Blockadeverdruss nach 3 Runden

Arbeitskampf Auch nach der vorletzten Verhandlungsrunde im Tarifstreit der studentischen Hilfskräfte mit Berlins Hochschulen gibt es keine Einigung. Der Ausgang bleibt unsicher.

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Berlin.

Im Jahr 2001 wurde der Stundenlohn für studentische Beschäftigte vom Tarifvertrag des öffentlichen Diensts der Länder abgekoppelt. Er liegt seitdem fest bei 10,98 Euro. Der Versuch, einen höheren Lohn für studentische Hilfskräfte durchzusetzen, scheiterte zuletzt 2011. Unterstützt von den Gewerkschaften ver.di und GEW startete ein Zusammenschluss von studentisch Beschäftigten und Studierendenvertretungen in Berlin Ende 2016 in neue Verhandlungen mit den Berliner Hochschulen. Allerdings konnte auch nach der dritten von insgesamt vier Verhandlungsrunden keine Einigung erzielt werden. Auf die Forderung von Arbeitnehmendenseite nach einem 14 Euro-Stundenlohn hatten die Arbeitgebenden mit einem Angebot von 11,42 Euro pro Stunde geantwortet. Außerdem waren die Hochschulen auf die Forderung nach einer Wiederanbindung an den Tarifvertrag der Länder (TV-L) eingegangen, was im Idealfall Anpassungen an steigende Verbraucherpreise bedeutet. Das Angebot wurde dennoch als unzureichend abgelehnt. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 20. Juni angesetzt.

Steigende Preise – gleiche Löhne

Die Forderung nach einem deutlich höheren Lohn für die ca. 8.000 studentischen Hilfskräfte wird mit eben jenen Preissteigerungen begründet, die seit 2001 stattgefunden hätten, an die der Lohn aber nie angepasst worden sei. Matthias Neis, Gewerkschaftssekretär von ver.di spricht von einem Kaufkraftverlust zwischen 20 und 30%, den studentisch Beschäftigte so in den letzten 15 Jahren erlitten hätten. Das Statistische Bundesamt gibt für den fraglichen Zeitraum eine Steigerung des Verbraucherpreisindex um 22,9% an. Ein - an Verbraucherpreisen gemessen – stabiler Lohn wäre ebenfalls um etwa 23% gestiegen und läge heute so bei 13,49 Euro. Neben gestiegenen Kosten für „Semesterticket, Lebensmittel und vor allem Wohnraum“ wird mit Einbußen durch die Streichung des Weihnachtsgelds 2004 argumentiert.

Stille Hochschulen

Von Seiten der Berliner Hochschulen ist zum beschriebenen Konflikt kaum etwas zu hören. Weder in den Internetauftritten der Hochschulen, noch beim Verband kommunaler Arbeitgeber (KAV) Berlin wird über den Konflikt informiert. Es gibt keine Pressemitteilungen, keine Stellungnahmen – auch auf Nachfrage äußert sich die Pressestelle nicht. Aus Protokollen der Akademischen Selbstverwaltung der Humboldt-Universität geht aber hervor, dass ein grundlegender Wille zu Veränderungen besteht: Im Januar 2016 erhielt das Präsidium der HU den Auftrag, sich für die Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen einzusetzen, da der Akademische Senat die „Notwendigkeit [sehe,] neue tarifvertragliche Regelungen zu schaffen, die eine Verbesserung der Lage der studentischen Beschäftigten erwirken.“ Auch die studentische Tarifinitiative spricht von einer grundlegenden Gesprächsbereitschaft auf Seiten der Hochschulen zu Beginn der Gespräche.

Berlin hat als einziges Bundesland einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte. Nachdem der Senat den ersten Tarifvertrag 1968 gekündigt und die Löhne für studentische Hilfskräfte um 30% gekürzt hatte, kam es zu einem zweiwöchigen Streit. Folge dieses Streiks war der heutige Tarifvertrag.

Und jetzt?

In den nächsten Wochen wollen sich die studentischen Beschäftigten auf die letzte Verhandlungsrunde vorbereiten. Geplant sind Treffen an den großen Hochschulen (HU, FU, TU) und eine Online-Befragung, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Die Initiative spricht außerdem von „kreativen Aktionen“, die die „Blockadehaltung“ der Hochschulen durchbrechen sollten. Das Wort ‚Streik‘ mag zu diesem Zeitpunkt noch niemand in den Mund nehmen. Sollte aber auch die letzte Verhandlungsrunde zu keiner Einigung führen, erscheint das zumindest möglich. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad liegt im Gegensatz zu 2011 wieder bei über 1.000 Mitgliedern. Die hohe Anzahl von Gewerkschaftsmitgliedern unter den studentischen Beschäftigten und die so erreichte Vernetzung wird als wesentlicher Erfolgsfaktor für die Verhandlungen von 1968 gewertet. Solange aber die Position und Taktik der Hochschulen so im Unklaren liegt, wie das aktuell der Fall ist, können diese Überlegungen nicht mehr als Spekulation sein.

Verbraucherpreisindexberechnung des Statistischen Bundesamts. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Preise/Verbraucherpreisindizes/Wertsicherungsklauseln/Internetprogramm.html Protokoll der Sitzung des Akademischen Senats vom 19. Januar 2016. https://gremien.hu-berlin.de/de/as/protokolle/2016/beschlussprotokoll-der-338-sitzung-des-akademischen-senats-vom-19-01.2016

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