Feedback – Motor des Gelingens

Kritik- und Lernkompetenz Keine gelingende Kooperation auf gleicher Augenhöhe ohne beide Fähigkeiten!

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Manchmal braucht das Neue die Vernichtung des Alten

Vorbemerkung: Im folgenden Text wird der Begriff „angemessen“ achtmal und der Begriff „unangemessen“ zweimal benutzt. Dies geschieht ganz bewusst, um im jeweiligen Sinnzusammenhang anzudeuten, dass es keine starren Vorgaben geben kann, sondern dass sich bezogen auf die jeweilige konkrete Situation um Angemessenheit (um Verhältnismäßigkeit) bemüht werden muss. Maßnahmen sollten idealerweise passen und stimmen, als lediglich nur gut gemeint zu sein. Angemessenheit ist angesichts der Dynamik menschlichen Zusammenlebens und der Unterschiedlichkeit der Menschen stets eine ungefähre Größe, der man sich aber durch das Berücksichtigen möglichst vieler, auch vermeintlich gegensätzlicher Aspekte und durch das situationsbezogene Abwägen dieser verschiedenen Aspekte annähern kann. Im Zusammenhang mit kooperativen Prozessen ist die ehrliche Bemühung um Angemessenheit von allen Beteiligten unerlässlich, da sonst gleichwertige Kooperation („Kooperation auf gleicher Augenhöhe“) nicht erreichbar ist und auf Dauer als Ganzes in Frage gestellt wird. Der Begriff der Angemessenheit soll also dazu verleiten, so tief wie möglich in einzelne Situationen einzudringen, um möglichst fruchtbar zum Gelingen beitragen zu können.

Die meisten technischen Geräte, zum Beispiel eine Waschmaschine oder ein Auto, verfügen heutzutage über so genante Regelkreise, zum Beispiel bei der Regelung der Temperatur. Durch Rückmeldung des Istzustands und Vergleich mit dem Sollzustand wird (falls notwendig) eine entsprechende Anpassung (= Rückkoppelung) eingeleitet.

Einen derartigen Prozess kann man auch als Feedback, als Rückmeldung, mit dem Ziel der angemessenen Anpassung bezeichnen.

Geht es um Kooperation auf gleicher Augenhöhe, geht es also um gleichwertige Kooperation (nicht unbedingt gleich, aber gleichwertig), bei der jeder seinen Teil (bestmöglich entsprechend des eigenen Vermögens bzw. der eigenen Fähigkeiten) beiträgt, dann sind Kritikkompetenz und Lernkompetenz unverzichtbare, elementare Bausteine.

Kritikkompetenz umfasst:

▪ als Grundlage selbstverständlich das zu einer Kritik entsprechend notwendige inhaltliche Wissen, die Wahrnehmungskompetenz (Kenntnisse von der grundsätzlichen Begrenztheit der eigenen Wahrnehmung) und die Fehlerkompetenz (die Bereitschaft und Fähigkeit eigene Fehler zu erkennen, anzuerkennen und zuzugeben, bis hin zur Entschuldigungs-Bereitschaft),

▪ die Fähigkeit zur angemessener (tabuloser) Selbstkritik,

▪ die Fähigkeit, mit der konstruktiven Kritik (mit dem Feedback) anderer angemessen umzugehen (differenziert erörtern, Zutreffendes erkennen und anerkennen oder auch begründet partiell oder im Ganzen widersprechen),

Anmerkung: individuelle oder auch kulturelle Egozentriker (aus welchen Gründen auch immer: vom Narzissten bis hin zum Propagandisten) sind zum angemessenen Umgang mit Fremdkritik meist nur sehr eingeschränkt oder auch gar nicht in der Lage. Selbstkritik ist ihnen häufig fremd. Der Umgang mit ihnen ist oft äußerst schwierig und verlangt nicht nur Fingerspitzengefühl, sondern häufig auch eine glasklare eigene Positionierung, vor allem, wenn Dritte im Spiel sind.

▪ die Fähigkeit, andere konstruktiv in angemessener Weise (respektvoll und glasklar, differenziert und begründet, in der Regel nicht diffamierend, bei prinzipieller Uneinsichtigkeit inhaltlich in aller Deutlichkeit, zu kritisieren,

▪ die Möglichkeit, andere für etwas zu kritisieren, für das man sich selber allerdings auch kritisieren muss und dieses unverzichtbar auch tut,

▪ die wichtige Überwindung eines eigenen unangemessenen Harmoniebedürfnisses und einer möglicherweise übertriebenen Menschenfreundlichkeit, da ausbleibendes angemessenes Feedback durchaus negative Folgen haben kann (Beispiel s. u.).

Die Kritikkompetenz ist eng verzahnt mit der Lernkompetenz.

