555 Tage NSA Untersuchungsausschuss

NSA Ausschuss Am 20. März 2014 beschloss der 18. deutsche Bundestag die Einsetzung des NSA Untersuchungsausschusses. Was geschah eigentlich seit dem? Der Ausschuss beginnt …

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Im Juni 2013 wurde plötzlich Unglaubliches bekannt. Die USA sollen mit der Unterstützung Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands nahezu die ganze Welt abgehört haben. Es folgten im Wesentlichen zwei Arten von Reaktionen. Die erste war: „Wir wussten das doch schon, wo ist die Neuigkeit?“; Und die zweite Art der Reaktion war: Schockstarre, Verzweiflung und Paralyse.

Wohl wahr, der ECHELON–Skandal war bekannt und es war auch grundsätzlich bekannt was ECHELON war (ist?). Beim ECHELON Programm haben die sogenannten Five Eyes (USA, Großbritannien, Kanada Australien und Neuseeland) sämtlichen satellitengestützten Datenverkehr, also Telefongespräche, Faxe, andere Datenkommunikation und auch Standortinformationen, ausgeleitet und abgehört.

Am 9. Juni 2013 flimmerte nun das Bild eines hageren und unscheinbaren jungen Mannes über die Bildschirme dieser Welt. Sein Name: Edward Snowden. Er wird den Anstoß geben zu einer großen öffentlichen Empörung und Debatte, welche am 12. August 2013 vom damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla für beendet erklärt wurde. Heute wissen wir, das war lediglich der Anfang einer riesigen Staatsaffäre, die uns noch heute beschäftigt und Regierung und Parlament ins Zerwürfnis brachte.

Ein langer Weg zum NSA Untersuchungsausschuss

Beschwichtigung und Kleinreden – es ist Wahlkampf

Als der Skandal aufkam, befanden sich die Republik und ihre Parteien im Wahlkampf. Kühl durchdachte Positionen sind nicht möglich und so versuchen alle die Sache möglichst kein zu halten. Denn, wie sich später herausstellen wird, sind eigentlich alle Parteien und alle in der Regierung befindlichen Politiker irgendwie in die Sache verwickelt.

Und so fand das Thema auch Einzug ins TV Duell 2013, Komma in dem sich Angela Merkel und Peer Steinbrück gegenüber standen. Jedoch fand die #Schlandkette medial mehr Aufmerksamkeit als die Phrasen der beiden Spitzenpolitiker. So wurde hier von Steinbrück Aufklärung gefordert. Merkel versprach den Leuten vor den „Teleschirmen“, dass In Deutschland deutsches Recht gelte und eingehalten werde. Und so wird man sich dann auch schnell parteiübergreifend einig, dass es in der kommenden Legislatur, dem 18. deutschen Bundestag, einen Untersuchungsausschuss geben soll. Über die Modalitäten ist man sich jedoch auch später noch uneins.

Merkel Phone

Das so genannte #MerkelPhone erhitzte im November 2013nun auch langsam das Gemüt der Angela Merke, nun kam sie so hitzig daher, wie ein lauwarmer Grießbrei – was für die eiserne, uckermärkische Kanzlerin einen beträchtlichen Temperaturanstieg bedeutet. Natürlich ging das »Ausspähen unter Freunden gar nicht«. Nicht wenige der ausgespähten Bundesbürger waren überrascht, dass nun plötzlich der Generalbundesanwalt die Ermittlungen aufnehmen sollte und sich die eiserne Dame öffentlich, in ungewohnt scharfem Ton, an die wissenshungrigen Amerikaner wendet. Mit einem Mal wurden Untersuchungen Veranlasst, hastig wurde über die neue Diskussion debattiert.

Um die Millionen überwachter Deutscher Bürger ging es aber irgendwie nicht so recht. Merkel wird vorgeworfen, ungleich gehandelt zu haben und erst zu handeln, wenn es sie beträfe.

