Oskar Lafontaine hat Recht: Der Euro gehört abgeschafft. Wer immer schon der Meinung war, Europas Einheitswährung sei falsch konstruiert, darf auch einmal die Hoffnung verlieren, dass die Konstruktionsfehler behoben werden. Besser ein Ende mit Schrecken als weiterhin diese endlose Rezession mit immer noch mehr Arbeitslosen.
Währungsunion ist, wenn keiner mehr seine Währung abwerten darf. Abwertungen wären dann nötig, wenn sich die Preisunterschiede der Länder zu sehr auseinanderentwickelten. Einige Länder werteten auch ab, um sich einen Konkurrenzvorteil zu verschaffen. Folglich wäre die wichtigste Grundregel einer Währungsunion: In allen Ländern muss sich das Preisniveau in etwa gleich entwickeln. Wie aber schafft man das?
Entweder mit
Entweder mit einer totalen Mobilität der Arbeitskräfte oder durch eine gemeinsame Lohnpolitik nach der Formel: Lohn gleich Produktivität plus die angestrebte Inflationsrate. Oder anders gesagt: Eine Währungsunion braucht ein Inflationsziel, das für jedes einzelne Land – und nicht bloß für den Währungsraum insgesamt – verbindlich ist.Das hat man versäumt. Und das ist der entscheidende Konstruktionsfehler des Euro. Alles andere, Bankenunion, Schuldenregeln oder Strukturanpassungen sind im besten Fall Nebengeräusche, meistens aber gut gemeinte Verschlechterungen. Allerdings haben auch die Euro-Protze ein gewichtiges Argument auf ihrer Seite: Mit einem Finanzsystem, das permanent vor dem Zusammenbruch steht, ist die Rückkehr zu nationalen Währungen ein Spiel mit extrem hohem Risiko. Für einen arbeitslosen Bauarbeiter in Spanien ist das Risiko allerdings klein – um nur ein Beispiel unter 30 Millionen zu erwähnen.Gibt es einen Ausweg? Ja: eine Transferunion bei gleichzeitigem Übergang zu einer gemeinsamen Lohnpolitik. In Deutschland hat die Transferunion einen schlechten Ruf. Die einen zahlen und bringen finanzielle Opfer und die andern halten die Hand auf. Das ist ein Missverständnis: Deutschlands Bevölkerung hat erstens das Opfer längst erbracht und scheint zweitens nicht Willens, auf die Opferrolle – den Titel eines Exportweltmeisters – zu verzichten.Um das zu verstehen, muss man zwischen Geld und Ware unterscheiden. Ware ist, wenn ich ständig mehr aus- als einführe. Geld ist, wenn mir die Importländer dafür Warengutscheine geben. Und dumm ist, wenn ich diese von den Schuldnerländern Geld zurückfordere, ohne bereit zu sein, mehr Ware zu importieren. Dann hat jemand den Unterschied zwischen Geld und Ware nicht begriffen.Deutschland hat seine Opfer nicht nur durch die Exportüberschüsse erbracht, sondern vor allem durch das Abwürgen der Binnennachfrage. Diese liegt heute fast 15 Prozent oder zwei Monatslöhne unter dem Trend der Jahre vor 2000. Die Exportüberschüsse helfen, die Auswirkungen dieser Konsumverweigerung auf die Beschäftigung zu dämpfen. Das war und bleibt die Geschäftsgrundlage der realen Transferunion – wir liefern euch Waren, ihr gebt uns Jobs. Dass Merkel dies als „Wettbewerbsfähigkeit“ lobt, beweist, dass sie an diesem dummen Deal festhält.Noch einmal: Das Ausland kann seine Schulden gegenüber Deutschland nur durch Leistungsbilanzüberschüsse abtragen. Alles andere ist das Umtopfen von Guthaben zum nächsten Schuldner: Von den Konsumenten der deutschen Überschüsse zu deren Banken, dann zum Staat und schließlich zum Schuldner der letzten Chance. Die Europäische Zentralbank (EZB) garantiert inzwischen Kredite von über 1200 Milliarden Euro.Sie tut dies unter zwei unsinnigen Bedingungen: Haushaltskonsolidierung und sinkende Löhne. Auch ein Haushaltsüberschuss trägt nichts zu einem Abbau der Außenschuld bei, solange die Importüberschüsse bleiben. Und der Lohndruck hat es den Unternehmen der Schuldnerländer erlaubt, ihre jährlichen Nettogewinne gegenüber 2007 um gut 300 Milliarden Euro zu erhöhen. Auf dieses Geld haben die ausländischen Gläubiger keinen Zugriff mehr. Die EU-Sparpolitik ist Konkursverschleppung zugunsten der Unternehmen.Eine Transferunion könnte hier Abhilfe schaffen. Die Euro-Länder müssten sich auf eine koordinierte Inflationspolitik einigen, die sich an Vollbeschäftigung und Außengleichgewicht orientiert. Eine solche Transferunion würde Deutschland weitere rund 1.000 Milliarden Euro in Form von (Gratis-)Krediten an die EZB kosten. Positiv formuliert: Deutschland hat noch 1.000 Milliarden Euro Zeit, sich von seiner Exportweltmeisterei zu entwöhnen. Die Vorteile überwiegen bei Weitem: Anders als bei einem Euro-Austritt würde keine deutsche Bank Pleite gehen und die deutschen Steuerzahler müssten niemandem zu Hilfe eilen. In der Transferunion wird nicht bezahlt, sondern bloß verbucht. Die Bilanzsumme der EZB würde zwar gewaltig aufgebläht, was den Euro schwächen könnte, doch zumindest für Europas Exportindustrie wäre das gut.Kurz: Deutschland wäre der größte Profiteur einer – richtig konstruierten – Transferunion.