Von 1996 bis 2000 hatte der Müll-Unternehmer Hellmut Trienekens immer wieder Millionenbeträge an eine Schweizer Briefkastenfirma überweisen lassen - gegen Scheinrechnungen an seine Tochterfirmen. Damit wurde eine "Kriegskasse" für die Bestechung deutscher Politiker und Geschäftsleute gefüllt. Die Beträge gab er als "nützliche Ausgaben" in seinen Steuererklärungen an und hinterzog damit insgesamt 2,7 Millionen Euro an Steuern. Vor zwei Wochen verurteilte ihn das Kölner Landgericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und zu einer Geldbuße von zehn Millionen Euro. Wie kam es zu diesem Urteil, das einem Kuhhandel gleicht?
Trienekens ist einer der fünf Angeklagten im Kölner Müllprozess, in dem es um elf Millionen Euro Schmiergeld geht, die beim Bau der überdimensionierten Kölner Müllverbrennungs-Anlage flossen. Drei Angeklagte wurden in einem halbjährigen Mammutverfahren bereits verurteilt. Das Verfahren gegen Trienekens war wegen seiner "angeschlagenen Gesundheit" abgetrennt worden. Um überhaupt verhandeln zu können, wurde die Hauptanklage wegen Bestechung fallengelassen, es ging jetzt nur noch um die Begleittat der Steuerhinterziehung. Um die Krankheit des 66-jährigen Angeklagten zu demonstrieren, standen sein "Leibarzt" ebenso bereit wie ein vom Gericht bestellter Herzspezialist, ein Psychologe, ein Notarztwagen und noch zwei Sanitäter der Feuerwehr, die ein Elektroschockgerät mit in den Gerichtssaal brachten, um Trienekens bei einem Herzanfall retten zu können.
Ähnlich theatralisch geriet dem Unternehmer die Verlesung seines Lebenslaufs, in dem er mit stockender Stimme seine Familie als Mittelpunkt seines Lebens und die Fürsorge für seine zuletzt 8.700 Beschäftigten als höchstes Lebensziel beschwor. Er habe jahrzehntelang "fleißig gearbeitet". Fehler habe er gemacht, er bereue alles. Freilich erschien die Reue nicht so tief, denn er rechtfertigte zugleich "die Zahlungen": Sie hätten der Stärkung seines Unternehmens gedient, er selbst habe sich nicht bereichert. "Den Sinn nützlicher Aufwendungen kann in dieser Republik niemand so richtig erklären", bedauerte er.
Seine drei Anwälte setzten die Tränendrüsen-Arie fort: Eigentlich dürfe Trienekens gar nicht verurteilt werden, er sei durch die "Verbal-Pyromanen" der Presse jahrelang vorverurteilt worden. Er selbst, die Ehefrau, die drei Töchter und acht Enkel hätten unter den Belastungen des Verfahrens schwer gelitten. Er habe alles gestanden, er habe die Steuern nachgezahlt. In der Untersuchungshaft habe er Drogenabhängige kennen gelernt, denen er weiter helfen wolle.
Um die Verhandlung zu ermöglichen, hatten Gericht, Staatsanwaltschaft und Anwälte das Urteil vorher ausgehandelt, berichtete der Vorsitzende Richter. Dass der Angeklagte jetzt bei der Verlesung seines Lebenslaufs und bei der Erwähnung der Schmerzen seiner Ehefrau "mit den Tränen gerungen" habe, sei ein weiterer Beleg für seine Anständigkeit. Der Staatsanwalt hielt angesichts der kriminellen Energie eine höhere Strafe für angemessen, "eigentlich" zumindest, das Gesetz sehe bis zu zehn Jahren vor. Aber er plädiere für die ausgehandelten zwei Jahre, damit sei eine Bewährung gerade noch möglich. Er sage das "mit Bauchschmerzen", so der Staatsanwalt, der sich damit in eine kuriose außerjuristische Begründung flüchtete.
