Harmloser Anfang, düstere Aussicht

Szenario III Die Krise bedroht nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Demokratie. Denn der Absturz könnte rechtsextreme Bewegungen stärken

Angefangen hatte alles ganz harmlos: In den USA konnten ein paar Hausbesitzer ihre Hypotheken nicht mehr bedienen. Mitte 2007 wurde der Schaden auf maximal 160 Milliarden Dollar geschätzt – doch die Fachleute stapelten tief: Nur ein Tropfen in einem Meer der „Marktliquidität“, hieß es. Die Gefahr, dass sich die Subprime-Krise auf die reale Wirtschaft auswirke, sei verschwindend gering.

Inzwischen weiß jedermann, dass und wie sich die Finanzkrise auf die reale Wirtschaft auswirkt. In den USA etwa haben die privaten Haushalte bisher rund 10.000 Milliarden Dollar Vermögen verloren, fast die Hälfte davon wegen der gefallenen Imobilienpreise. Eine Katastrophe für die Rentner, die von Vermögenserträgen und vom Vermögensverzehr leben, und ein Sparbefehl für alle übrigen Haushalte, die ihre Konsumsteigerungen bisher überwiegend mit der Aufstockung ihrer Hypothekar­kredite finanziert haben. Allein dadurch werden in den USA mindestens 600 Milliarden Dollar Nachfrage wegfallen. Genug, um eine tiefe Rezession auszulösen.

Inzwischen leidet die ganze Welt. Polen etwa war bis vor kurzem noch blendend unterwegs. Es hat in den vergangenen fünf Jahren seine Industrie mit westlicher Technologie ausgebaut und so das reale Pro-Kopf-Einkommen um 30 Prozent steigern können. Dass sich Polen dabei ein wenig verschuldet hat war ganz normal für ein Land auf dem Sprung nach vorne.

Doch dann kam die Subprime-Krise. Der Zloty verlor gegenüber dem Euro rund 30 Prozent an Wert. Polens Auslandsschulden sind damit praktisch über Nacht von 50 auf 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Und weil Polen damit als schlechter Schuldner gilt, haben sich die Zinsen um gut 4 Prozentpunkte erhöht. Damit wird sich die Zinslast für Polen verdoppeln. Es ist nur ein Beispiel unter vielen: Bulgarien, Estland, Russland, Rumänien und andere Länder sind noch schlechter dran. Sie müssen jetzt sparen, können sich weniger Importe leisten. Das wiederum schlägt auf die Exportindustrien der Industriestaaten durch, die ohnehin schon unter dem Rückgang der Exporte in die USA leiden.

Bedrohlicher Teufelskreis

Deutschlands Ausfuhren sind im November und Dezember je um etwa 10 Prozent gesunken. Japan hat es noch schlimmer erwischt: minus 50 Prozent im Januar. Eben hat der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, – wieder einmal – alle EU-Länder zum Sparen und zum Lohnverzicht aufgerufen. Der Teufelskreis dreht sich immer schneller – und bedroht die Demokratie.

Ein düsteres Szenario, aber keineswegs mehr unrealistisch: Gleichzeitig mit der Wirtschaft brechen auch politische Regime zusammen. Das Vertrauen in das Krisenmanagement von Regierungen nimmt ab, je länger die Krise dauert und je mehr ­Arbeitsplätze verloren gehen. Es kommt zu Streiks und Massendemonstrationen, statt der Linken aber gewinnen nationalistische und rechtsextreme Gruppierungen an B­oden.

Als Antwort darauf verteuern, erschweren und verbieten die Regierungen die Einfuhren, um so einheimische Arbeitsplätze zu retten – was die Weltwirtschaftskrise nur noch verschärft. Und auch ihre politischen Folgen.

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