„No-Spy Abkommen“

Am 12. August 2013 trat der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla vor die Kameras und verkündete, dass die USA ein „No-Spy“ Abkommen angeboten hätten. Viele Kommentatoren waren damals überrascht, dass die USA dies anboten, da ein solches Abkommen eigentlich zwischen keinem Geheimdienst der Welt bestünde und Deutschland damit quasi in die Liga der Five Eyes (UKUSA Vereinbarung) aufgestiegen wäre.

Wie am 8. Mai 2015 jedoch durch den Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung bekannt wurde, hat es ein solches Angebot an Deutschland nie gegeben.

„Schengen-Routing“ & „eMail Made in Germany“

Derweilen versuchen die Deutsche Telekom und der eMail-Dienstanbieter 1 & 1, mit seinen Marken web.de und GMX, sowie Freenet einen kommerziellen Nutzen aus dem Treiben der fremden Geheimdienste zu schlagen und wollen ihren Kunden nun eine vermeintlich sichere Infrastruktur anbieten. Dazu prägen sie die Begriffe Schengen-Routing und „E-Mail Made in Germany“.

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Schengenzone Stand: AUG/2015
© CC-0 via Wikimedia

Das Schengen-Routing wird von Politikern, vor allem aus Unionskreisen stark unterstützt und erntet in der internetaffinen Schicht der Gesellschaft viel Hohn und Spott. Beim Schengen-Routing soll nun sämtlicher Internettraffic aus den Schengen Staaten auch in den Schengen Staaten bleiben, also ein Routing über USA o. ä. vermieden werden. Dabei wird jedoch vergessen, dass die Briten auch zum Schengenraum gehören und mit in dem Skandal stecken. Allerdings hat so ein Schengen-Routing noch einen weiteren kleinen Vorteil: Wenn der Netzwerkverkehr die immer über einen zentralen Knoten läuft, lässt sich der Verkehr sehr leicht und bequem von den eigenen Geheimdiensten und Strafverfolgern abhören.

Bei der E-Mail Made in Germany ist es ähnlich, Technikaffine kritisieren die drei Konzerne auch hier wieder stark. Es wird von dem Konglomerat der drei Konzerne ein Bild geschaffen, was nicht der Wahrheit entspricht. Es wirkt, als würde die E-Mail Made in Germany nun eine sichere Kommunikation bedeuten. In Wahrheit ist es aber so, dass die Mails der Kunden von 1 & 1 (GMX, web.de), T-Online und Freenet untereinander unter Umständen wirklich nicht das Land, also Deutschland, verlassen. Schreibt jedoch ein Deutscher mit GMX Konto eine Mail an einen Deutschen mit Gmail Konto oder selbstgehostetem Mailserver, ist es wahrscheinlich, dass die Mail doch über die USA geleitet wird. Also irgendwie wieder eine Mogelpackung.

Der Ausschuss beginnt

Am 20. März 2014 hat sich der 18. deutsche Bundestag dann endlich zum Einsetzen eines Untersuchungsausschusses durchgerungen. Es gingen zähe Verhandlungen voraus. Durch die schiere Größe der (wirklich) großen Koalition, hätte die Regierungskoalition aus Union und SPD auch einen Ausschuss verhindern könne, doch der öffentliche Druck war zu groß. Die Opposition, die gerade einmal ein Fünftel der Abgeordneten im Bundestag stellt, hat keine Minderheitenrechte und hätte somit auch keinen Untersuchungsausschuss erzwingen können.

Der 1. parlamentarische Untersuchungsausschuss des 18. Bundestages, wie er offiziell heißt, nahm am 22. Mai 2014 die erste öffentliche Sitzung auf und startete nun so richtig in die inhaltliche Arbeit. in dieser Ausschusssitzung hörten die Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses die zwei Verfassungsrichter a. D., Hans-Jürgen Papier und Wolfgang Hoffmann-Riem, welche zu dem Schluss kamen, dass die Praktiken der Regierung Unrecht darstellen. Die Bundesregierung müsste die Bevölkerung vor Überwachung schützen, statt sie mittels ihrer Geheimdienste zu überwachen.

