiert, ist komplex. Es müssen über 20 verschiedene Listen gedruckt werden, die nur generiert werden können, wenn vorher keine Fehler gemacht wurden. Nicht zu vergessen der Umgang mit diversen Kassensystemen im Einklang mit der Hotelsoftware incl. der Abrechnung des Restaurant- und Barbetriebs, die Beherrschung der englischen Sprache bzw. das „Feintuning“ mit den Hotelgästen. Das alles wäre ja im Laufe der Zeit zu bewältigen, wenn da nicht die Bezahlung wäre. € 8,50 die Stunde, also der gesetzliche Mindestlohn, wird als Grundvergütung bezahlt. Hinzu kommt ein Nachtzuschlag von 25% auf den Grundlohn, gerechnet von 23:00 Uhr abends bis 6:00 Uhr morgens. Darüber hinaus ist man ein Tagelöhner. Hat man frei, wird nichts bezahlt. Es gibt allerdings einen Urlaubanspruch bzw. Urlaubgeld. Die Nachtzuschläge werden jedoch nicht berücksichtigt. Ein Vollzeitjob besteht aus 20-22 Nachtdiensten im Monat (manchmal auch mehr). Der Restdes Monats wird für die dringend gebotene Regeneration benötigt. Die Personen im Nachtdienst sehen um Jahre älter aus, als sie wirklich sind. Die Nachschicht zehrt den Körper aus und verkürzt die Lebenserwartung drastisch.

Nach insgesamt 3 absolvierten Nachtschichten ohne Bezahlung hörte ich zunächst einen Tag gar nichts. Am Tag darauf bekam ich um die Mittagszeit eine Absage per e-mail ohne jegliche Begründung. Auch ein Telefonat mit dem Personalsachbearbeiter brachte keine Erkenntnisse. Zunächst einmal war ich richtig sauer, weil ich mir die Absage nicht erklären konnte, schließlich hatte ich meinen Job ordentlich erledigt. Was letztendlich den Ausschlag gegeben hat, kann ich nicht sagen. Vielleicht waren es auch meine Fragen, ob es denn eine tarifliche Regelung gibt oder warum zwischen 0:00 Uhr und 04:00 Uhr kein Nachtzuschlag von 40% gezahlt wird, was durchaus lohnsteuer- und sozialabgabenfrei möglich wäre. Befremdlich war auch, dass beide Mitarbeiter, die mich in den 3 Nächten eingewiesen haben, das Unternehmen definitiv verlassen werden. Warum, so frage ich mich, werde ich von Mitarbeiter eigearbeitet, die bereits die Kündigung ausgesprochen haben? Im Nachhinein bin ich aber ganz froh, diese Stelle nicht bekommen zu haben, weil der Aufwand in keinem Verhältnis zur Bezahlung steht und zudem erhebliche Gesundheitsrisiken bestehen.

Fazit

Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Bezahlung im Hotelgewerbe schlecht ist. Was sich aber im Bereich der Leiharbeiter abspielt, spottet jeder Beschreibung. Diese Menschen haben keine öffentliche bzw. mediale Unterstützung und es wird höchste Zeit, dass die FC eine Lanze für die Menschen bricht.

Der gesetzliche Mindestlohn ist ein Hohn für alle Arbeitnehmer. In einer Stadt wie München reicht er nicht für das Allernotwendigste. Die Mieten steigen ins Astromische und die Löhne bleiben zurück. Dabei boomt die Hotelbranche in Großstädten geradezu. Seit 2 Jahren sind die Hotels in München ab Ostern nahezu ausgebucht, selbst im Ferienmonat August und das Oktoberfest steht noch vor der Tür.

Man fragt sich schon, wer sich hier die Taschen voll macht und das auf Kosten der vielen Arbeitnehmer, die hart dafür arbeiten müssen.

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