HAYIR! Der Segen im Nein zum Verfassungsreferendum in der Türkei

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Zur Zeit ist Şeker Bayramı, Zuckerfest, es sind die Feiertage, die auf den Ramazan folgen. Und am Sonntag wird in der Türkei über das Referendum zur Verfassung abgestimmt. Zum Inhalt hat hibou hier in unserem Blog “Türkei alle Tage” schon viel geschrieben, ich teile seine Meinung.

Abgestimmt wird mit mit einem Kreuz hinter EVET (ja) oder HAYIR (nö).

Aber ach, hayır hat mehrere Bedeutungen.

Hayır heißt nein, wenn man es ausspricht wie Haayır. Spricht man es aber Hayırrr aus, ist es ein Segenswunsch, wie er zu Bayram üblich ist.

"Hayırlı Ramazanlar" war seit vielen Jahren zur Ramazan-Zeit an den Moscheen per entsprechend gestalteten Lichterketten zu lesen, zwischen zwei Minaretten. Das ist zwar völlig unvermissverständlich, aber das Wort hayır steckt drin, wenn man will, ein nein.

Die Opposition in der Türkei spielt seit Monaten geschickt mit dem Nein. Türkische facebook-Seiten sind voll davon. Auch hier in Turgutreis begrüßen viele sich nicht mehr mit İyi akşamlar, guten Abend, sondern mit hayırlı akşamlar. Es ist ein Spiel, ein solidarisches.

Für Recep Tayyib Erdoğan, übrigens ein pensionierter Imam aus bescheidenen Verhältnissen, der als Ministerpräsident schwer reich wurde, ein Dilemma. Doch er wusste sich zu helfen. Überall dort, wo sein Einfluss ausreicht, etwa in Istanbul, hat er verhindert, dass in diesem Jahr die Lichterketten zwischen den Minaretten den Menschen einen segensreichen Ramazan wünschten.

Eine Posse, über die in der Türkei aber nicht jeder lachen kann.

Darauf hat wiederum Kemal Kilicdaroglu reagiert, der Vorsitzender der CHP. “Hayır'da hayır vardır” ruft er bei seinen Auftritten, “im Nein steckt Segen”.

siehe auch: www.freitag.de/community/blogs/tuerkei-alle-tage/referendum-am-12-september-2010

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Geschrieben von

weinsztein

Journalist. Lebt vorwiegend an der türkischen Ägäis. Guckt auf griechische Inseln. Kocht gern.

weinsztein

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