Der Wahn – die Guten zu sein

Kulturelle Selbstkritik (Kulturelle) Kritik-Kompetenz ist die unverzichtbare Voraussetzung für (globale) Kooperation auf gleicher Augenhöhe

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Der folgende Text stammt aus meinem Buch, „ErkenntnisLandschaft, Vielsicht – Einsicht – Weitsicht“, erschienen am 8.10.2020.

Der Wahn – die Guten zu sein

Auf der Seite der Täter und der Betroffenen

ist der zentrale Grund für die Gewalt

die ungeprüfte Überzeugung,

den Guten anzugehören

und grundsätzlich

das Richtige

zu tun

!

Die meisten Menschen im Westen sind felsenfest davon überzeugt, dass sie im Gegensatz zu den angeblichen Desorientierten und Schurken auf dieser Welt zu den Guten gehören: dass ihre Kultur, dass ihr Denken und Handeln, dass ihre Werte und ihr Umgang miteinander der Maßstab für alle anderen Menschen sein sollte, dass ihr Gott der einig wahre ist. Sich selber und ihre Politik halten sie für modern, erfolgreich und friedliebend.

Dabei ist die Wirklichkeit eine völlig andere: Unter dem Deckmantel, Freiheit, Demokratie und Fortschritt in die Welt zu bringen, verfolgten und verfolgen Europäer und Nord-Amerikaner in Wirklichkeit eiskalt ihre eigenen Interessen: Ökonomisch und geostrategisch, gesellschaftlich und militärisch. Wer als Freund nicht mitmacht, wird als Feind bekämpft.

▪ Beispiel: Die Unterjochung anderer Völker

Es gibt keinen Kulturraum, der mehr Krieg und Leid in die Welt gebracht hat als der der abendländisch europäische. In Ihrer Gier nach immer mehr Reichtum und Macht unterjochten die europäischen Eroberer in der Zeit zwischen 1500 und 1920 die Mehrzahl der Regionen und Völker dieser Erde. Dabei gab es kaum eine Form von Verbrechen, von Zwang, von Gewalt und Versklavung, die im Laufe der Zeit nicht angewandt wurde.

Historisch gesehen zählt das Christentum mit zu den gewalttätigsten Religionen. Es war mehr Schwert als Liebe, mit der der Glaube verbreitet wurde – einhergehend mit der Überzeugung, von Gott auserwählt zu sein.

▪ Beispiel: Der Krieg gegen den Terror

2001 haben die USA den Krieg gegen den Terrorismus ausgerufen. Heute (2020) – ca. 2,4 Billionen US-Dollar später, mit ca. 2-6 Mio. überwiegend muslimischen Toten (die Zahl der nicht muslimischen Opfer ist im Vergleich dazu sehr gering) – sind die Gefahren nicht kleiner sondern eher größer. Die USA haben bei Weitem das größte Militärbudget, besitzen weltweit ca. 95% aller Militärstützpunkte (etwa 1.000) und haben bisher als einzige Atombomben gezündet und damit Hunderttausende getötet.

Wer will da noch an angeblich friedliche Absichten des Westens glauben?

▪ Schlechtes Beispiel [Anm.: Vorbild]: Bestimmen fortan die Nachahmer?

Niemand sollte sich heutzutage darüber wundern, wenn andere Völker und Nationen dem mit allen Mitteln nachzueifern versuchen, um selber nicht mehr länger Opfer der verheerenden Interessen-Politik des Westens zu sein, sondern selber endgültig vom Amboss zum Hammer zu werden.

Wie viele Jahrhunderte fände dann das Gleiche unter anderen Vorzeichen statt? Gibt es eine Chance, diese klar logische Entwicklung aufzuhalten?

► Sollte der Westen möglichst zeitnah verstehen, welch Leid und Unglück er neben natürlich auch dem Positivem in die Welt gebracht hat, sollte er ehrlichen Herzens glaubhaft und für jeden nachvollziehbar seine Schuld einsehen und alles dafür tun, zumindest in Gegenwart und Zukunft sich aufrichtig um das Wohl aller zu kümmern, nur dann bestünde evtl. die einzige Chance, auch andere bei diesem Erkenntnisprozess mitzunehmen. Eine Garantie für das Gelingen gäbe es nicht, wohl aber eine authentisch ehrliche Einladung zu einer ausgewogenen und friedlicheren Welt.

Anmerkung: Aus aktuellem Anlass die folgenden zwei Zitate für die voreingenommenen Wirklichkeits-Verweigerer hier im Forum, die ihre eigene völlig eindimensionale Sicht auf andere projizieren und die trotz Widerspruch an ihrer Überzeugung, absolut im Bilde zu sein, verbissen festhalten:

▪ »Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius null - und das nennen sie ihren Standpunkt.« (David Hilbert, 1862-1943, fälschlicherweise Einstein zugeschrieben, s. falschzitate.blogspot.com)

▪ »Meist nur für den Nebenmenschen ist die Dummheit eine Last, denn der wack´re Dumme selber trägt sie würdig und gefasst.« (frei nach Christa Keller-Corvinius, 1922-2018, – weitere Informationen siehe unter dem Stichwort „Dunning-Kruger-Effekt“)

Fazit: Ein gleichwertiges Miteinander von Menschen, Staaten und Kulturen ist die unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass die elementaren Aufgaben im 21. Jh. erfolgreich angegangen werden können. Jedwede uneinsichtige einseitige Missionierung seiner ureigenen Sicht (individuell – lokal – regional – national – kulturell) stellt eine Gefahr für das gemeinsame Gelingen dar und bedarf deshalb unverzichtbar einer glasklaren, unmissverständlichen Entgegnung, was genau nichts mit Diskriminierung oder kultureller Vermessenheit zu tun hat. Wer eine derartige Haltung scheut, untergräbt indirekt das Gelingen globaler Kooperation. Die Achtung einer anderen Kultur und deren Menschen, befreit in keiner Weise von konstruktiver Kritik, denn „Idioten“ gibt es überall.

Angemessenheit – als Ergebnis aus Vielsichtigkeit und Globaler Intelligenz – ist die Losung für einen jeden am Prozess Beteiligten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Insel-Banker

Es ist keine Kunst, Sand im Getriebe zu sein, aber es ist ein unschätzbares Vermögen, wichtige Entwicklungen mit anzutreiben.

Insel-Banker

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