Wetterleuchten

Ein Präludium Wenn die Revolution nun wie das Wetter wäre und meist aus Südwesten käme

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Das Wetterleuchten kommt bei uns in der Regel aus Südwesten, von jenseits des Rheins, aus Frankreich. Von dort kamen auch - im 17. Jahrhundert - die Verheerungen, zunächst des 30jährigen Kriegs, dann der Kriege des Sonnenkönigs, zuletzt des Pfälzischen Erbfolgekriegs, die in manchen Gegenden kaum einen Stein auf dem anderen ließen. Und dann kam ein anderes Leuchten von dort: das der Revolutionen.

Wie beim richtigen Wetterleuchten war es auch in diesem Fall: man sieht das Flackern, aber das Gewitter kommt nicht; es geht etwas Wind, vielleicht ein entferntes Grollen, mehr nicht. So auch mit dem Wetterleuchten der Großen Französischen Revolution. Ihre Wirkung in den zahlreichen deutschen Ländchen blieb beschränkt. Die jungen Hegel, Hölderlin und ihr Kreis, dann die kurzlebige Mainzer Republik, ein paar etwas erschrockene Duodezfürsten… das war es. Dann kam die Zeit des großen Sohnes der Revolution, Napoleon, der diesmal allerdings keine größeren Verwüstungen in der Gegend verursachte. Stattdessen wurde aus dem Markgrafen von Baden unter kräftigem Territorialgewinn ein Großherzog gemacht, aus dem Herzog von Württemberg gar ein veritabler König. Unter der Voraussetzung der Mithilfe bei weiteren Feldzügen des Neo-Kaisers, versteht sich. Zu dieser Zeit hatte Beethoven schon die Widmung seiner Eroica an den Revolutionsgeneral verärgert gestrichen. Mit dem Kaiser wollte er nichts mehr zu tun haben.

Das nächste Wetterleuchten kam dann durch die Julirevolution von 1830; mit dem Hambacher Fest, dem Hessischen Landboten, den Göttinger Sieben nahm der deutsche Vormärz allmählich an Fahrt auf. Endgültig schlug der revolutionäre Funke 1848 über; dieses Mal wirklich und bis zum bitteren Ende des Badisch-Pfälzischen Aufstands im Sommer 1849.

Es folgte ein Jahrhundert, in dem wieder das Kanonenfeuer regierte. Die Niederlage des Dritten Napoleon gegen das unter Preußen sich einende Deutschland brachte eine weitere Revolution hervor, die im siegestrunkenen Germanien kaum mehr wahrgenommen wurde: die Pariser Commune. Nach ihrer Niederschlagung mit Billigung der deutschen Sieger (denn das gemeinsame Klasseninteresse der Bourgeoisie wirkte schon immer grenzüberschreitend, wenn die Plebs deren Herrschaft gefährdete) folgte die grausame Rache der herrschende Klasse mit Massenexekutionen von tausenden Communarden.

Das ist nun Geschichte. Zwei Weltkriege und eine deutsch-französiche Aussöhnung später scheinen uns aus Frankreich lediglich gutes Essen und Alfons zu drohen. 1968 haben wir immerhin selbst -im internationalen Kontext - mit produziert. Auch wenn auch hier wieder Frankreich am härtesten am Rand einer wirklichen Revolution stand: am 29. Mai 1968 traf Staatspräsident General de Gaulle im Baden-Badener Hauptquartier der französischen Besatzungstruppen ein, und einen Moment lang schien es, er sei auf der Flucht…

Aber es scheint auch, dass das noch nicht alles war. Gerade beginnt es wieder am Horizont zu flackern. Ein Lüftchen scheint die unerträgliche Schwüle der endlosen Nacht zu stören. Etwas Neues könnte entstehen… Scheint, scheint, könnte… hätte hätte Fahrradklingel?

#nuitdebout ...

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