Rheingold 22.06.2021

Deutsche Oper Berlin Stefan Herheim

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Latte ist für Stefan Herheim nach der wegmarkensetzenden Inszenierung von Götz Friedrichs Ring des Nibelungen mehr als hoch. Gleichwohl war die Ankündigung der Deutschen Oper Berlin, das der norwegische Regisseur Stefan Herheim die Inszenierung zu verantworten habe, fast ausnahmslos in der Presse positiv und als Coup des Hauses bewertet worden. War doch Herheim bisher stets als unglaublich fantasievoller Regisseur in Erscheinung getreten. Schier unendlich schien dem Zuseher die Fantasie und Assoziationsgabe Herheims in seinem Parsifal in Bayreuth vor Jahren. So lag es doch auch neben diesem Gesichtspunkt mehr als nahe, dass ein ehemaliger Student Götz Friedrichs und Preisträger des Götz-Friedrich-Preises mit dieser Mammutaufgabe betraut werden sollte.

Umso größer dann die Enttäuschung, dass sich auch nach der pandemiebedingten vorgezogenen Premiere der Walküre kein wirklicher Gedankenfunke in der Inszenierung findet. Zentral bleiben auch hier der Konzertflügel in der Mitte der Bühne, den die Solisten abwechselnd teilweise simulieren und bespielen als auch der Wald einen abgegriffenen Flüchtlingskoffern aus der Epoche des Zweiten Weltkriegs. Die Metapher eines Konzertflügels ist für die Genialität und Schaffenskraft eines Komponisten wie Richard Wagners jedoch genauso abgegriffen, wie das Verlegen der Opernhandlung in die Zeit des Dritten Reichs. Zu weit scheint einem als Zuschauer jedoch die Assoziation von Flüchtlingen zur Handlung des Ring des Nibelungen, da helfen auch nicht die täglich verstörenden Fotos schutzsuchender Migranten im Mittelmeerraum. So bleibt auch an diesem zweiten Abend offen, wie diese Idee 16 Stunden tragen will und die Stütze der Inszenierung bilden will.

Umso mehr zieht man den Hut vor der genialen Idee des Zeitentunnels von Götz Friedrich. Dies war sicherlich die übertriebene Hoffnung aller in einer Neuinszenierung eine solche Qualität wiederfinden zu können. Bei der doch mittlerweile unermesslichen Vielzahl an Inszenierung des Ring des Nibelungen auch einen kleineren und mittleren Häusern wird es freilich immer schwerer das Rad neu zu erfinden.

Gesanglich wird jedoch ein gutes Niveau geboten. Besonders erstaunlich ist, dass das langjährige Ensemblemitglied Marcus Brück stimmgewaltig den zentralen Alberich mehr als überzeugend zu mimen weiß. Ebenso überzeugen Derek Welton als Wotan und Thomas Blondelle als Loge sehr.

Musikalisch gelingt der Abend durch ein feinsinnigeres Dirigat von Generalsmusikdirektor Runnicles und einem hervorragend aufgelegten Orchester der Deutschen Oper. Selten erlebt man, dass ein Ensemble so viel Erfahrung mit dem Werk Richard Wagners hat.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden