Doofe Küche, ohne Paprikamark

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Zu laff!” nennt die ungnädige türkische Gattin mein Rindergulasch, “da fehlt was!”. Zu blöd, finde ich, ist doch alles drin.

Ich habe ein Rezept der begnadeten Marianne Kaltenbach nachgekocht. Gott hab sie selig, die schweizerische Köchin, die wunderbare, strenge, penible, meine liebste kulinarische Orientierungshelferin.

Dabei war alles drin im Gulasch. Sehr viele gewürfelte Zwiebeln, Würfel vom Rind, Paprikapulver, Tomatenmark. Als späte Würze Zitronenschalenabrieb, Thymian, Rosmarin, Kümmel, Knoblauch. Alles ganz nach Kaltenbach, und nun: “zu laff, fahr runter ins Dorf, frag Fatma nach biber salçası!”.

Fatma ist Kurdin, eine hochgewachsene Frau. “Kurden erkennt man an ihren großen Nasen und sie sind groß”, behauptet man in der Türkei. Fatma ist eindeutig kurdisch. Hochgewachsen und ja, die Nase. Sie hat einen Clan an Verwandten im türkischen Osten. Die schicken ihr biber salçasıeimerweise zum Weiterverkauf hier an der Ägäis, ist was für Feinschmecker. Die gibt es durchaus.

Biber salçası ist Paprikamark. Das beste kommt aus türkisch-Fernost, aus Hatay, Urfa, Mardin.

Dafür werden reife rote Paprikaschoten erst Tage lang in der Sonne getrocknet, danach entkernt, püriert und bei sehr kleiner Hitze langsam geköchelt, oder auf dem Blech im Ofen reduziert. Das dauert Stunden, bis eine pastöse Masse entsteht, die man mit Tomatenmark verwechseln könnte. Riecht und schmeckt aber ganz anders. Und je nach Paprika-Sorte entsteht so ein mildes, mittelscharfes oder scharfes Püree. Fatma gab mir die ganze Palette mit, drei Gläser von allem, “nimm scharf, ich kenn ja Deine Frau”.

Für deutsche Sterne-Köche gehört Tomatenmark – wie Dosentomaten als Grundlage für gute Saucen oder Suppen – zu den Basics. Paprikamark aber kennen sie nicht. Beruflich lernte ich etliche Sterne-Köche kennen. An deren feiner Küche fehlte mir oft das etwas Derbere, jene Lässigkeit wie in Italiens Mamaküche oder in der Türkei. Eine Handvoll von dem und ein paar Löffel davon. So geht, finde ich, kochen.

Wieder zurück zum laffen Gulasch, rühre ich einen Löffel mittelscharfes Paprikamark ein, probiere. Auch die Gattin schmeckt kurz ab. Ja, sagt sie, musste sein, sie würzt noch schärfer nach. Ich nicke, sie hat recht.

Faustregel: wo Tomatenmark dran muss, gehört auch Paprikamark dazu. Das gibt's im türkischen Laden. Aber viel besser noch: türkische Kolleginnen oder Kollegen fragen, ob sie osttürkische Verwandte haben, kar kurdische.

(Ich trau mich kaum, zu zitieren, was mir mal eine Geliebte sagte: “Kulinarische Genüsse müssen tief im Arschloch zirpen.”)

Finde ich auch. Paprikamark!

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Geschrieben von

weinsztein

Journalist. Lebt vorwiegend an der türkischen Ägäis. Guckt auf griechische Inseln. Kocht gern.

weinsztein

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