Enge Grenzen

Nordkorea Eine atomare Abrüstung wird ohne Friedensvertrag nicht zu haben sein
Ausgabe 19/2018
Der Händedruck von Panmunjom erweist sich als alltagstauglich
Der Händedruck von Panmunjom erweist sich als alltagstauglich

Foto: Jean Chung/Getty Images

Arbeitszeiten der Verbindungsbüros von Nord- und Südkorea sollen an Wochentagen von 9 bis 16 Uhr und am Samstag von 9 bis 12 Uhr sein.“ Darüber hatten sich die beiden koreanischen Staaten bereits am 7. Mai 1992 geeinigt. Es wurde nichts daraus, erst 26 Jahre später, nach einem dritten Treffen auf höchster Ebene, scheint der Wille unerschütterlich, sich nicht mehr beirren zu lassen und dauerhaft um ein Auskommen bemüht zu sein.

Das übliche Resümee zum Panmunjom-Gipfel am 27. April lautet: Er sei reich an Symbolik gewesen, die Gemeinsame Erklärung eine gelungene Mischung aus schönen Worten, Absichtserklärungen und konkreten Vereinbarungen. Dabei stehen Frieden, Kooperation, gegenseitige Information und Wohlstand im Vordergrund, keineswegs die baldige Wiedervereinigung. Die Frage muss erlaubt sein, inwieweit nunmehr garantiert ist, was schon in früheren Übereinkünften stand, etwa nach den Nord-Süd-Gipfeln von 2000 und 2007, aber nie so umgesetzt wurde, wie das mit den Kommuniqués versprochen war.

Zahlt Japan Reparationen?

Um diesmal mehr Verbindlichkeit zu erreichen, will Präsident Moon Jae-in demParlament in Seoul die Gemeinsame Erklärung zur Ratifizierung vorlegen. Reflexartig erklärte die Saenuri-Partei („Freiheitspartei“) als größte Oppositionskraft, sie werde eine Ratifizierung zu verhindern wissen, „koste es, was es wolle“. Alles sei nur ein Trick, Moon wolle damit bei den am 16. Juni stattfindenden Kommunalwahlen punkten. Also kleingeistige Ablehnung bei einem Teil des politischen Establishments und bei der jungen Generation im Süden eher Desinteresse: „Denn wir haben andere Probleme ...“

Während der Gipfel in Panmunjom zeigte, dass – wenn man will – der innerkoreanische, kleinste gemeinsame Nenner recht groß sein kann, bleiben dem Handeln beider Staaten enge Grenzen gesetzt. Pjöngjang muss auf sein Verhältnis zu Peking achten. Immerhin erschien gleich nach dem Gipfel Außenminister Wang Yi in der Volksrepublik und wurde umfassend informiert. Präsident Moon war darauf bedacht, die USA, China und die Vereinten Nationen einzubeziehen. Japan fand sich korrekt unterrichtet, wurde ansonsten aber ignoriert. Premier Abe ließ Kim Jong-un über schwedische und mongolische Kanäle wissen, er käme gern nach Pjöngjang. Dort wäre man nicht abgeneigt, besteht aber auf Vorleistungen: Normalisieren ließen sich die Beziehungen nur, sei Tokio bereit, 10 bis 20 Milliarden Dollar Entschädigung für Kriegsverbrechen und Zerstörungen zu zahlen, die der Kolonialmacht Japan bis zu ihrem Abzug 1945 anzulasten sind. Shinzō Abe hat dazu andere Vorstellungen, muss aber aufpassen, von der innerkoreanischen Dynamik nicht überrollt zu werden.

Südkoreas Staatschef Moon Jae-in ist durchaus bewusst, seinen Entspannungskurs weder an den USA noch an China vorbei verfolgen zu können. Kim Jong-un scheint diese Auffassung zu teilen, steht doch außer Frage, dass eine ökonomische Modernisierung des Nordens ohne Zustimmung aus Washington und ohne Rücknahme von UN-Sanktionen kaum denkbar ist, Gleiches gilt für die innerkoreanische Zusammenarbeit.

Aus Sicht der USA ist es nicht hinnehmbar, dass der Norden nukleare Kapazitäten aufgebaut hat, deshalb komme einer Denuklearisierung oberste Priorität zu, sprich: einer vollständigen und irreversiblen atomaren Abrüstung. Dabei wird ausgeblendet, welche Sicherheitsinteressen Pjöngjang bewogen haben, über Jahrzehnte hinweg, derartige Anstrengungen zu unternehmen. Präsident Trump und seine Umgebung reduzieren die Frage nach dem Sein oder Nichtsein von Koexistenz auf diesen einen Punkt. In der Gemeinsamen Erklärung des Panmunjom-Gipfels steht hingegen als faktisch „gesamtkoreanische Aussage“: Gemeinsames Ziel sei es, durch vollständige Denuklearisierung eine nuklearwaffenfreie koreanische Halbinsel zu schaffen. Mit anderen Worten, was die USA als Bedingung an den Anfang stellen, gilt in der Erklärung von Moon und Kim als wünschenswertes Ergebnis.

Sicherheitsgarantien tun not

Es ist daher wichtig, dass bei aller unterschiedlichen Deutung von Denuklearisierung in Seoul und Pjöngjang klar ist, wohin man will, und jeder dafür Konzessionen machen muss. Ohnehin wird die nordkoreanische Führung vor einer möglichen Begegnung zwischen Kim und Trump genau beobachten, ob sich die USA aus dem Atomvertrag mit Iran zurückziehen. Sollte es so weit kommen, wäre das für Pjöngjang alles andere als eine vertrauensbildende Maßnahme und darüber hinaus ein Beleg dafür, dass gesamtkoreanischen Initiativen ganz schnell Grenzen gesetzt sein können.

Ohne Friedensvertrag mit glaubhaften Sicherheitsgarantien für alle Beteiligten ist eine von Kernwaffen befreite koreanische Halbinsel keine realistische Option. Es wäre sinnvoll, würden beide Regierungen den Entwurf eines solchen Vertrags vorbereiten oder zumindest dessen Kernpunkte fixieren, den Text vertraulich China zur Kenntnis geben und mit dessen Führung abstimmen. Kim Jong-un könnte ein solches Dokument dann beim Treffen mit Präsident Trump als gesamtkoreanischen Vorschlag unterbreiten. Sollte der auf Zustimmung stoßen, darf ihn der US-Präsident gern als seine ureigene Vorstellung dem Rest der Welt präsentieren.

Was bisher kaum Beachtung fand, ist der Umstand, dass in der Gemeinsamen Erklärung von Panmunjom auch eine 2-plus-2-Regelung erwähnt ist. Danach sollen die beiden Staaten in Korea, China und die USA über einen Friedensvertrag verhandeln. Es ist denkbar, dass Korea den Normalisierungsprozess im Schnelldurchgang erledigt und sich dann mit der Wiedervereinigung viel Zeit lässt. Vor dem 3. Oktober 1990 waren in Deutschland innerer Wandel und äußere Zustimmung notwendig, was bei allen Unterschieden auf Korea gleichermaßen zutrifft. Die „Sonnenschein“-Politik des Südkoreaners Kim Dae-jung scheiterte einst an George W. Bush, hoffentlich die „Moonshine“-Politik nicht an Donald Trump.

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