Der betörend burschikose Minister der Verteidigung klappt in Lehrer-Lämpel-Stellung: "Sie sind ja nicht mehr Starfighter-Pilot. Ich kann Ihnen nicht befehlen, ich kann nur anregen zu beginnen!" Der derart Motivierte setzt sich ans Lesetischchen. Rechts von ihm ein Lederohrensessel-Triumvirat. Beidseitig Grüße aus El-Alamein: kräftige Topfpalmen. Jochen Missfeldt wird lesen. Kampfpilot der ersten Stunde, Staffelkommandeur zuletzt, dann, mit einundvierzig, pensioniert, der "Titanvogelmann" ( erschauernd die Berliner Zeitung ), wie alle, denen das Glück beschied, die F-104 zu überleben, und jetzt schenkte er uns, bevor die deutschen Literaten auch nur ernsthaft begonnen hatten, die an uns verübten Verbrechen aufzuarbeiten, den großen Bundesflieger-Roman Gespiegelter Himmel. Aus dem er vortragen wird. Hier im Ministerium, im Gäste-Kasino des Bendlerblocks.
Missfeldt, auf Fotos mit dem entschlossenen Blick eines Kommandeurs, der Moskau ins Auge fasst, erscheint auf der Bühne durch Brillenzwang bürgerlich gemildert. Und vielleicht ist es eine daher rührende Unsicherheit, die ihn damit kokettieren lässt, dass sonst bei seinen Lesungen, vor intimen Hörbereitschaften, 80 Prozent Frauen sich befinden, aber ja auch heute, unter den vielleicht zweihundert Geladenen, angemessen viele fesche Frauen auffallen. Da schmunzeln die Uniformträger im Saale kenntnisreich.
Missfeldt liest.
Oben im Kopf werden dem Minister die Äuglein klein, von unten stützt seine weiche Hand das Haupt wie im Hinterhersinnen. Geschickt und schön! Selbst der Mund bleibt so verschlossen. Nur einmal zuckt er zusammen, als Missfeldt von der Freude berichtet, endlich in neue Schleudersitze sich kuscheln zu können, "das Beste vom Besten", - damals. Und während er über die Wüste von Texas jodelt, oder über dem Jadebusen katastrophische Wetter ihm alles abverlangen, zieht´s durchs halbwache Ministerhirn: So hätte es sein müssen: Mit dem Starfighter ins Watt, statt mit dem Rad in den Graben. Da stünde er heute anders da. Aber dann, man unterschätze ihn nicht, wieder Notizen wie Zielfeuer in den Oberbefehlshaberblock.
Zum Werk des Abends nur so viel: Ein sentimentaler Schmarren, hochgelobt von den Militaristen aller Gazetten. Nah an der Stuka-Sektion der Landser-Romane. Mit pflichtstrammen Ausflügen in deutsche Familiengeschichten, die sich anhören wie knoppsche Drehbuchtexte zu "Flucht und Vertreibung nur wegen dem Hitler" - Serien. Mit prallen Blüten, wenn beispielsweise einem notwassernden Piloten empfindlich kalt im Hirn wird, und in ihm sofort die Assoziation Das-war-eine-andere-Kälte-als-die-bei-den-Kälteversuchen-im-KZ-Dachau herumknistert.
Wem bloß hatte ich diese Einladung zu verdanken, die Mühen, aus meinen Garderoberuinen eine Art "Straßenanzug" zu pfriemeln!?
Dann stopfen Minister, Dichter und Franz H. U. Borkenhagen, Leiter Presse- und Informationsstab, das Sesseltriumvirat. Kalte Fragenasche rieselt aus dem borkenhagenschen Urnenmund. Null Reaktion. Urplötzlich ein hellwacher Überraschungsangriff des Ministers der Verteidigung: Was denn der Dichtersoldat so zu Raketenstationierung, Arbeitslosigkeit, Umweltproblematik fühle oder gar zu sagen habe, oder, andere Frage: zur Tradition der Bundeswehr? Winden des Recken, der gelegentlich vermelden lässt, dass er, quasi in Bendlerblock - Tradition, von "Agent Orange und solchen Sachen" weiland nichts mitbekommen habe, ihm Politik Blech sei, angesichts des Titans: "Ich kann da keine gute Antwort geben" druckst der Flugheld. Meisterlich kontert der erblühende Minister: "dann geben sie eine schlechte!" Und dann erzählt er von 68, wie er als Jungsozialist einmal von der Mutterpartei ausgeschlossen worden war, weil er - die Starfighter stürzten nur so vom Himmel - in Lahnstein, anlässlich eines Konzertes des Heeresmusik-Korps, aufrührerische Flugblätter verteilt hatte, die alte revisionistische Forderung "Bildung statt Rüstung" variierend. Welch glückliches Land, in dem der Minister der Verteidigung die kritische Instanz verkörpert! Zog da ein Hauch von Entfremdungskälte durch den Saal?
Der Oberbefehlshaber ging wieder zum Befehlen, rechts und links öffneten sich die Türen zur Tomatensuppe. Der Mosel-Riesling ( extra-trocken ) "Gästekasino Bendlerblock" war o.k. Im Schnittchenbereich wurde der Sparzwang offensichtlich: mit dem Fingerhut ausgestochen! Jedoch vorbildlich geflaggt. Von weißem Handschuh nahm ich eins, das höher war als breit. Es schmeckte nach Lachs.
Oben brach das Oberlicht, und unten brachen wir.
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