Schweiß, Blut und Knutschflecken

Neue Bundeswehrwerbeserie Die Bundeswehr wirbt auf YouTube mal wieder mit einer Reality-Serie um Nachwuchs. Und will doch nur informieren

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Bei der Bundeswehr gibt es wieder einmal unfreiwillig Komisches zu sehen
Bei der Bundeswehr gibt es wieder einmal unfreiwillig Komisches zu sehen

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Zurzeit sind auf YouTube jeden Tag kleine Filmchen zu sehen, in denen behelmte Männeken von einem kleinen Podest auf eine fünfzig Zentimeter tiefer liegende Matte springen und zur Seite wegbrechen. Oder an einem Seil über einer Matte pendeln, dann herunterfallen und dann zur Seite wegbrechen. Oder von einem Turm in ein Seil springen, an diesem Seil herumpendeln, dann herunterfallen und dann zur Seite wegbrechen. Es wird bei all dem aber immer sehr viel Wert auf das korrekte zur-Seite-Wegbrechen gelegt, auch wenn es auf den Laien immer gleich unbeholfen wirkt. Es wird von den armen Männeken etwa immer wieder gefordert, dass sie Füße und Knie eng aneinander lassen, während sie einknicken und umkippen.

Das alles wäre zwar möglicherweise unterhaltsam aber kaum berichtenswert, wenn es sich dabei nicht um Werbung für die Bundeswehr handelte. Das zur-Seite-Wegbrechen ist nämlich elementarer Bestandteil der YouTube-Serie „Die Springer“, die wiederum der neueste Bestandteil der Rekrutierungsoffensive des deutschen Militärs ist. Das Format ist wiederum nicht neu. Die drei Vorgängerserien erreichten Millionen Menschen mit Videos aus dem Ausbildungsalltag von angehenden Marinesoldaten und Gebirgsjägern, sowie aus dem Kriegseinsatz in Mali. Die Fallschirmspringerserie „Die Springer“ sei ein Wunsch der Community gewesen, sagt Dirk Feldhaus, Pressesprecher der Arbeitgebermarke Bundeswehr. Man wolle „wie in allen Serien ein realistisches und authentisches Bild der Ausbildung bei den Streitkräften“ zeichnen und damit „junge Menschen für die Bundeswehr begeistern“. Das lässt man sich 2,1 Millionen Euro kosten.

Wie in den anderen Serien auch schon, werden in einer Art Reality-TV-Format mittels ausgewählter Protagonisten Erzählstränge gesponnen. Konzertierte Ausschnitte aus dem Ausbildungsalltag werden verknüpft mit kurzen Kommentaren der Hauptfiguren. In sogenannten ‚Homestories‘ werden die als Zivilisten samt Heimatort und Hobbies dargestellt. Besonders hier wird die Nähe zum Reality-TV deutlich: Viele Aussagen klingen, als wären sie gescripted worden, nur eben nicht besonders gut. Valentin etwa, gibt nach einem Offroad-Motorrad-Trip an der Donau entlang folgenden Tipp: „Für Action im Beruf ist die Bundeswehr schon ne gute Wahl“. Oder Tobias meint, er wäre beim Bund, weil er sein Geld „Outdoor“ verdienen, etwas Sportliches machen und an seine Grenzen gebracht werden wolle.

Überhaupt wirkt „Die Springer“ wie das Ergebnis einer Vermarktungspotentialanalyse der Bundeswehrpersonaler - gefangen in der Realität: Der Rekrutierungsgeneral hat Abenteuer, Grenzerfahrungen und Selbstfindung als Unique Selling Points auf dem Arbeitsmarkt erkannt, aber der Werbeagentur stehen nur hilflos am Seil baumelnde Jungs als Bildmaterial zur Verfügung. Deshalb legt sie über die Bilder drückende Technobeats. Hilft leider nur wenig. Deshalb nennt sie eine Folge ‚Schweiß und Blut‘ und zeigt dann, wie Ferdinand tapfer einen kleinen Kratzer auf der Stirn wegsteckt. Oder kündigt im Pressetext schmerzhafte blaue Flecken an und zeigt dann einen genauso beeindruckenden Knutschfleck. In seiner Selbstironie ist das mindestens eines ‚Springerabzeichens in Bronze‘ würdig. Schwer zu sagen nur, wie viel Wille dahintersteht.

Die Bundeswehr ist für viele Menschen sicherlich ein attraktiver Arbeitgeber. Vor allem finanziell. Aber sie kann jungen Menschen eben auch Zusammenhalt, Ordnung und greifbare Herausforderungen versprechen. Und das tut sie. Ein Format wie „Die Springer“ eignet sich dafür am Ende dann doch sehr gut. All die schnellen Schnitte verscheuchen die Langeweile im Lager ein wenig. Die kraftvolle Musik macht selbst aus der Franz-Josef-Strauß-Kaserne im oberbayrischen Altenstadt einen energiegeladenen Ort. Die kleinen Jokes und optischen Anleihungen aus der Social-Media-Welt lassen einen vergessen, wie wenig gemütlich der Zweck dieser Ausbildung ist: Fallschirmjäger, so die offizielle Bezeichnung, „sind an bewaffneten Rückführungen von Deutschen aus Krisenherden, am Kampf gegen irreguläre Kräfte und an kurzfristigen Einsätze etwa zu Beginn größerer Operationen beteiligt.“ Das schreibt die Bundeswehr. Und das bedeutet, dass Fallschirmjäger als Erste in unwegsames oder unsicheres Gelände kommen. Dass sie möglicherweise als Erste getroffen werden oder als Erste schießen müssen.

Aber das erzählt „Die Springer“ bisher noch nicht. Und das wird vermutlich auch nicht mehr passieren. Bei aller Ehrlichkeit – ungewollt oder nicht – „Die Springer“ ist ganz offensichtlich Werbung. Und eben kein „realistisches und authentisches“ Informationsangebot. Es könnte freilich viel schlimmer sein. Aber das ist ein schwacher Trost, wenn Jugendliche die Zielgruppe sind und eine Ausbildung an der Waffe beworben wird. Deshalb sind „Die Springer“ trotz aller unfreiwilliger Komik eine mindestens fragwürdige Dauerwerbesendung.

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