Es klang wie ein unvermuteter Trompetenstoß: Kanzlerin Angela Merkel schasst den über die Wahlnacht zum Leichtgewicht mutierten Umweltminister Norbert Röttgen, beruft ihren Vertrauten Peter Altmaier zu seinem Nachfolger und macht die Energiewende (mal) wieder zur Chefsache. Kein Wunder, dass Umweltorganisationen, kommunale Stromerzeuger und selbst die großen Wirtschaftsverbände hofften, das Bund-Länder-Treffen am Mittwoch könnte wenigstens einen verbindlichen Rahmen für die drängendsten Probleme skizzieren.
Doch nach mehrstündiger Beratung gingen 16 Länderchefs, zwei Bundesminister und die Regierungschefin ohne greifbares Ergebnis auseinander. Einen Zeitplan für den dringend notwendigen Ausbau des Stromnetzes soll es nun geben, damit die Windenergie von der Küste auch im Süden der Republik ankommt, wo bis vor einem Jahr hauptsächlich die Atomenergie die Versorgung sicherstellte. Nein, schon das ist zu viel gesagt. Der Zeitplan betrifft (noch) nicht den Ausbau des Netzes selbst, sondern lediglich die Erarbeitung des Netzplans, der zum Jahresende vorgelegt werden soll. Und dessen Umsetzung ist dann wieder vom guten Willen der Bundesländer abhängig, weil der Trassenbau in deren Kompetenz fällt.
Große Fürsten, kleine Zacken
Was wäre das für ein Wurf gewesen, wenn die Ministerpräsidenten erklärt hätten, eine Bündelung in dieser Frage über ein neu zu schaffendes Energieministerium zuzulassen. Doch schon der Begriff „Landesfürst“ signalisiert, dass die sich nicht den kleinsten Zacken aus ihrer Krone herausbrechen lassen wollen. Lediglich Runde Tische wurden vereinbart, um zu gemeinsamen Lösungen zu kommen.
Dabei sind sich die Länder noch nicht einmal untereinander grün: So beharrt der Osten auf einer möglichst hohen Subventionierung von Photovoltaikanlagen, um nicht weitere Zehntausende Arbeitsplätze in der Solarbranche zu verlieren. Der Süden fordert Investitionen in Gaskraftwerke als Ersatz für die abgeschalteten AKWs. Die Küstenländer pochen auf die Förderung von Offshore-Windparks und Bayern drohte gar mit einem staatlichen Energieversorgungsunternehmen, falls der Bund nicht endlich in die Puschen komme.
Die Energiewende sei eine „Herkulesaufgabe“, erkannte denn auch bereits der frischgebackene Umweltminister Altmaier. Es müsse klar werden, dass die Lösung der Energiewende nicht nur die Addition von Einzelinteressen sei, gab er den Ministerpräsidenten, aber auch seinem Widerpart Philipp Rösler im Wirtschaftsministerium mit auf den Heimweg. Denn auch der bremst im Sinne seiner vermeintlichen Klientel nach Kräften, ob es um die Solarförderung oder um die neue EU-Richtlinie zur Energieeffizienz geht.
Wo bleibt das Drehbuch?
Dabei fordern sowohl kommunale Versorger wie die Big Player in diesem Geschäft eine bessere Organisation der Energiewende, ein funktionierendes Projektmanagement und Planungssicherheit. Stephan Weil, Chef des Verbandes kommunaler Unternehmen VKU, benannte das Hauptproblem: „Wir haben kein Drehbuch für die Energiewende. Wir haben stattdessen ein heilloses Durcheinander von Kompetenzen und Personen, die sich berufen fühlen, einzelne Teile der Energiewende zu vertreten.“
Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit die Reaktorkatastrophe in Fukushima vor allem in Deutschland eine Zäsur setzte und die Kanzlerin eine Kehrtwende der Regierungspolitik ankündigte. Außer den Initiativen von Privatleuten und Unternehmen hat sich seither wenig bewegt. So hängt etwa die Gesetzesinitiative für die energetische Gebäudesanierung seit Monaten im Vermittlungsausschuss fest, ohne dass eine Einigung zwischen Bund und Länder erkennbar wäre. Die Opposition spricht daher nicht zu Unrecht von einem verlorenen Jahr.
Was taten nun die 16 Länderchefs, die zwei Minister und die Kanzlerin am Mittwoch konkret? Sie beschlossen, sich zwei Mal im Jahr erneut zu einem solchen hochrangigen Kaffeekränzchen zu versammeln, das den Fortgang der Klimakatastrophe beäugt. Das erinnert an die Erklärung für Ebbe und Flut: Als die Menschen begannen, die Küsten zu besiedeln wich das Meer entsetzt zurück und guckt jetzt in regelmäßigen Abständen nach, ob sie noch da sind.
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