Der Ausschussvorsitzende geht von Bord

Am 10. April 2014 trat der Ausschussvorsitzende, Clemens Binnigner, damals 52 Jahre alt, überraschend zurück. Neuer Vorsitzender wurde der Jurist Prof. Dr. Patrick Sensburg. Wieso Binninger zurücktrat war der beobachtenden Presse eine Zeit lang ein wahres Rätsel. Seiner Aussage nach hatte er einen Interessenkonflikt, da die Opposition gleich in der ersten Sitzung des NSA Ausschusses die Ladung und Vernehmung Edward Snowdens als Zeugen forderte. Ein vertrauensvolles Arbeiten sei so für ihn nicht möglich. Außerdem klagte er über seine Doppelfunktion als Vorsitzender des parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) und Vorsitzender der NSA Untersuchungsausschusses.

Die Läuse im Pelz

Am 4. Juli 2014 wurde öffentlich bekannt, dass der BND-Mitarbeiter Markus R. von der Bundesanwaltschaft wegen des dringenden Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit am 2. Juli 2014 festgenommen wurde. Er arbeitet beim BND in der Registratur und war für die Digitalisierung von BND Dokumenten. Es wird ihm vorgeworfen diese Stellung ausgenutzt zu haben und Unterlagen des BND, sowie des NSA Ausschusses, an die CIA übergeben zu haben. Im Zuge der Festnahme, wurde der CIA Resident in Deutschland ausgewiesen.

R. soll, wie er wohl selbst einräumt, ab dem Jahr 2012 insgesamt 218 Dokumente des BND auf USB-Sticks, bei konspirativen Treffen in Salzburg, für insgesamt EUR 25’000 an US-Geheimdienste verkauft haben.

Enttarnt wurde er, als er am 28. Mai 2014 auch den Russen in einer eMail über sein Gmail Konto seine „Leistungen“ feilbot. Dies soll der entscheidende Hinweis gewesen sein. Die eMail wurde von der Spionageabwehr des Verfassungsschutzes abgefangen. Bei der Hausdurchsuchung von R. stellten die Ermittler neben einem USB-Stick mit entwendeten BND-Papieren einen Computer sicher, der nach ersten Erkenntnissen vom US-Geheimdienst so präpariert wurde, dass R. mit seinen Auftraggebern verschlüsselt kommunizieren konnte.

Nach Einschätzung des PKGr, entgegen erster Vermutungen, der NSA-Untersuchungsausschuss Ziel der Überwachungen durch die NSA, da nur eine einzige, der 218 Akten, mit dem NSA Ausschuss zu tun hatte. Darin war eine Anweisung des BND Präsidenten, keine Akten mehr zu vernichten, da diese dem NSA-Ausschuss eines Tages als Beweismittel dienen könnten.

Der NSA-Ausschuss wird abgehört;
Schreibmaschinen sind wieder in Mode

Am 13. Juli 2014 wurde bekannt, dass US Nachrichtendienste die Arbeit des NSA Untersuchungsausschusses ausspionierten. Als Reaktion darauf wurden an alle Ausschussmitglieder Kryptohandys ausgegeben, vom Ausschussvorsitzenden, Sensburg, die Verschlüsselung jeglicher eMailkommunikation des Ausschusses gefordert und sogar eine Rückkehr zur mechanischen Schreibmaschine in Betracht gezogen. Die Beschaffung letzterer stellte sich als schwierig heraus, allerdings nicht als unmöglich.

