Bei immer mehr politische Beobachtern (vereinzelt sogar in den sogenannten Leitmedien) verbreitet sich die Einsicht, dass der Wohlstand der reichen, westlichen Länder auch (nicht ausschließlich) auf Ausbeutung ärmerer Länder beruht. In mehreren Freitag-Artikeln (etwa hier und hier ) wurde dies behandelt. Es ist die Kernaussage der Bücher „Imperiale Lebensweise“ von Ulrich Brand und Markus Wissen und „Neben uns die Sintflut“ von Stephan Lessenich.
Ich habe mal versucht, dafür einige Beispiele zusammen zu tragen.
Rohstoffabbau
In den meisten High-Tech-Geräten, die wir benutzen, stecken Rohstoffe, zu deren Gewinnung andernorts die Natur und Menschen ruiniert und ausgebeutet werden. Der größte Teil der Wertschöpfung erfolgt bei den Konzernen der reichen Länder, die Folgeschäden tragen andere.
Rohstoffabbau und Menschenrechtsverletzungen oder Kinderarbeit für Smartphone-Akkus
Kleidung
Auch wenn der Anteil der Arbeitslöhne für Kleidungsstücke verschwindend gering ist, werden an Näherinnen in Schwellen- und Entwicklungsländern nur Hungerlöhne gezahlt. Hier unterscheiden sich Billigmarken meist kaum von Edel-Labels.
Lederproduktion oder "Giftiges Leder" (Arte-Dokumentation auf YouTube).
Palmöl-Anbau
Für Schokoriegel, Margarine, Pizza und andere Lebensmittel wird von den Lebensmittelkonzernen in großem Umfang Palmöl verwendet, da Ölpalmen sehr ertragreich sind. Für den Anbau werden oft große Flächen Wald gerodet, große Monokulturen entstehen. So sind etwa zwei Drittel der Insel Sumatra mit Palmöl-Plantagen bedeckt.
Palmöl – Das Fett im Essen und im Tank und Für Palmöl wird weiterhin Regenwald gerodet
Land-Grabbing
Damit wir billig Fleisch essen können, wird auf Monokulturen mit viel Pestizideinsatz Viehfutter für Massentierhaltung angebaut. Für Investoren gibt es sagenhafte Renditeversprechen. Die Kleinbauern erleiden Vertreibung, Hunger, Konkurrenzkampf und Zerstörung ihrer Heimat.
Sojaanbau in Lateinamerika und Landraub - der Film
Kinderarbeit
Beim Anbau von Kakao und Kaffee ist praktisch immer Kinderarbeit anzutreffen. In die richtige Richtung geben Fairtrade-Produkte. Aber der Marktanteil von z.B. Fairtrade-Kaffee liegt heute noch unter 4 Prozent. Bezeichnend ist, dass hierzulande viele Konsumenten 60 EUR für 1 kg Nespresso-Kapseln zahlen, aber nicht bereit sind 20 EUR für 1 kg Fairtrade-Kaffee (hier geht es nicht um diejenigen, die jeden Euro umdrehen müssen).
Millionen Kinder müssen auf Kakaoplantagen schuften
Export von Elektronik- und Hausgeräteschrott
Das Bundesumweltministeriums schätzt, dass mehr als 155.000 Tonnen ausgedienter Geräte ins außereuropäische Ausland gebracht werden. In Afrika zerlegen Menschen – häufig Kinder – unter Gefährdung ihrer Gesundheit diese Geräte und suchen Verwertbares.
Giftiger Elektromüll in Ghana
Schiffsverschrottung
Um scharfe Umweltauflagen zu umgehen, werden ausgemusterte Schiffe in Indien, Bangladesch und Pakistan zerlegt und verschrottet, unter verheerenden Arbeitsbedingungen und ohne Umweltauflagen.
