Wahl an der Saar

Landtagswahl Die Landtagswahlen im Saarland sind vorbei. Der Wahlsieger heißt CDU. Eine Nachlese.

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Annegret Kramp-Karrenbauer feiert den CDU-Wahlsieg im Saarland
Annegret Kramp-Karrenbauer feiert den CDU-Wahlsieg im Saarland

Bild: Thomas Lohnes/Getty Images

Ausgangslage

Die CDU hat mit 40,7% die Landtagswahl im Saarland gewonnen und damit die mitregierende SPD mit gut 11% Abstand hinter sich gelassen. Der Trend, dass sich bei Landtagswahlen der Amtsinhaber, in dem Fall Frau Kramp-Karrenbauer klar durchgesetzt hat, hat sich bestätigt – sowohl, was die letzten Landtagswahlen in den alten Bundesländern als auch in den neuen Bundesländern betrifft. Der gemäßigte Teil der Wahlbürger entscheidet sich also für Personen, denen er als Person vertraut. Die Parteizughörigkeit spielte eine untergeordnete bis keine Rolle. Das untermauert meine These, dass es auf die Parteizugehörigkeit nicht mehr ankommt. sondern sich eine massive Polarisierung im Wahlverhalten manifestiert hat, die sogar mit einer gestiegenen Wahlbeteiligung einhergeht.

Gleichwohl sollte man die Saarlandwahl nicht überbewerten. In einer Landtagswahl spielen bundespolitische Erwägungen eine untergeordnete Rolle.

Für die SPD ist dieses Ergebnis ernüchternd, hat sie doch auf den Schulz-Effekt gesetzt. Jetzt erreicht sie mit der Linkspartei zusammen gerade mal die Anzahl der Landtagsmandate der CDU. Bündnis 90/die Grünen und die FDP scheitern an der 5%-Hürde. Die AfD erreicht aus dem Stand über 6% und das obwohl der Bundesvorstand der AfD ein Ausschlussverfahren gegen den Landesverband im Saarland eingeleitet hat und einzelne Mitglieder der dortigen AfD eine gefährliche Nähe zu der rechtradikalen Szene pflegen.

Fangen wir mit der CDU an, die mit der Ministerpräsidentin Kramp Karrenbauer eine Person hat, die relativ unaufgeregt und sachbetont Politik macht. Das kommt offensichtlich gut an bei der saarländischen Bevölkerung, sonst hätte die CDU nicht gut 5% zugelegt.

Die SPD war in der dortigen großen Koalition in der Mitverantwortung. Es ist offensichtlich, dass der Juniorpartner in einer Koalitionsregierung nicht profitieren kann. Insofern gilt der Leitsatz „Der Knochen in einer Koalition wird von der stärksten Partei abgenagt, so dass am Ende für den Juniorpartner nichts mehr übrig bleibt." Inwieweit die Avancen der SPD in Richtung der Linkspartei ihr geschadet haben, sei dahingestellt. Geholfen haben sie der SPD jedenfalls nicht. Dabei ist es müßig, darüber zu spekulieren, wie die Wahl ausgegangen wäre, wenn Schulz nicht Kanzlerkandidat der SPD geworden wäre.

Die Linkspartei ist nochmal um gut 3% abgerutscht, erzielt dennoch das beste Ergebnis einer Landtagswahl in den alten Bundesländern. Lafontaine wirkt noch nach – wie lange noch?

Bündnis 90/die Grünen hatten es ja schon immer schwer im Saarland. Der Bundestrend und die Kandidaten Özdemir und Göring-Eckardt haben den doch jungen Wahlkämpfern vor Ort alles andere als geholfen, die 5%-Hürde zu überspringen. Zweifellos haben kleine Parteien immer dann Probleme, wenn sich die Großen um die Macht streiten. Das allein erklärt jedoch nicht das schlechte Abschneiden. Hier wurde auch massive Fehler bei der Themensetzung gemacht.

Wenn die AfD im Saarland mit solchen Kandidaten immer noch in der Lage ist, über 5% zu kommen, dann kann es nur daran liegen, dass es eine Wählerschaft gibt, die sich durch Argumentation nicht überzeugen lässt, das demokratische Spektrum zu wählen. Hier haben wir es also mit dem harten Kern zu tun, der mehrheitlich der rechtsradikalen bzw. rechtsextremen Szene zuzuordnen ist.

Wie geht es weiter?

