Raus aus dem ewigen Grundrauschen!

Fernsehkultur Donnerstag startet die neue Show von Jan Böhmermann auf ZDFneo. Im Hauptprogramm baut das ZDF weiter auf Altbewährtes. Doch ein wenig mehr Mut wäre dringend notwendig

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"Bei Jan Böhmermann machen die Zuschauer eher die Tür zu", stellte ZDF-Unterhaltungschef Oliver Fuchs vor kurzem auf den Münchener Medientagen fest. Er zielte damit auf die Tauglichkeit des 32-jährigen Entertainers ab, auch im Hauptprogramm des ZDF mit einer eigenen Show an den Start zu gehen. Vielmehr wolle man zum Beispiel mit der Rückkehr Johannes B. Kerners und der Platzierung weiterer Unterhaltungsshows ein "Grundrauschen" erzeugen, das die Zuschauer beim ZDF halten soll.

Ein Grundrauschen also ist das Ziel der Programmverantwortlichen vom Lerchenberg. Ein ewig gleiches, monotones Geräusch ohne Höhen und Tiefen, ohne messbare Ausschläge in der Hertzfrequenz. Ins Fernsehprogramm übersetzt bedeutet dieser Zustand demnach immer wieder Quizshows, Groschenroman-verfilmungen und deutsche Krimiserien, deren Piefigkeit und Vorhersehbarkeit im internationalen Vergleich unerreicht scheinen. Eine solide, altbewährte Strategie, die die letzten 50 Jahre unbeirrt durchgezogen wurde und dem Sender weiterhin Spitzenplätze bei den Gesamtmarktanteilen bringt. Doch Hand in Hand mit seinem Stammpublikum ist das ZDF merklich gealtert. In der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen wird der Mainzer Sender regelmäßig von den großen Privaten auf die hinteren Plätze verwiesen. Da hilft es auch nichts, die anachronistischen Volksmusik-Sendungen vom Programmablauf zu verbannen. Ob die vage Idee zusammen mit der ARD einen gemeinsamen Jugendkanal aufzubauen, an der Situation irgendwas ändert, bleibt zu bezweifeln. Im Gegenteil: Die Öffentlich-Rechtlichen entfernen sich mit ihren Kernprogrammen eher vom jungen Publikum, als dass sie darauf zugehen würden. Und mit jungem Publikum sind nicht nur Teenager, sondern ist auch die Generation gemeint, die einst mit ihren Eltern auf dem heimischen Sofa Thomas Gottschalks erste Schritte bei Wetten, dass..? oder die Geburt des ersten deutschen Musiksenders Viva miterlebten. Die medienbewusste Kohorte der digital natives verlagert ihren Fernsehkonsum ins Netz, richtet ihr Augenmerk auf die angloamerikanische TV-Kultur, die in beindruckender Regelmäßigkeit eine kultisch verehrte Seriensensation nach der anderen produziert.

Doch halt. Es gibt Hoffnung für das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland. Ironischerweise gedeiht sie im eigenen Vorgarten. ARD und ZDF haben vor Jahren mit dem Start mehrerer Digitalspartensender eine weitgehend anarchische Spielwiese für junge kreative Fernsehmacher erschaffen. Vorreiter auf diesem Gebiet ist ZDFneo, der 2009 aus dem etwas beliebig klingenden ZDFdokukanal hervorgegangen ist. Hier tummelten sich bis vor kurzem noch die mittlerweile omnipräsenten Joko und Klaas mit ihrem pubertierend-frechen Late-Night-Format neoParadise, bevor sie dem Ruf ins lukrativere Privatfernsehen folgten. Innovative Reportagereihen wie Bambule oder Wild Germany prägen das Gesicht des ZDF-Ablegers und scheinen den Nerv der Generation Praktikum zu treffen. Am Donnerstag (31. Oktober 2013) startet auf eben diesem Sender auch die neue Late-Night-Show des bereits angesprochenen Jan Böhmermanns. Die Promomaschine für das NEO MAGAZIN, das nach eigenen Aussagen „wohl dümmste Format im deutschen Fernsehen“, läuft seit Monaten auf Hochtouren. Böhmermanns Produktionsfirma, die auch schon die für den Grimme-Preis nominierte Talkshow „Roche und Böhmermann“ kreierte, schoss unzählige aufwändig produzierte Teaser und Trailer in den Äther des Cyberspace, Böhmermann selbst durchlief einen polymedialen Talkshowmarathon, um die maximale Aufmerksamkeit für die halbstündige Unterhaltungsshow zu erreichen.

Doch wie groß kann das Publikum an einem Donnerstagabend auf ZDFNeo schon sein? Vergleichswerte liefert das beliebte neoParadise, das im Durchschnitt 0,5 Prozent in der Kernzielgruppe erreichen konnte. Eine verschwindend geringe Zahl, wobei die Abrufzahlen in der ZDF-Mediathek die wohl besseren Aussagen über den Erfolg des Formats erbringen könnten. Das täuscht nicht darüber hinweg, dass auch Böhmermanns neuster, sicherlich wieder genialer Streich wohl ein Nischendasein in der deutschen TV-Landschaft fristen wird. Er selbst scheint seinen eigens entworfenen Zustand des Digitalsparten-Entertainers zu lieben, nirgendwo sonst können er und seine kreativen Kollegen schließlich sich dermaßen ausleben. Das ist wohl die Wahrheit. Und es ist eine Traurige. Denn anstatt jungen Autoren, Redakteuren und Moderatoren eine neue Spielwiese auch im Hauptprogramm bereit zu stellen, beharren ARD und ZDF auf ihrem alten Kurs oder unterwerfen sich dem Trend der RTL-isierung der TV-Kultur, indem sie eigene Scripted-Reality-Formate auf den Markt schmeißen und sich Bause und Lanz ins Haus holen. In den Zentralen der Senderverantwortlichen muss eine diffuse Angst vor dem Neuen geben, eine Sorge, dass unmainstreamige Köpfe wie Böhmermann und Co. das wohlklingende Grundrauschen gehörig durcheinander bringen. Es wäre der deutschen Fernsehkultur nur zu wünschen.

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Geschrieben von

Wochlop

Meine Dinge: Medien und Politik.

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