Abgewrackt in Bangladesch
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Aber auch hierzulande werden Menschen aus ärmeren Ländern ausgebeutet:
Sub-Sub-Unternehmer auf Baustellen
Man schaue auf die nächstbeste Großbaustelle und wird feststellen, dass die Mehrzahl der Bauarbeiter aus dem Ausland stammen. Oft erhalten sie extrem geringen Lohn und sind die Bedingungen, unter denen sie hier untergebracht sind, erbärmlich. Die Bauherren (auch staatliche!) nehmen das stillschweigend in Kauf, sie wissen, dass nur so überhaupt noch kostengünstig gebaut werden kann.
Schuften auf der Baustelle für 28 Euro - am Tag
Billigkräfte auf dem Schlachthof
Ähnliches gilt für Schlachthöfe und die fleischverarbeitende Industrie.
Ausgebeutet auf dem Schlachthof
Pflegekräfte
Inzwischen sind bei uns Pflegekräfte aus osteuropäischen oder asiatischen Ländern eine feste Größe. Diese Frauen verlassen oft für lange Zeit ihre Heimat. Und wer pflegt ihre Kinder und Alte?
Sklavinnen, die uns pflegen
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Bankgeschäfte
Mit wenigen Ausnahmen machen alle Banken Geschäfte mit Land-Grabbing, Lebensmittelspekulationen, Rüstungsgütern, zerstörerischen Infrastrukturprojekten. Die Leidtragenden sitzen meist in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Fragen Sie mal Ihre Bank nach ihren ethischen Kriterien zur Kreditvergabe und Investitionen.
Empfehlenswert sind in Deutschland nur 4 Banken: EthikBank, GLS-Bank, Umweltbank und Triados-Bank.
Ethische Banken
Emissionen von Klimagasen
Durch ihren hohen pro Kopf Ausstoß von Klimagasen tragen die reichen Länder überproportional zum Klimawandels bei. Umgekehrt betreffen seine negativen Folgen primär die armen Länder.
CO2 Emissionen pro Kopf
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Diese Liste ist noch lange nicht vollständig. Wenn man noch ein wenig sucht, wird man sicher weitere Beispiele finden.
Aber schon die aufgeführten Punkte lassen vermuten, dass dieses Phänomen eher die Regel als die Ausnahme darstellt.
Kommentare 10
Nicht doch, Wolfbert. Hast Du nicht die Kommentare von Gunnar Jeschke im "Das Ende der Party"- Blog verfolgt? Hat er denn dort nicht schlüssig nachgewiesen, daß die Armut und Chancenlosigkeit von Millionen Afrikanern nix, aber auch gar nix mit uns und den Verhältnissen hier, aber alles mit den Verhältnissen dort zu tun haben? Wir nix schuld, was importieren die auch aggressiv unseren Elektroschrott?
Und die "Unterasiaten" und *Unteramerikaner" haben erstaunlicherweise mit den Loosern in Afrika mehr gemein, als mit ihren erfolgreichen Brüdern und Schwestern in den USA oder Japan, Singapor und Südkorea.
Alles nur linke Gutmenschenpropaganda, es lebe der freie Welthandel!
Loser(n)
>>Damit wir billig Fleisch essen können, wird auf Monokulturen mit viel Pestizideinsatz Viehfutter für Massentierhaltung angebaut.<<
Besonders pervers: Es gibt hierzulande mittlerweile eine massive Überproduktion an minderwertigem Fleisch aus der industriellen Tierhaltung, die zum Exportüberschuss der BRD beiträgt.
Alles nur linke Gutmenschenpropaganda, es lebe der freie Welthandel!
Hat Herr Jeschke jedenfalls nicht gesagt.
Ich finde diese Art Diskussion mit mutwillig vergröberten bis verzerrten Charakterkritiken unzivil. Das ist m. E. insofern ein Problem, als sie Foristen unnötig persönlich angreift und eine sachliche Debatte erschwert.
Mag sein, daß mein (den Herrn Jeschke böse? angreifenden) Kommentar grenzwertig/unnötig war/ist. Ich hatte bei diesem Thema aber noch seine "Theorien" im Hinterkopf. Eine davon war (wie geschrieben), daß "wir hier" mit den Problemen "dort" nix zu tun hätten (ergo nicht verantwortlich für gewisse Dinge wären).