Zunächst einmal folgen zwei Landtagswahlen und zwar in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. In beiden Ländern stellt die SPD die Ministerpräsidentin bzw. den Ministerpräsidenten. Die Karten werden also neu gemischt. Die Union geht mit Rückenwind in die nächsten Wahlauseinandersetzungen. Die SPD hat rein motivational betrachtet einen Dämpfer erhalten. Wahlprognosen sind nun mal keine Wahlergebnissse.

Die Wahl in NRW wird für die SPD zum Lackmustest. Gewinnt dort die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Laschet, dann wird es für die SPD enorm schwer, sich in der Bundestagswahl vor der Union zu platzieren und damit den Kanzler zu stellen.

Schon jetzt ist klar, dass es für die „kleinen“ Parteien sehr schwer werden wird, sich zu behaupten. Das gilt insbesondere für Bündnis 90/die Grünen, die FDP, aber auch für die Linkspartei und letzten Endes für die AfD. Die Polarisierung zwischen den Volksparteien CDU/CSU und SPD wird dazu führen, dass Ränder - ob nun gemäßigt oder radikal – geschwächt werden. Der Wähler tendiert mehr denn je in die Mitte, weil er jetzt vermeintlich oder tatsächlich eine Alternative zur Verfügung hat. Schulz hat also mit seiner Kandidatur maßgeblich dazu beigetragen, dass die Wahlen zwangsläufig in der Mitte entschieden werden. Dabei wird die Wahlbeteiligung tendenziell nach oben gehen, obwohl sie bei den Bundestagswahlen schon immer hoch war.

Wer verfolgt welche Strategie?

Nachdem es zu einem Elefantenrennen zwischen der CDU/CSU und der SPD kommen wird, werden sich beide Parteien wie folgt positionieren:

Die SPD setzt voll und ganz auf ihren Kandidaten Schulz, der seine Partei hinter sich weiß und das zu 100%. Sollte die Landtagswahl in NRW allerdings mit einer Wahlniederlage für die SPD enden, dann wird sein Stern nicht nur verglühen, sondern regelrecht implodieren.

Schulz setzt ja seinen Schwerpunkt auf das Thema soziale Gerechtigkeit. Damit konnte er bei seiner Partei zunächst punkten, weil die Sehnsucht seiner Partei nach einem Kandidaten, der auch Kanzler kann, so groß war, dass seine Aussagen hierzu nicht so sehr inhaltlich begutachtet wurden, sondern primär vor dem Hintergrund, dass er ein echter Herausforderer zur Bundeskanzlerin sein kann und die jahrelange Diaspora einer dahinsiechenden SPD damit beenden könne.

Wenn man Schulz neben der emotionalen Ebene, die er ja sehr gut beherrscht, inhaltlich analysiert, dann fällt auf, dass er hier nicht viel Substanzielles auf den Tisch legt. Eine kleine Korrektur beim ALG I, die höhere Besteuerung von Boni-Zahlungen, die Streichung der sachgrundlosen Befristung von Zeitarbeitsverträgen sowie die Bekämpfung der Steuerflucht. Mehr ist da nicht. Ist das eine Abkehr von der Agenda 2010? Wohl eher nicht und da beginnt das Problem von Schulz. Er richtet sich ja auf die, wie er sagt „hart arbeitende Bevölkerung“ aus. Diese Gruppe ist der zentrale Fokus seiner inhaltlichen und emotional besetzten Aussagen. Wenn er aber zu sehr die Hartz IV-Empfänger in seinen Blick nimmt und diese von den Zumutungen des ALG II befreien will, läuft er automatisch Gefahr, es sich mit der hart arbeitenden Bevölkerung zu verscherzen, und es droht die Gefahr, in dieser Zielgruppe mehr Wählerstimmen zu verlieren, als er auf der anderen Seite gewinnen würde. Dieser Personenkreis hat ja einen Job, wenngleich nicht immer einen gut bezahlten. Und dieser Personenkreis hat mehrheitlich kein Verständnis dafür, wenn die Harz IV Sanktionen gelockert werden. Die Spaltung unserer Gesellschaft hat sich auch innerhalb der Arbeitnehmerschaft manifestiert. Das sehen wir allein schon daran, wie die Bevölkerung auf Streiks reagiert, wenn sie den Eindruck hat, dass die Forderungen der Streikenden als unangemessen betrachtet werden bzw. die Streiks zu lange andauern.

Deshalb kann Schulz, selbst wenn er wollte, nicht zu konkret werden. Dies deckt sich auch mit den Aussagen der Schulzbewunderin und Generalsekretärin Barley, die erst kürzlich in der Berliner Runde gesagt hat, Merkel regiere bereits 12 Jahre, ohne jemals vor der Wahl zu sagen, was sie nach der Wahl zu tun gedenkt. Einmal hat sie das gemacht und zwar bei der PKW-Maut und prompt hat sie ihr Wort nicht gehalten.