Opposition klagt vor dem Bundesverfassungsgericht; Zankapfel Edward Snowden

Es ist der 23. September 2014, die Oppositionsfraktionen, Linke und Grüne, reichen eine Klage beim Bundesverfassungsgericht ein. Ziel ist es die Vernehmung Edward Snowdens als Zeugen zu erreichen. Die Regierungskoalition sperrt sich aus fadenscheinigen Gründen, gegen eine solche Vernehmung im Ausschuss. Die Koalitionsparteien, CDU, CSU und SPD, wollen maximal eine Anhörung Snowdens mittels einer Videoliveschaltung.
Die Oppositionsfraktionen sprechen sich gegen eine solche Lösung aus, da sie politisches Asyl für Snowden in der EU, in Deutschland, fordern. Der Mann, der die Affäre ins Rollen gebracht hat, sitzt seit über einem Jahr in Russland fest. Putin gewährte ihm in seiner „gelenkten Demokratie“, wie er sein autokratisches Regieren nennt, Asyl – ein Affront gegen die Amerikaner und ein beschämender Zustand für die westlichen Demokratien, wie die Opposition findet.

Bad Aibling: Ein Joint Venture zwischen NSA und BND

Der Leiter der BND Dienststelle Bad Aibling( Standortkarte), RU (Initialen der Tarnidentität), wurde am 25. September 2014 im Ausschuss verhört und im Anschluss der Sachgebietsleiter des BND in Bad Aibling JZ. Es sollte aufgeklärt werden, wie der BND mit den Geheimdiensten der USA, vornehmlich der NSA, und des Vereinigten Königreiches, dem GCHQ, am Standort Bad Aibling zusammen arbeitet.

Der Zeuge RU verweigerte über 50 Mal die Aussage, mit dem Hinweis auf seine Aussagegenehmigung. Nach einigen Malen fingen die Zuschauer auf der Tribüne an zu kichern, wenn er den Hinweis gab. Der Vorsitzende Sensburg musste die Zuschauer daraufhin sogar ermahnen. Er teilte dem Ausschuss mit, dass die Zusammenarbeit in Bad Aibling auf einem sogenannten Memorandum of Understanding (MoU) gründe. Nicht die Bundesregierung verhandelte diesen Vertrag. Allerdings wurde in diesem MoU geregelt welche Daten der deutsche Geheimdienst an die USA übermittelt. So ist keine demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle gegeben. Die Opposition geht davon aus, dass mehrere hundert Millionen Daten von deutschen Staatsbürgern an die NSA übergeben wurden. Der Autor Kai Biermann nannte Bad Aibling den rechtsfreien Abhörraum des BND.

Was JZ zur Aufklärung beitragen konnte, ist der Öffentlichkeit vollständig unbekannt, da er ausschließlich nichtöffentlich vernommen werden durfte. Etwas anderes erlaubte ihm der BND nicht.

Treasure Map

Die NSA möchte Schätze suchen – Datenschätze. Ende September 2014 wurde das Projekt Treasur Map bekannt. Ziel des Programms ist es eine Kartierung des gesamten Internets vor zu nehmen. So ist es Ziel der Behörde, Menschen mit ihren Geräten zu verknüpfen, diese sollen dann mit Geodaten verknüpft werden. Die NSA erhofft sich davon offenbar Bewegungsprofile zu erkennen, sowie die Gewohnheiten einer Person mit allen Geräten in Verbindung zu bringen. Auch, wenn Anonymisierungstools, wie Toroder häufig wechselnde Rechner genutzt werden.

Dazu ist die NSA in die Systeme von verschiedenen Internetprovidern eingedrungen, so zum Beispiel bei der Deutschen Telekom oder Netcologne. Ob sie mit dem Wissen der Provider in den Netzen stecken, oder ohne deren Wissen Zugang verschafft haben, ist dabei sicher im Einzelfall zu prüfen. So ist es beispielsweise bekannt, dass der BND die Deutsche Telekom zur Mitarbeit gezwungen hat.

