Höhere Fehlerquote bei fehlender Fehlerkultur

Einsehen und Zugeben? Achtung Systemfehler: Begriffe und assoziiertes Verhalten sind nicht bekannt.

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So ne Scheiße, wenn man sich veräppeln lässt!

Schwierige Selbstsicht

▪ Es zählt zu den bedeutenden kognitiven Errungenschaften der Menschen, nicht nur über den eigenen Tellerrand hinauszublicken, sondern dann auch noch zurückzuschauen zu können und den eigenen Standpunkt von außen selber kritisch zu betrachten.

▪ Gekrönt wird diese Fähigkeit, wenn man aus den gewonnenen Erkenntnissen dann auch noch die angemessenen Schlüsse zu ziehen vermag und diese künftig in seinem Denken und Handeln berücksichtigt.

▪ Da das den meisten Menschen äußerst schwer fällt, können konstruktive Hinweise durch Nahestehende, wenn man für Kritik denn überhaupt empfänglich ist, als wegweisende Horizonterweiterung sehr wichtig sein.

▪ Was für die nahen Verwandten der Menschen, was für die Schimpansen das stundenlange Ritual des Lausens ist, das nicht nur das Fell, sondern auch die Freundschaft pflegt, das ist für den Menschen das vertrauensvolle Feedback, das unter Freunden gegenseitig unverzichtbar ist.

▪ Oft ist es ein aufgeblasenes Ego, das so viele darauf verzichten lässt. Worauf aber legt man Wert in Zukunft, auf sein Ego oder auf seine ungetrübte Sicht? Ist der eigene Fortschritt überhaupt ein angestrebtes Ziel?

Fehlerkultur

Im Unterschied zu manch asiatischer Kultur werden das Machen und das Eingestehen von Fehlern, möglicherweise sogar mit einer Entschuldigung verbunden, in westlichen Ländern nicht (automatisch) mit Gesichtsverlust gleichgesetzt.

Laut Pädagogen und modernen Wirtschaftswissenschaftlern sollte sogar eine Kultur des Muts zu Fehlern und das anschließende Daraus-Lernen vorherrschen und die Abläufe bestimmen. Fehler zu bestrafen ist inzwischen absolute old school.

Aus der "Nahtodforschung" weiß man im Zusammenhang mit möglichen "Lebensfilm-Erfahrungen", dass Fehler menschlich und grundsätzlich nichts Schlechtes sein sollen, wohl aber, wenn man nicht aus ihnen lernt und die gleichen Fehler immer wieder macht.

Wie aber sieht die heutige, z. B. bundesdeutsche Wirklichkeit aus?

Gibt es eine gelebte Fehlerkultur zum Beispiel hier im Forum – das allerdings fraglos keinen repräsentativen gesellschaftlichen Querschnitt darstellt?

Bei wie vielen Foristen stößt man auf die Bereitschaft, im Laufe einer ernsthaft mit Argumenten geführten Erörterung, sich als fehlerhaft herausgestellte Sichtweisen zu erkennen und zweifelsfrei als falsch anzuerkennen?

Wie oft erlebt man eine ernst gemeinte Entschuldigung nach z. B. einem zu Unrecht überzogenem persönlichen Fehlverhalten?

Oder trifft man nicht eher auf allerlei Abwehrmechanismen, wenn die geeigneten eigenen Argumente ausgegangen sind oder auszugehen drohen:

1) Das Hochfahren aller zur Verfügung stehenden, möglichst auch aggressiven Abwehrmechanismen, das inhaltliche Bombardement mit einer Vielzahl an Gegenargumenten (deren Wahrheitsgehalt jeweils genauer einzelner Überprüfung bedürfte) und das unentwegt auf die Persönlichkeit gerichtete hyperaktive Wadenbeißen, da aus einer zumeist narzisstischen Haltung heraus die Bejahung einer zutreffenderen Sicht des Gegenübers und das daraus folgende Anerkennen eigener Fehlsichten als absolut unerträglich erfahren werden und deshalb fast nie vorkommen. Narzissmus einhergehend mit Egozentrik sind das völlig unterschätzte Gift jedweden fruchtbaren Miteinanders;

