Im Trumpschatten

Korea Nord und Süd nähern sich diplomatisch an – wenn die USA es zulassen
Ausgabe 39/2018
Gehört zur Dekoration beim Staatsbankett: Korea ohne Grenze
Gehört zur Dekoration beim Staatsbankett: Korea ohne Grenze

Foto: Pyeongyang Press Corps/Getty Images

Egal, wo und wie oft sich die Staatschefs Moon Jae-in und Kim Jong-un treffen – Donald Trump ist immer dabei. Nur leider haben die USA Korea schon seit Präsident Theodore Roosevelt (im Amt 1901 – 1909) zumeist falsch eingeschätzt. Umso mehr wäre es jetzt geboten, größere Zusammenhänge zu berücksichtigen und die apodiktische Haltung in Sachen Denuklearisierung aufzugeben.

Über seiner Ostpolitik konstatierte einst Willy Brandt: „Es gab keine Wahl, der Schlüssel zur Normalisierung lag in Moskau.“ Im Fall Korea liegt der große Schlüssel in Washington, der kleinere in Peking. In den 1970er Jahren waren Leonid Breschnew und die Sowjetunion besser auszurechnen, als es derzeit die USA unter Donald Trump sind. 1969 ging es um die Normalisierung zwischen Bonn und Moskau, heute geht es um die Normalisierung zwischen Nordkorea und den USA, aber auch um innerkoreanische Normalität. In beiden Fällen sind die USA quasi eine Vetomacht, die unter De-nuklearisierung etwas anderes versteht als Pjöngjang. Die Trump-Administration sieht bisher nur den Norden in der Abrüstungspflicht. Kim Jong-un hingegen will, dass die Halbinsel ein „Land des Friedens wird, frei von Kernwaffen und nuklearer Bedrohung“ – mit Letzterem sind die USA gemeint.

Niederträchtige Sanktionen

In der koreanischen Geschichte hat Druck von außen oft Spannungen im Innern eskalieren lassen. Im Moment freilich hat es den Anschein, als seien sich Seoul und Pjöngjang bewusst, noch mehr Anstrengungen unternehmen zu müssen, um nicht wie bisher durch externe Mächte gegeneinander ausgespielt zu werden. Deshalb bleiben vom jüngsten Gipfel in Pjöngjang nicht nur schöne Bilder in Erinnerung, sondern ebenso substanzielle Bemühungen um atomare Abrüstung und innerkoreanische Zusammenarbeit. Und die ist dringend geboten, um nicht allzu sehr in die Interessenkonflikte zwischen den USA und China zu geraten, sich stattdessen Spielräume zu sichern.

Präsident Moon begegnen in Südkoreas unruhiger politischer Landschaft Skepsis und Unbehagen angesichts der Streicheleinheiten für den Norden. Und wenn Kim Jong-un, dessen Volksrepublik sich in der Verfassung stolz „Atomstaat“ nennt, Nukleararsenale abbaut und keine Gegenleistungen vorweisen kann wie Garantien für die territoriale Integrität und den Verzicht auf Sanktionen, dürfte er mit den regimetragenden Kräften seines Landes Schwierigkeiten bekommen. Deshalb betont Präsident Moon immer wieder, die Sicherheitsinteressen aller Beteiligten müssten berücksichtigt werden. Die USA wollen, dass Moon den Norden auf (ihre) Linie zwingt, während dort erwartet wird, dass Moon den patriotischen Gesamtkoreaner gibt und die USA zum Einlenken bringt.

Die Reaktionäre im Süden – und das sind viele – sind sich sicher, dass Moon faule Kompromisse eingeht und sich der Norden wie früher nicht an Verabredungen hält. Südkoreas Präsident wiederum erwartet, dass Washington und Pjöngjang mehr Beweglichkeit zeigen. Allerdings wird Donald Trump den erhofften Deal nur mit Kim Jong-un bekommen – ein solches Agreement kann nur ein Geben und Nehmen sein. Derzeit jedoch werden die Sanktionen ausgedehnt, statt schrittweise reduziert zu werden; einige davon sind kleinlich und niederträchtig.

In dieser Lage sucht Kim Jong-un weiter den direkten Kontakt zu Trump und schmeichelt dessen Narzissmus nach dem Motto, wir beide machen das schon, was Trump unter Erfolgsdruck setzen kann. Ob dieses Kalkül aufgeht, lässt sich schwer sagen. Könnte die Unberechenbarkeit des US-Präsidenten ein Vorteil sein?

Die Raketenbasis von Dongchang-ri wird bereits abgebaut; Moon und Kim haben den Rückbau des Yongbyon-Reaktors verabredet, was Experten aus „relevanten Nationen, wenn die USA Entgegenkommen zeigen“, verifizieren können. Nur was heißt „Entgegenkommen“? Pjöngjang versteht darunter diplomatische Beziehungen, einen Friedensvertrag (zumindest eine Erklärung zur Beendigung des Kriegszustandes) und Sanktionsabbau. Der Verzicht auf einen Teil der atomaren Infrastruktur ist für Nordkorea ein wesentlicher Schritt, für die USA und Hardliner im Süden aber bei Weitem nicht ausreichend, um verringerte Sanktionen zu gestatten. Die Entspannung auf der koreanischen Halbinsel kann das nur behindern.

Koreas beste Zeiten

Vorerst bleibt offen, ob die Annäherung zwischen Nord und Süd zu einem Regimewandel in der Volksrepublik führt. Auf jeden Fall wirkt Kim Jong-un entschlossen, durch Kooperation mit Südkorea etwas für die Wirtschaftsleistung seines Landes zu tun. Korea könnte dann wieder eine Brückenfunktion für Nordostasien erlangen, wie in den besten Zeiten seiner Geschichte, nur leider stehen die von Washington aus geschalteten Ampeln nach wie vor auf Rot.

Wirtschaftsvertreter des Südens haben in Pjöngjang über neue Sonderwirtschaftszonen gesprochen und ihre Planungen vorgestellt. Die bereits bestehenden gemeinsamen Unternehmungen – Kumgangsan (2008 geschlossen) und Kaesong (2016 geschlossen) – sollen wieder in Betrieb genommen werden, „wenn die Bedingungen dafür geschaffen sind“. Dieses „Wenn“ bedeutet: falls die USA zustimmen, und es in der Gesellschaft des Südens genügend Rückhalt gibt. Es ist in dieser Situation alles andere als ein Hoffnungszeichen, dass der US-Präsident den Handelskrieg mit China forciert. Falls das so bleibt, ist nur schwer vorstellbar, dass China die Sanktionen penibel einhält und Schmuggel wie inoffizielle Geschäfte unterbindet. Peking und Pjöngjang würden wieder enger zusammenrücken.

Zuversicht verbreitende Szenen vom Besuch Moon Jae-ins in Pjöngjang dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Systeme im Süden und Norden antagonistisch sind und bleiben. Im bilateralen Verkehr gibt es daher keine unumkehrbaren Tendenzen, eben deshalb sollte sich die Geschäftswelt des Südens im Norden nicht mit neokolonialer Attitüde breitmachen.

Trotz aller Unwägbarkeiten – viele Koreaner auf beiden Seiten der Demarkationslinie am 38. Breitengrad sind voller Tatendrang. Auch in den USA gibt es durchaus Stimmen, die von Fortschritten bei der Denuklearisierung sprechen. Kim Jong-un und Donald Trump müssen sich bewegen. Nicht auszuschließen, dass sie dazu einen zweiten Gipfel brauchen, der für Moon Jae-ins Vermittlungen hilfreich sein kann.

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