Operation Eikonal;

Am 4. Oktober 2014 veröffentlicht der Rechercheverbund der Süddeutschen Zeitung, des WDR und des NDR eine Meldung, dass der BND Inlandsüberwachung betreibt und die Informationen / Daten an die NSA ausleitet. Der Deckname ist Eikonal. „Eikonal“ ist aus dem Altgriechischen und heißt so viel wie „Abbild“. Und genau das hat Eikonal auch gemacht. Es hat eine Abbildung des Datenverkehrs innerhalb Deutschlands erstellt. Der BND hat versucht den Traffic zu filtern um keine deutschen Staatsbürger zu überwachen, damit diese Daten dann im Anschluss an die NSA gegeben werden können. Dazu hat der BND die Deutsche Telekomgezwungen mit ihm zusammen zu arbeiten. Allerdings hat der Filter nicht richtig funktioniert. Angeblich hat er zu 95% Deutsche ausgespart. So wurden beispielsweise Telefonnummern mit „+49“, E-Mails mit „.de“ Domain und ähnliche aussagelosen Parameter dazu verwendet, als Filter zu dienen. Wer also ein Gmail-Konto oder eine „gmx.net“Endung nutzt, fiel vermutlich durchs Raster. Aus diesem Grunde entschloss sich der BND die Zusammenarbeit mit der NSA einzuschränken und genauer zu prüfen.

Allerdings konnte die NSA automatisiert Selektoren, also Suchbegriffe, in die BND Systeme einspeisen. Bei deren Prüfung fielen den BND Bediensteten immer wieder Selektoren auf, die nicht zulässig sind, so zum Beispiel Begriffe wie „Eurocopter“, „EADS“, „Airbus“, aber auch Telefonnummern und Mailadressen europäischer Politiker. Aus diesem Grund wurde die Operation Eikonal im Jahre 2005 von Seiten des BND quasi eingestellt. Die Filter des BND waren so restriktiv, dass die NSA protestierte. Sie schickte ihren damaligen NSA-Vizepräsident John C. Inglis ins Kanzleramt nach Berlin und verlangte „Kompensation“. Der BND hatte gerade Zugang zu einem „weltumspannenden“ und „global wichtigen Kommunikationsstrang“ erhalten, auf den die NSA keinen Zugriff hatte. Dank des BND wurde die NSA „stiller Partner“ und bekam die Daten.

Wie die Zeit berichtete, liefert der BND noch heute monatlich ca. 1.3 Mrd. Datensätze an die NSA. Bis heute wird erbittert im Ausschuss gestritten, ob und wer diese Selktorenliste sehen darf.

Andere Rechtsauffassungen im BND

Es ist der 9. Oktober 2014, ein eher kühler Tag in der Spreemetropole Berlin. Eine gewisse Frau Dr. F ist im Untersuchungsausschuss geladen. Was klingt wie der Name eines 90er Jahre Stars aus der Eurodanceszene, ist der Tarnname der Datenschutzbeauftragten des BND. Sie lässt tief in die Kultur des BND blicken. Die Datenschutzbeauftragte des BND, ihres Zeichens selbst Volljuristin, hatte eine gravierend andere Rechtsauffassung als der BND Präsident Gerhard Schindler. Über die fachkundige Meinung Frau Dr. Fs setzte er sich hinweg mit der Begründung, dass er der Präsident sei und es nun so gemacht würde, wie er es wolle.

Da bin ich eben überstimmt worden. Das ist meine Auffassung, dass es im Geltungsbereich des BND-Gesetzes ist. Das Justiziariat der Abteilung Technische Aufklärung und das Justiziariat der Zentralabteilung sehen das anders.
[…] Meiner Rechtsauffassung nach würden die Übermittlungsvorschriften im BND-Gesetz Anwendung finden, nach Rechtsauffassung des Dienstes nicht.
Frau Dr. F, BND Datenschutzbeauftragte

Frau Dr. F hat also eine andere Einschätzung zur Sachlage. Sie meint, dass ein höheres Datenschutzniveau, also nach BND Gesetz, nötig wäre. Das würde aber das Übermitteln der Informationen an Amerikaner und Co. verhindern. Die Datenschutzbeauftragte ist zwar unabhängig und nur dem Präsidenten untergeben. Wenn der wiederum abwiegelt und ein niedrigeres Niveau will, wird das umgesetzt. Nach dem Prinzip Ober sticht Unter. Die ganze Ausfühung von Frau Dr. F kann man im Sitzungsprotokoll der 16. Sitzung auf Seite 10, rechte Spalte, nachlesen.