Eine andere, daß "der freie Welthandel" ja auch positive Effekte hätte, die "Linke" aber nicht gern zugeben würden. Ersterem ist durchaus zuzustimmen. Wenn da auch noch Platz für die Benennung und Reflektion der negativen Kehrseiten (wie oben im Beitrag zusammengefaßt beschrieben),wäre.
Vielleicht ist es auch so, daß ich nach dem Bereitstellen m.E. sachlicher Beispiele/Argumente - ohne darauf oftmals nicht eingehende Reaktion - meinte, das nun Polemik ein adäquates Stilmitel sein könnte.
Herr Jeschke hat sicherlich sehr eindimensional diskutiert - seine Argumente sind darin gefangen, dass er meint, die Ursachen für die Probleme in Afrika orten zu können, und in Europa allenfalls die die Nebenwirkungen. Ich meine, Idog hat das ganz gut benannt.
Trotzdem sind seine Einwände ja relevant, und wenn sie problemlos unter Klarnamen gemacht werden, kann das für die FC als Debatteforum nur gut sein.
Kein Drama - fiel mir nur gerade auf. Vielleicht kann aus der Diskussion noch etwas werden.
halbwegs ein polemiker wären Sie, wenn Sie
einen apologeten der k-marktwirtschaft in jeschke entlarvt hätten.
haben Sie aber nicht.
was er an "einseitigkeiten" vorgetragen hat,
ist nur die notwendige ergänzung zu Ihren halb-heiten.
---> polemik(wikipedia)
mit halbheiten (vulgarisierten imp. lebensweise-thesen)
einstellungen hierzulande ändern?...
Auch wenn an JR's China Blog's Kritik schon was dran ist und Dein Kommentar vielleicht etwas bissig war, kann ich ihn gut nachvollziehen. Mir ist die Argumentation von Gunnar Jeschke auch etliche Male über die Hutschnur gegangen.
Es ist das, was Konservative und Wirtschaftsliberale immer predigen, im Kern neoliberales Denken, das sie als generell und überall gültig ansehen: wem es schlecht geht, ist selber schuld, muss er sich eben mehr anstrengen.
Das schlimme ist ja, das ist keine Einzelmeinung, sondern das vorherrschende Dogma. Auch die, die darunter leiden, glauben das ja inzwischen selbst.
wer statt von imperialen wirtschafts-weisen
von imperialen lebens-weisen spricht,
zielt auf eine kollaboration von hiesigen
habenichtsen mit dem management kapitalistischer gewinn-produktion.
lenins these von der arbeiter-aristokratie,
deren wohlhabenheit ihre revolutions-abstinenz
begründen sollte, war dafür ein vor-läufer.
erkämpfte spielräume von lohn-abängigen
waren schon marx ein problem -->arbeiteraristokratie(wikip.)
der anstieg der real-löhne unter kapitalist. bedingungen in england
schon zu marx zeiten, war ein unbegriffenes phänomen
und führte zur späten herausgabe des kapital in england
hierzu: fritz sternberg, anmerkungen zu marx -heute. (1965)
produktivitäts-fortschritte im kapitalismus haben viele ursachen,
vereinfachungen im sinne einer publikums-beschimpfung
mögen den spielern auf der bühne ein hoch-gefühl verschaffen,
werden beteiligte zuschauer möglicherweise aktivieren.
aber in welche richtung?
Da muss ich zustimmen: imperiale Wirtschaftsweise ist der sehr viel treffendere Begriff.
Die Benachteiligten hierzulande werden zwar zu Komplizen gemacht (weil durch die Ausbeutung anderswo die Preise für Lebensmittel und andere Güter niedrig gehalten werden), aber haben im Grund keine Möglichkeit, dem zu entgehen.
Weil der Name aber bereits so eingeführt wurde (und weil der Link sonst verloren geht), behalte ich den Titel bei.