Beharrliche Bunkermentalität

Korea Pjöngjang sollte jetzt ein Gesprächsangebot erhalten, das es nicht ablehnen kann
Ausgabe 36/2017
Der eigentliche Konflikt besteht zwischen Washington und Pjöngjang, es geht nur vordergründig um Korea
Der eigentliche Konflikt besteht zwischen Washington und Pjöngjang, es geht nur vordergründig um Korea

Foto: STR/AFP/Getty Images

Ein neuer Atomtest in Nordkorea; große Aufregung und die bange Frage, ob Pjöngjang nun eine einsatzfähige Wasserstoffbombe hat. Das Echauffieren folgt dem üblichen zweiteiligen Muster – einerseits wird globale Bedrohung konstatiert, andererseits sagen Experten, es sei nicht sicher, um welche Art von Bombe es sich handelt. Sicher ist hingegen, dass die bisherige Politik der Abschreckung und Sanktionen nicht greift und das Gegenteil dessen bewirkt, was beabsichtigt ist. Nordkorea fühlt sich bedroht und verstärkt die Rüstungsanstrengungen. Und US-Verteidigungsminister Mattis erklärt, sein Land wolle diesen Staat „nicht total zerstören“.

Bitte einen Moment ruhig bleiben und nachdenken. In der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) gibt es nicht nur den Herrn Kim Jong-un, dort leben über 25 Millionen Menschen. Sollen die nun freundlicherweise nicht total zerstört werden? Die USA wollen Wirtschaftskontakte zu allen Staaten abbrechen, die mit Nordkorea Handel treiben. Entfällt dann künftig der Warenverkehr zwischen den USA und China?

Vor dem Test zeigte das nordkoreanische Fernsehen Bilder, auf denen zu sehen war, wie Kim Jong-un einen nuklearen Gefechtskopf begutachtet. An der Wand hängt ein Plakat, das dessen Einbau in eine Rakete zeigt. Solche Transparenz ist von anderen Nuklearmächten nicht bekannt. Pjöngjang zeigt, was es hat, und teilt mit, es anwenden zu wollen, sollte es angegriffen werden. Pakistan, ein Alliierter der USA, verfügt längst über einsatzfähige Atomwaffen und ist als Staat nicht stabiler als Nordkorea. Weil Israel sich bedroht fühlt, werden ihm von vielen Staaten Kernwaffen zugebilligt. Die Führung der DVRK und gewiss auch der überwiegende Teil der Bevölkerung fühlen sich ebenfalls bedroht; kein Staat, der über Atomwaffen verfügt, wird die abgeben, solange er seine Existenz gefährdet sieht. Warum also Nordkorea?

Tatsache ist, Japan will seine Rüstung massiv vorantreiben, und Südkorea bittet die USA, Reichweite sowie Nutzlast der eigenen Raketen steigern zu dürfen. Es wird in Seoul sogar laut über eine südkoreanische Atomrüstung nachgedacht.

Korea ein Spielball?

Sicher, auch Peking könnte Kim den Stecker ziehen bzw. den Hahn zudrehen. Nordkorea reduziert seit April den Treibstoffverbrauch und legt Vorräte an, könnte aber im Winter ohne die Lieferung von Energieträgern aus China nur Monate aushalten. Viel hängt von der Haltung Pekings ab. Sollte dort die Meinung vorherrschen, Pjöngjang gefährde Stabilität und Frieden in Nordostasien, dann wäre China nicht mehr an die Beistandspflicht des 1961 mit Nordkorea geschlossenen Vertrages gebunden.

Wie sollte es also weitergehen? Vielleicht ist es dafür schon zu spät, doch müsste Moon Jae-in als Präsident Südkoreas die USA und China für einen umfassenden Plan gewinnen, der in Pjöngjang überraschtes Nachdenken auslöst, weil er Sicherheitsgarantien und eine Kooperation offeriert, die der Norden nicht ablehnen kann. Zur Umsetzung wären nicht Gespräche, sondern Verhandlungen auf der Basis formaler Gleichrangigkeit nötig. Der eigentliche Konflikt besteht zwischen Washington und Pjöngjang, doch geht es nur vordergründig um Korea, vielmehr darum, wer demnächst die führende Macht im asiatisch-pazifischen Raum sein wird. Pjöngjang hält Seoul für nicht satisfaktionsfähig, die USA dagegen sind der beschimpfte, aber respektierte Gegner. Dennoch muss Seoul die Initiative ergreifen, denn eine bilaterale Verständigung zwischen Washington und Pjöngjang über den Süden hinweg wäre dort und in Peking nicht akzeptabel. Es würde den nicht zuletzt historisch begründeten Eindruck erneuern, Großmächte nutzten Korea als Spielball für ihr Streben nach Dominanz in Nordostasien. Freilich muss klar sein: Dass Pjöngjang seine Rüstung aufgibt, kann keine Vorleistung für Verhandlungen, sondern nur deren Ergebnis sein. Pjöngjang ist bereit über Abrüstung zu reden, nicht aber ausschließlich über die eigene.

Die Koexistenz zwischen beiden deutschen Staaten war einst dank der Ost-West-Entspannung möglich. Ähnliches kann auf der koreanischen Halbinsel nur gelingen, wird eine die gesamte Region betreffende Lösung gefunden. Vielleicht verhilft die nordkoreanische Wasserstoffbombe dieser Erkenntnis zu mehr Durchschlagskraft.

Werner Pfennig ist Projektkoordinator am Institut für Koreastudien der FU Berlin

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