Die zehn Millionen Euro Geldbuße sind juristisch keine Strafe, sondern eben nur eine Buße. Auch wenn niemals zuvor in der Bundesrepublik ein Bußgeld in dieser Höhe gegen einen einzelnen Angeklagten verhängt worden ist - Trienekens kann sie verkraften. Mithilfe seiner Bestechungsmethoden hat er drei Jahrzehnte lang glänzend verdient und dann - nach der Aufdeckung des Skandals - seine Anteile für 250 Millionen Euro an RWE verkauft. Auch die Kaution von 100 Millionen Euro, die das Gericht 2002 für die Haftverschonung verlangte, war ohne Beispiel. Doch was bedeuten solche Summen? Offenbar sind sie ein symbolischer Loskauf und stehen im umgekehrten Verhältnis zum rechtsstaatlichen Gehalt des Verfahrens.
Wer das Geld aus der Kriegskasse bekommen habe, "das ist hier nicht unser Thema", so der Richter. Das wäre aber das eigentliche Thema gewesen. Dann hätte der reuige Ehrenmann zahlreiche Empfänger in mehreren Städten nennen müssen. Nur einer ist inzwischen bekannt: Karl-Heinz Meys (CDU), ehemaliger Geschäftsführer der Rhein-Sieg-Abfallgesellschaft, gestand in der Untersuchungshaft, von Trienekens 1,5 Millionen Euro bekommen zu haben, über einen Beratervertrag. Diese Summe ist aber nur ein Teil der in die Schweiz geschleusten Geldmenge.
Auch das Bestechungsverfahren, das in Bonn ansteht und in dem Trienekens wegen Betrugs am "Dualen System Deutschland" angeklagt ist (Falschdeklarierung von Müllmengen), wird wohl nicht mehr eröffnet. Genauso steht es mit der Anklage gegen den langjährigen Bonner Oberstadtdirektor Reiner Schreiber (CDU). Sie ist seit langem fertig, aber Schreiber ist krank. In Köln ist noch die Anklage gegen den Schmiergeldvermittler Karl Wienand anhängig, der einen millionenschweren Beratervertrag mit Trienekens hatte. Aber auch Wienand ist krank, verhandlungsunfähig. Die "Elite" will den Schlussstrich - wenn es geht, durch Flucht in die Krankheit. Oder mit anderen Methoden: Die nach dem Kölner Müllskandal vor zwei Jahren von der NRW-Landesregierung eingesetzte "task force" bescheinigte Trienekens, "ein flächendeckendes Netzwerk der Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger" eingerichtet zu haben. Doch die task force wurde ruhig gestellt, ihre Mitglieder sahen sich zum Stillschweigen verdonnert. Würden die Staatsanwälte in allen Städten die Spuren weiterverfolgen, dann kämen wie in Köln weitere Mitglieder beider "Volksparteien" vor Gericht. Doch es tut sich nichts.
Hellmut Trienekens steht für den Aufstieg und die Methoden der Müllbranche in Deutschland. Die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) kauften sich 1988 in das Mittelstandsunternehmen ein und benutzten es als mittelständische Tarnkappe zum Einstieg in Dutzende von Städten zwischen Köln und Chemnitz, zuletzt auch in China und Malaysia. Trienekens entdeckte das, was die Bundesregierung unter Helmut Kohl, nicht zuletzt auf Druck des spendablen CDU-Mitglieds Trienekens selbst, zum Gesetz und zum System erklärte: Müll als Wertstoff. Das bis heute von CDU-Funktionären beherrschte "Duale System Deutschland" wurde zu einem undurchsichtigen, teuren Monopol und für die beteiligten Firmen zu einer Goldgrube. Trienekens und seine Verteidiger hatten angedeutet: Erst durch die Beteiligung der RWE an seiner mittelständischen Firma hätten sich "die Verhältnisse geändert", Auslandsaktivitäten seien nun gefordert gewesen. Hier wuchsen zwei Korruptions-"Kulturen" zusammen. Während Trienekens ursprünglich mit Barspenden durch die Städte zog, brachte RWE modernere Techniken ein, zum Beispiel Beraterverträge und professionelle Schweizer Umwegfinanzierungen.
Den Schlussstrich will nun auch die RWE. Die von Trienekens übernommenen Unternehmen, zusammengefasst in der RWE-Umwelt AG, sollen verkauft werden. Nur fern der Heimat darf der Name Trienekens weiter bestehen. So fahren Müllwagen mit der Trienekens-Aufschrift, die vor drei Jahren noch durch Köln und Bonn rollten, nun durch Städte in Malaysia und im Baskenland.
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