Geradezu lächerlich oder soll ich sagen scheinheilig wirken hier die Versuche der Linkspartei, Schulz dazu zu bewegen, noch in der jetzigen Legislaturperiode Korrekturen in der Sozial- und Arbeitspolitik notfalls mit den Stimmen der Linkspartei und den Grünen gegen den Koalitionspartner CDU/CSU durchzusetzen. Auf so einen Affront hätte die Union nur gewartet, um dann über die Neuwahlen einen grandiosen Wahlsieg einzufahren, weil die SPD dann als Koalitionsbrecher und unsicherer Kantonist dastehen würde.

Bei der CDU ist die Strategie eine ziemlich einfache. Sie setzt auf ein „Weiter so“ gepaart mit einem inhaltsleeren Zukunftsgedöns und den Fokus auf Familien mit Kindern, denen sie mit kleinen Steuergeschenken entgegen kommen will.

„Deutschland geht es gut“, so die Kernbotschaft von Merkel. Niedrige Arbeitslosigkeit, zumindest statistisch betrachtet, eine Rekordzahl an sozialversicherungspflichten Beschäftigten, eine schwarze Null, eine brummende Wirtschaft. Die Union verweist also auf eine Erfolgsbilanz, die in Europa und auf der Welt einmalig ist und kann doch überhaupt nicht verstehen, wie ihr Koalitionspartner – die SPD – diese Erfolge klein reden will.

In der Tat, einem Drittel der Bevölkerung geht es gut bis sehr gut. Einem Drittel der Bevölkerung geht es schlecht bis sehr schlecht und ein weiteres Drittel geht es noch solange relativ gut, solange dieser Personenkreis eine Arbeit hat. Dieses Drittel ist auch von Abstiegsängsten geplagt, weil der Verlust eines Arbeitsplatzes automatisch die Rutsche in das untere Drittel in Gang setzt. Nicht zu vergessen, die Alleinerziehenden, die Kinderarmut und die bevorstehende Altersarmut.

Dieses Drittel ist wahltaktisch betrachtet volatil und um dieses Drittel streiten sich die Union und die SPD. Dieses Drittel steht repräsentativ für die Mitte der Gesellschaft. Wohin fährt der Zug der Digitalisierung? Was passiert, wenn Europa auseinanderbricht und die so hochgelobte Exportwirtschaft einbricht, an denen ca. 50% der Arbeitsplätze hängen. Welche Richtung schlägt die USA ein und hat dies Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in Deutschland?

Merkel, der Fels in der Brandung, so lautet die Botschaft an all diejenigen, die verunsichert sind und die keine Veränderung wollen, weil es ihnen doch so gut geht.

Wäre da noch das Schreckgespenst R2G. Ja wollen wir denn tatsächlich eine Wirtschaftsministerin Wagenknecht und eine Außenministerin Göring-Eckardt?

Aber auch die Union ist keineswegs problemfrei. Sie ist innerlich zerstritten, CDU und CSU sind sich in inniger Feindschaft verbunden, aneinander gekettet, wie zwei siamesische Zwillinge, ohne Aussicht auf eine „chirurgische“ Trennung. Der Union gehen die Koalitionspartner aus, weil auch die SPD erkannt hat, dass eine weitere Juniorpartnerschaft der Einstieg in die Bedeutungslosigkeit bedeuten würde. Wenn also die Union selbstredend davon ausgeht, stärkste politische Kraft zu werden und es für Schwarz/Grün evtl. mit der FDP nicht reicht, dann blieben nur Neuwahlen, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die SPD eine nochmalige Juniorpartnerschaft eingehen wird.

Das alles interessiert den Wähler nur marginal. Für ihn stellt sich die Frage, ob es bleiben soll wie es ist mit all den damit verbundenen Risiken oder ob Bundeskanzlerin Merkel abgewirtschaftet hat. 12 Jahre sind ja schließlich genug.

Für die SPD stellt sich wiederum die Frage, inwieweit das Kokettieren mit der Linkspartei nicht einen höheren Mobilisierungsrad im Unionslager auslöst, so wie es im Saarland der Fall war. Dort wollte ein Großteil der Wählerschaft keine Rot/Rote Regierung. Ist somit eine Aussage in Richtung einer großen Koalition unter Führung der SPD erfolgversprechender?

Egal, wie es ausgeht. Ich fürchte, der neoliberale Kurs wird beibehalten, weil die Fliehkräfte, die ihn beenden könnten nicht stark genug sind.

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