Außerdem betreibt der BND rund 25 Datenbanken. Davon sind zwei Datenbanken mit Personenbezügen nicht geprüft und nicht nicht vom Kanzleramt genehmigt worden.

Da hat man keine klare Regelung gehabt, sondern man hat aufbewahrt, bis der Speicher volllief sozusagen.
– Fr. Dr. F, BND Datenschutzbeauftragte

Da es keine kleinen Regeln gab, wurde einfach alles gesammelt und gespeichert. Das ist bis zu 24 Monaten, als zwei Jahren legal. Allerdings war der BND für solch große Datenmengen nicht gewappnet und so lief der Speicher nach zwölf bis fünfzehn Monaten bereits voll und es wurde aus Platzmangel gelöscht. Bei der besagten Datenbank handelte es sich um die Systeme INBE und Veras, sowie ihre Vorgängersysteme Mira4. Von diesen Systemen werden Verbindungsdaten ausgelesen und gespeichert, so werden bis in die fünfte Schicht Sozialmodelle erstellt. Nach dem „Kleine Welt Phänomen“ kennt jeder jeden über sieben Ecken. Die Erfassung in bis zu fünf Schichten ist also sehr bedenklich, da Menschen so sehr leicht ins Fadenkreuz der Geheimdienste gelangen können, obwohl sie mit dem Grund der Datenbanken, Terror, Proliferation internationaler Drogenhandel, nichts zu tun haben.

Auf einem Nebenschauplatz spielte sich noch eine Posse der ganz anderen Art ab. Der Netzpolitik Blogger André Meister wurde Opfer einer Überwachungsmaßnahme der Bundestagspolizei. Die gesamte Sitzung über wurde er – mit fadenscheinigen Begründungen – von einem Beamten im Nacken begleitet.

Es lohnt sich wirklich das Sitzungsprotokoll des öffentlichen Teils, der 16. Sitzung des Ausschusses, durchzulesen. (Kürzere Fassung von Netzpolitik)

Weltraumtheorie

„ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.“, diesen Vers kennen wir alle von dem kleinen anarchischen Mädchen Pipi Langstrupf, allerdings wirkt es so, als würde der Bundesnachrichtendienst das kleine Punkmädchen zum Vorbild haben. Der BND vertritt zum Teil wirklich eigene bis absurde Rechtsauffassungen. So wurde am 9. Oktober 2014,im NSA Untersuchungsausschuss bekannt, dass der BND die so genannte Weltraumtheorie vertritt. Auch das wurde durch Frau Dr. F bekannt. Der BND glaubt, dass die Datenerhebungen nicht in Deutschland stattfänden, sondern am Satelliten. Der wiederum ist kein deutsches Hoheitsgebiet und somit sei der Bundesnachrichtendienst nicht dem BND Gesetz unterlegen und er könne machen was er wolle. Der Verfassungsrechtler Matthias Bäcker hingegen meint in einem Gutachten, dass die Verarbeitung und der Abgriff in Deutschland passiere und somit deutsches Recht gilt.

Ströbele in Moskau

Eine große Überraschung ist der Besuch von Christian Ströbele, MdB, am 31. Oktober 2014, bei Snowden in Russland. Die ganze Republik ist auf geregt. Die Amerikaner hingegen, sie sind nicht sonderlich erfreut darüber, dass dieser bisweilen splinige Politiker aus der Opposition nach Moskau reiste um mit Edward Snowden zu sprechen und heraus zu finden, unter welchen Bedingungen er in Deutschland eine Aussage machen würde. Snowdens Asyl in Russland war auf ein Jahr begrenzt. Viel mehr als ein Symbol war der Besuch jedoch nicht, denn die Forderung nach Asyl oder einer Aussage in Deutschland, wurde weiterhin von der Bundesregierung abgelehnt.