Lernkompetenz umfasst:

▪ die grundsätzliche Bereitschaft aus neuen Erkenntnissen angemessen zu lernen,

▪ die grundsätzliche Bereitschaft neue Erkenntnisse infolgedessen angemessen in die / in der Praxis umzusetzen,

▪ die emotionale und kognitive Kapazität bzw. Kompetenz dieses zu leisten.

► Fazit

Kritikkompetenz ohne Lernkompetenz ergibt keinen Sinn. Gleichwertige Kooperation braucht beide Aspekte bei allen beteiligten Kooperationspartnern, wenn die Kooperation denn gelingen und auch auf Dauer fruchtbar sein soll. Dies gilt im Kleinen (individuell) wie auch im Großen (kulturübergreifend und global).

In dem Augenblick, in dem sich einer der Kooperationspartner verschließt und quasi kritikresistent auf seiner Sicht der Dinge als alleinig zutreffend beharrt, kann Kooperation mit diesem „Nicht-mehr-Kooperations-Partner“ nicht mehr befriedigend funktionieren, was nach den Voraussetzungen für gelingende Kooperation zwangsläufig zum Abbruch der Kooperationsbemühungen führen muss.

Man kann bei einem anderen keine Kritikbereitschaft erwarten, wenn man selber keinerlei Kritikbereitschaft mit entsprechender Einsicht zeigt. Kritikkompetenz und Lernbereitschaft im Rahmen von Kooperation dürfen niemals eine Einbahnstraße sein. Ebenso verbietet Kritikkompetenz grundsätzlich unangemessene, angriffsvolle Reaktionen (z. B. Whataboutism).

Geht es um kulturübergreifende Kooperation, dann kommt auch diese nicht ohne das entsprechende Wissen und das angemessene Feedback aus. Aus meiner Sicht ist es falsch verstandene Menschenfreundlichkeit, wenn man aus persönlicher Befindlichkeit oder aus übertriebener Rücksicht heraus auf notwendiges Feedback verzichtet.

Beispiel „Der schmatzende und schlürfende chinesische Professor und seine deutschen Mitesser“:

Noch heute mache ich mir Vorwürfe, dass ich vor langer Zeit einem chinesischen Professor, der etwa für zwei Wochen einer mit Deutschen besetzten Mittags-Tisch-Gemeinschaft beiwohnte, aus völlig falsch verstandener Toleranz und Menschenfreundlichkeit, nicht darauf hingewiesen habe, dass man in einem deutschen Kontext beim Essen nicht laut schmatzt und auch die Suppe nicht aus dem an den Mund geführten Suppenteller schlürfend zu sich nimmt.

Ich empfinde mich im Nachhinein als mitverantwortlich dafür, dass sich dieser hochgebildete Mann mit seinen landestypisch chinesischen Tischsitten bei den diesbezüglich völlig unerfahrenen deutschen „Mitessern“ der Lächerlichkeit preisgegeben hat.

Nach dessen Abreise war es nahezu unmöglich das „Bild“ dieses chinesischen Professors bei den deutschen Tischnachbarn gerade zu rücken. Im Gegenteil, für die war ein neuer Tischspaß geboren.

Auch, wenn ich für diesen Professor in keiner Weise verantwortlich war, so wäre es meine fürsorgliche Menschenpflicht gewesen, diesem netten Menschen nach dem Essen ein freundliches, erklärendes Feedback zu geben – und zwar direkt am ersten Tag. Ich hatte nicht den Mut bzw. war zu bequem dazu.

Oft trauen sich Menschen nicht – aus welchen persönlichen Gründen auch immer – einen anderen Menschen zu kritisieren. Die eigene Angst und das Harmoniebedürfnis überwiegen, Menschenfreundlichkeit wird meistens vorgeschoben.

Angemessenes Feedback ist nicht nur notwendig, sondern kann bei angemessener Nutzung die Kooperation von Menschen nur beflügeln. Kein Fortschritt ohne Feedback!

Anmerkung: Für mich stellt es ein Highlight kulturübergreifenden Austauschs dar, wenn man mit Respekt, mit gegenseitigem Vertrauen und mit Klarheit gemeinsam über die jeweiligen kulturellen Verschrobenheiten lachen kann, ohne dass auch nur einer sich gedemütigt fühlt. Stattdessen liegt Bereicherung in der Luft, dadurch dass das Anderssein des anderen längst inhaliert und eine völlig gleichwertige Begegnung zweier oder mehrerer Menschen entstanden ist. Wie inspirierend ist es, wenn Menschen zusammen das Verbindende erfahren und das Unterschiedliche gemeinsam kritisch beleuchten können!

Tja, wir sind alle Menschen, deren Vorfahren sich an den entsprechenden Lebensraum angepasst und diesen nach eigenen Vorstellungen gestaltet haben. Diese Vielfalt ist Bereicherung, wenn man sich darauf einlässt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Insel-Banker

Es ist keine Kunst, Sand im Getriebe zu sein, aber es ist ein unschätzbares Vermögen, wichtige Entwicklungen mit anzutreiben.

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