Siegfried 12.11.2021 an der Deutschen Oper Berlin

Stefan Herheim Donald Runnicles

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Nach der Premiere von Rheingold und Walküre ist das Publikum jedenfalls szenisch ob der Herheim-Inszenierung mehr als ernüchtert. Im Hinblick auf die Corona-Pandemie ist es jedoch logistisch und organisatorisch eine Meisterleistung der Deutschen Oper eine fast sechsstündige Wagneroper voll szenisch und bei voller Publikumsbesetzung präsentieren zu können und zu wollen.

So sind mehrere Busse lokaler Wagnerverbände scheinbar aus ganz Europa angereist. Herheims Idee den Rahmen des Rings des Nibelungen in einer Flüchtlingssituation im Zweiten Weltkrieg in einer Vielzahl von Koffern spielen zu lassen und diese noch als Spieler im Spiel mit wandelnden Partituren am Klavierflügel darzustellen, wird zwar im dritten Teil der Tetralogie fortgesetzt, jedoch gleichzeitig durchbrochen, denn hier findet nun auch der zwangsläufige Drachen jenseits von Koffern Einzug. Die so gefundenen Bilder geben aber wieder wenig Ausschlag für weitere Assoziationen und Interpretation. So bleibt auch dieser Abend szenisch eher langweilig. Daran ändern nichts die Protagonisten und die Statisterie, die in emotional besonders aufblühenden Momenten des Abends die Hosen runterlassen müssen und in altmodischer weißer Feinrippunterwäsche agieren. Für den Zuschauer ist es weder schön anzuschauen noch bringt es ihm gedanklich weiter.

Ya Chung Huan ist ein überragend bemerkenswerter Mime. Absolut textverständlich und mit viel Witz und großer Sprachfreude als Wagner en minature gestaltet er seine Partie. Das großartige Sängerensemble wird fortgesetzt von einem Wotan mit Iain Patterson. Seine wunderbare sonore Stimme lässt einen oft an Aufnahmen mit Hans Hotter denken. Nina Stemme war zum Zeitpunkt der Planung für den Ring sicherlich die international vielversprechendste Besetzung. Insbesondere in der Höhe merkt der Zuhörer jedoch, dass sie im Alter schon fortgeschritten ist und die bisherigen Partien an ihr gezerrt haben.

Großartig jedoch wie das Orchester der Deutschen Oper Berlin zusammen mit Donald Runnicles den Abend musikalisch gestaltet. Dabei achtet er stets darauf, dass die Sänger nie zugedeckt werden und gibt ihm viel Raum zum Singen. Freilich gerät der Abend nicht zu einer solchen Orchestersternstunde, dass der Zuhörer hier in der Partitur gänzlich neue Stellen entdeckte.

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