Funktionsträger fallen aus dem Schutz des Grundgesetzes

Ähnlich grotesk, wie die Weltraumtheorie, ist die Funktionsträgertheorie. Diese konstruiert, dass Deutsche im Ausland, wenn Sie für ausländische Organisationen, oder internationale Drogen- oder Terrorkartelle, arbeiten, keinen Schutz nach dem G10 Gesetzgenießen. Das G10 Gesetz sagt, dass Deutsche vom BND nicht überwacht werden dürfen, es sei denn die G10 Kommission im Bundestag genehmigt dies. Die Zeugen Herr TB und Frau GL nutzen diesen Begriff am 6. November 2014, häufig. Nach Rechtsauffassung des BND sind Funktionsträger keine Grundrechtsträger und können ohne Genehmigung einfach abgehört und Überwacht werden. Durch die Weltraumtheorie wird diese Theorie natürlich überfüttert und es werden Abhörpraktiken geschaffen, die die Väter des Grundgesetzes so sicher nicht wollten.

Nach der parlamentarischen Winterpause: geht es weiter mit dem NSA Ausschuss

Die Winterpause im Parlament ist vorüber, der Chaos Communication Congress auch. Der NSA Untersuchungsausschuss geht weiter.

Glotaic

Der 5. Februar 2015 förderte eine weitere Machenschaft zu Tage. Der BND betrieb einen kommerziellen Telefonprovider als Tarnunternehmen. Das Programm wurde von 2003 bis 2006 mit der CIA durchgeführt. An zwei Standorten in Deutschland, leitete der BND die Daten an die CIA aus: Frankfurt und Hilden am Rhein. Die Leistungen eines Telefonproviders wurden dabei genutzt um die leitungsvermittelten Verbindungen, also Telefongespräche, über MCI (heute Verizon) an die CIA zu übergeben. Die Ausbeute war wohl sehr spärlich, da vor der Verarbeitung Filter eingesetzt wurden, um US Bürger und Deutsche zu schützen. (Sitzungsprotokoll)

Selektoren händisch gelöscht

Am 5. März 2015 wurde der Brigadegeneral Dr. Dieter Urmann gehört, er war Leiter der Technischen Aufklärung des BND. Er sagte im Ausschuss, in manchen Operationen sei die G-10-Filterung nur händisch, in anderen maschinell – mit zusätzlichen manuellen Stichproben – durchgeführt worden. Dass dabei etwas durchrutschte, was nicht durchrutschen durfte, sei nicht auszuschließen. Einige illegale Selektoren sind von Mitarbeitern auf der Arbeitsebene eigenständig gelöscht worden. Darum stehen diese nun nicht mehr als Beweismittel zur Verfügung, da kein Löschprotokoll geführt wurde.

BND lauscht als Tochterfirma der NSA am DE-CIX

Der 26. März 2015 wird genutzt um Klaus Landefeld im NSA Untersuchungsausschuss zu hören. Er ist Leiter der Betreibergesellschaft des DE-CIX. Der DE-CIX ist der größte Internetknotenpunkt weltweit und steht in Frankfurt. Die DE-CIX Betreibergesellschaft unterhält aber auch einen großen Knoten in Hamburg, von dem aus Kabel nach Amerika und Großbritannien verlaufen.

Bei dieser Sitzung wurde erichtet, dass der BND den DE-CIX zur Zusammenarbeit zwang und dem DE-CIX eine Geheimhaltungspflicht auferlegt. Der BND interessierte sich nicht nur für Verbindungen ins Ausland und zwischen dem Ausland, sondern auch für Verbindungen in Deutschland.