2) das Totschweigen der Richtigkeit der anderen Argumente, das Nicht-mehr-Reagieren, das geschickte Umschiffen des betreffenden Sachverhalts, die plötzliche Fokussierung auf andere Gedankenstränge, der grundsätzliche Themenwechsel, das Beenden der weiteren Erörterung ohne jedwede Vorankündigung etc.;

3) das Ausweichen in Oberflächlichkeit und Trivialität, ins Seichte und Lächerliche, in billige Polemik etc.;

4) das Aufblasen von Whataboutism, also von inhaltlichen Gegenangriffen, die mit der bisherigen thematischen Erörterung nichts oder nur ganz wenig zu tun haben, dafür aber um so reichlicher aufgetischt werden, mit sämtlichen Links, die sich bei kurzer Google-Recherche mal soeben finden lassen, Hauptsache das Gegenüber wird möglichst eindrucksvoll zugetextet, so dass es für den Rest möglichst eingedeckt ist;

5) persönlich diskreditierende Angriffe, bei denen Inhalte erst gar nicht mehr zählen?

Würde man hier im Forum oder woanders suchen, fände man sicherlich noch weitere Reaktionen anstelle der eigentlich notwendigen eigenen Fehler-Einsicht.

▪ Wie aber sollte man als betroffene Person handeln, wenn man derart „veräppelt“ wird?

1) Sich nichts anmerken lassen?

2) Ebenfalls das Thema wechseln und z. B. bei der dann oft folgenden "seichten Unterhaltung" mitmischen?

3) Als Menschenfreund sich das Ganze irgendwie schöndenken und nach außen hin schönreden, damit die zwischenmenschliche Harmonie erhalten bleibt und sich keiner umgekehrt (um bei der Fäkalperspektive zu bleiben) angepisst fühlt?

4) Oder sollte man sich als um ernsthafte Erörterung Bemühter mit entsprechender Vorankündigung dann von der gemeinsamen Erörterung abwenden, weil diese es nicht mehr bringt (nicht aufgrund anderer Argumente, sondern aufgrund des Verlassens einer seriösen Erörterungsebene)?

5) Würde es sich etwa um eine übertriebene, vorurteilsbeladene Reaktion handeln, wenn man sich besonders nach Wiederholungen derartigen Verhaltens erst gar nicht mehr auf entsprechende Diskutanten einließe?

6) Ist es menschlich gesehen verwerflich, wenn man trotz eigenen Humors in solch einem Kontext der seichten Unterhaltung in der Regel nichts abgewinnen kann und jedweden Selbstdarstellungen sowieso nicht?

Fazit - die Finale Frage: Wäre es zum Beispiel in solch einem Forum im Interesse des Erkenntnisgewinns nicht weitaus sinnvoller, zumindest parallel zur seichten Unterhaltung, eine Fehlerkultur zu kultivieren, die eben nicht weitere Fehler beflügelt, sondern das gemeinsame Lernen aus erkannten Fehl-Sichten?

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Was für ein Mist!

FehlerKompetenz

▪ Irrtümer und Fehler sind menschlicher Alltag und beileibe kein Gesichtsverlust.

▪ Aus Fehlern zu lernen, bedeutet Stärke, Bereicherung und Fortschritt.

▪ Fehler zu wiederholen, bedeutet Schwäche, Verarmung und Stagnation.

▪ Fehlende FehlerKompetenz ist ein verhängnisvoller Fehler, vor dem man sich bewahren kann, wenn man selber Fehler sucht, erkennt und anerkennt, wenn man konstruktive Kritik anderer berücksichtigt, wenn man Fehler korrigiert und künftig vermeidet.

▪ So ist man zwar nicht fehlerlos, aber um wesentliche Erkenntnisse reicher und wird zunehmend besser in seinem Tun.

▪ Wenn Menschen fruchtbar zusammenarbeiten wollen, ist praktizierte FehlerKompetenz unverzichtbar.

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Geschrieben von

Insel-Banker

Es ist keine Kunst, Sand im Getriebe zu sein, aber es ist ein unschätzbares Vermögen, wichtige Entwicklungen mit anzutreiben.

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