Reif für die Insel

Verlust Robert Stones Schmonzette "Die Professorin"

Na, ob das wohl alles so stimmt? Jene Elogen, die die amerikanische Presse nach Erscheinen von Robert Stones neuem Roman angestimmt hat: Die Professorin als "berauschend" (Washington Post) und geradezu "meisterhaft" (New York Times). Skepsis ist also angebracht. Und die bestätigt sich nur allzu bald, nachdem der Leser zunächst einem mäßigen College-Roman (mit allen Stereotypen) und anschließenden Liebes- und Ehebruchsroman (mit noch weit schlimmeren Gemeinplätzen) begegnet ist, der sich im zweiten Teil dann zu einem politischen und gesellschaftskritischen Text wandelt, um als Thriller und Schmonzette gleihermaßen zu enden.

Michael Ahearn, mehr oder minder gelangweilter und ehelich gefrusteter Professor am bekannt-unbekannten College im Mittleren Westen (ach wie kalt!), passionierter Jäger und Taucher, trifft auf neue sinnlich-betörende Kollegin (Achtung Erotik!), die ebenso klug wie geheimnisvoll, dabei noch rasend geil ist (Achtung höchste Gefahrenstufe!). Es passiert dann, was jedermann von Anfang an klar ist - doch Stone dreht jetzt an der dramatisch-dramaturgischen Schraube gnadenlos weiter, denn die schöne Clara aus der Karibik verführt den tumben Proff noch dazu, ihr auf ihre Heimatinsel zu folgen, wo sich ein verworren-bizarres Spiel um das Erbe des toten Bruders, um Politik (rechter Provenienz) und Kokaindeals, um Voodoo-Kulte und anderes Unerklärliche ergibt. So soll er zum Beispiel die Schätze eines im Meer abgestürzten Flugzeugs bergen - Geld, Drogen, Schmuck, Kunst oder andere Preziosen?!

Worum es geht? Man weiß es nicht, wie man, seit Stone seine Protagonisten auf die Insel geführt hat, überhaupt nicht mehr so recht weiß, was wie und warum um den guten Michael herum geschieht. Zwielichtige Gestalten und eine undurchsichtige amerikanische Journalistin vernebeln noch zusehends die Handlungsstränge. Bis sich am Ende dann doch wieder der Blick klart, die Geschichte für die Helden klärt, ohne dass wir Leser irgendwie schlauer geworden wären oder uns wenigstens einige Stündchen angenehm unterhalten hätten: Michael hockt allein (und alleingelassen) in einer Studentenbude, wo er seiner Pensionierung entgegenträumen mag; seine Frau Kristin hat ihn mit und wegen eines Collegekollegen verlassen, und die schöne, geheimnisvolle Clara ist - God knows why - Botschafterin in Frankreich geworden.

Ja, wie das (Roman-)Leben halt so spielt und einem mitspielt, der seinen Glauben verloren und das feste Gottvertrauen im Bush-Land endgültig eingebüßt hat. "Während der Christmette in der St. Emmerich-Kirche saß Michael dumpf und trauernd da, entsetzt über die intensive, klaräugige Andacht seines Sohnes. Beim Kyrie fing er zufällig Kristins Blick auf. Er sah darin keine Fragen, keine Versprechen und keine vertraulichen Mitteilungen, kein glückliches komplizenhaftes Einverständnis. Ihr Blick war so nichtssagend wie die Oberfläche der Dinge. Jagte ihm Furcht vor einem bevorstehenden Verlust ein." Lesen wir auf Seite 45 - um auf den folgenden 250 Seiten eben diese fortgesetzte Geschichte des - ja was? - Selbst- und Weltverlustes offeriert zu bekommen. Muss das sein?

Robert Stone: Die Professorin. Roman. Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein, Marebuch, Hamburg 2004, 294, 19,90 EUR


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