Die sogenannte 20%-Regel, nach der der BND nur ein Fünftel des Verkehrs abhören darf, hält der BND faktisch nicht ein. Kein seriöser Provider laste seine Leitungen 30 bis 40% aus. Damit lauscht der BND viel mehr ab als man gemeinhin denkt. Außerdem hört der BND nicht 20% des Datenaufkommens ab, 4 TBit/s, sondern 20% der Übertragungskapazitäten in Höhe von 14 TBit/s (Stand: 09/2015)!

Landefeld sagte, dass den sichersten Schutz gegen eine Überwachung eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Inhalte biete. Das sei „das einzige, was hilft. Alles andere ist illusorisch“.

Moneyshoulder

Wie am 1. Mai 2015 bekannt wurde, hat der Bundesnachrichtendienst (BND) offenbar ohne Wissen des Kanzleramts eine Geheimdienstkooperation mit ausländischen Partnerdiensten geplant. Um an die DE-CIX Daten zu gelangen bot das britische GCHQ dem BND ein Erfassungs- und Verarbeitungssystem an. Der BND sollte es benutzen um Transitleitungen, die durch Deutschland gehen, anzuzapfen und die Rohdaten an das GCHQ zu übermitteln. Im Gegenzug wollten die Briten ebenfalls Auslandsdaten anliefern. Der BND wollte offenbar, als Dritten im Bunde, die amerikanische NSA zu Mithilfe motivieren.

Das Projekt, mit dem Namen Monkeyshoulder, wurde trotz politischer und juristischer Bedenken im BND bis ins Jahr 2013 vorangetrieben. Die Mitarbeiter gingen sogar noch im August 2013 zu einer Schulung in Großbritannien, das waren ca. zwei Monate nach den Snowden-enthüllungen. Intern galt es niemanden extern zu informieren offenbar nicht einmal die Geheimdienstkontrolleure im Bundeskanzleramt.

Causa Vorbeck

Am 13. Mai 2015 brodelte nun ein weiterer Skandal ans Licht der Öffentlichkeit. Ein hochrangiger Beamter des Bundeskanzleramtes wurde 2011 versetzt, nachdem ihn amerikanische Geheimdienste bei seinen Vorgesetzten angeschwärzt hatten. Er war in der Geheimdienstabteilung des Kanzleramtes, der Abteilung 6, für die Pressekontakte zuständig.

Diesen Dienstposten sollte er im Sommer 2011 verlieren. Angeblich hätte er vertrauliche Informationen an die Presse durchgestochen haben. Allerdings: Das war seine Aufgabe, als Pressebeauftragter. Sein Vorgesetzter, Günther Heiß, bekam Besuch von einem US Geheimdienstmitarbeiter, der ihm bei einem Spaziergang im Park, verkündete, dass Vorbeck ein „Maulwurf“ sei. Im August 2011 konnte Heiß dann durchsetzen, dass Vorbeck in Zukunft lediglich die Aufarbeitung der BND–Historie vornehme. Nun sitzt Vorbeck im BND–Archiv. Vorbeck ließ dies jedoch nicht mit sich machen und klagte vor dem Bundesverwaltungsgericht, weil er die neue Stelle nicht für angemessen hielt. Er musste nun zumindest partiell in die Abteilung 6 reintegriert werden.

Was die Sache noch brisanter macht, ist die Tatsache, dass die US Dienste nun unweigerlich zugegeben haben, dass sie auch in Deutschland spionieren, denn wo die Informationen her stammen, ist recht offensichtlich: Die US Dienste müssen im Kanzleramt und / oder dem Umfeld der Bundesregierung spionieren. Offenbar hat die CIA den SPIEGEL überwacht und so erfahren, dass in Hintergrundgesprächen mehr aus der Abteilung 6 sickerte, als dem Geheimdienst lieb war.

Hans-Christian Ströbele, Bundestagsabgeordneter der Grünen, hat nun beantragt, den Fall im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) zu behandeln. Auch Vorbeck will er dazu anhören.

Dieser Artikel ist zuerst am 7. September 2015 im Teleschirm Blog erschienen.

Vielen Dank an Netzpolitik.org.
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