Gegen das immer gleiche Bild der Katastrophe

„JournAfrica!“ In viele afrikanische Länder haben deutsche Korrespondenten noch nie einen Fuß gesetzt. Ein neues Portal will nun Artikel afrikanischer Autoren übersetzen und anbieten
Ausgabe 08/2015
Afrikanische Alltagsgeschichten haben es schwer in westlichen Medien
Afrikanische Alltagsgeschichten haben es schwer in westlichen Medien

Foto: Mohamed Abdiwahab/AFP//Getty Images

Ebola in Liberia, Krieg im Kongo, Terror in Nigeria – ja, gute Meldungen aus Afrika hört man selten. Das Nachrichtenportal JournAfrica! fordert mehr Vielfalt in der Berichterstattung und möchte in naher Zukunft auch deutschen Medien die übersetzten Arbeiten afrikanischer Autoren anbieten. Seit Ende letzten Jahres ist JournAfrica! im Netz, bislang noch als Betaversion. Zu lesen gibt es dort zum Beispiel die afrikanische Antwort auf das auch bei uns umstrittene Projekt Band Aid. Tiken Jah Fakoly, ein bedeutender Reggae-Musiker aus der Elfenbeinküste, kritisiert in einem Interview, der ganze Kontinent werde stigmatisiert wegen einer Krankheit, die nur wenige Länder tatsächlich betreffe. Außerdem finden sich Reportagen über Beerdigungszeremonien im Kongo und eine Ehe in Burundi, die keine ethnischen Grenzen kennt. Afrikanische Alltagsgeschichten, die hierzulande kaum veröffentlicht werden.

Woran liegt das? Die Nachrichtenschwelle für Beiträge aus Afrika liegt in vielen Redaktionen sehr hoch, oft dringen nur humanitäre Katastrophen und schockierende Bilder zu den deutschen Medien durch. Das 20-köpfige, internationale Team von JournAfrica! möchte „Afrika anders denken“. Die Initiatoren des Portals lernten bei Aufenthalten in unterschiedlichen Ländern Afrikas, dass die Bilder vor Ort nur selten mit den medial vermittelten Bildern übereinstimmen. Das liegt auch an den Korrespondentenstrukturen. In der Regel sitzen die Reporter in Nairobi, Johannesburg oder Kapstadt und sind für zahlreiche Staaten gleichzeitig zuständig. Dadurch seien undifferenzierte Berichte programmiert, finden die Macher von JournAfrica!. Das liege zum einen am ökonomischen Druck auf die Redaktionen. „Es fehlt aber genauso an ausreichend medialer Sensibilität für Afrika.“ Ähnlich sieht es Lutz Mükke vom European Institute for Journalism and Communication Research in Leipzig. Mükke kritisiert, dass die Korrespondenten riesige Gebiete zu betreuen hätten und oft nicht genügend auf ihre Arbeit vorbereitet seien. Das Problem sei den meisten Medien zwar bewusst, doch es ändere sich nichts.

JournAfrica! möchte die deutschen Korrespondenzen nicht ersetzen. Das Bild von Afrika in den Medien soll aber pluraler werden, es sollen Debatten ermöglicht werden, abseits von Krisen, Kriegen und Katastrophen. Dabei ist den Initiatoren bewusst, dass die afrikanische Autorenschaft nicht zwangsläufig auch eine bessere Qualität der Beiträge bedeute. „Was fehlt, ist die afrikanische Perspektive und eine Darstellung, die auch den unterschiedlichen Lebensrealitäten gerecht wird.“

Und da ist noch etwas, wogegen sich JournAfrica! wehrt: „Wer wie wir über Afrika arbeitet, wird automatisch in einen Topf mit der Entwicklungshilfe geworfen. Auch das gehört zum Problem.“ Dazu trägt das Informationsmonopol der Branche bei, Meldungen aus Afrika dienen oft den PR-Strate-gien dieser Organisationen. Der Kontinent in der Dramatisierungsfalle. „Ein detailliertes journalistisches Hinschauen auf Geschehnisse in Afrika ist strukturell überhaupt nicht vorgesehen“, sagt Lutz Mükke. In rund ein Drittel der Länder ihrer Berichtsgebiete haben die Reporter noch nie einen Fuß gesetzt, zeigen seine Studien. Afrika gilt in der Korrespondentenszene als Einstiegskontinent.

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Geschrieben von

Jonas Weyrosta

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