Nach zehn Monaten ist das – vorerst – letzte Occupy-Zeltlager in der Bankenstadt Frankfurt geräumt. Bis Montag hatten dort ein paar Dutzend Aktivisten unter dem Schatten des Euro-Zeichens vor der Europäischen Zentralbank ausgeharrt. Ist die Bewegung damit nur noch eine Fußnote der Zeitgeschichte? Wohl kaum. Der Widerspruch zwischen dem in Frankfurt strahlenden Währungssymbol und den wankenden Finanzmärkten könnte die Bewegung schnell wieder erstarken lassen.
Auch wenn das Ende des Zeltlagers eher kläglich war, sind ja die Ursachen für die ehemals starke Protestbewegung, die an der Wallstreet vor knapp einem Jahr ihren Anfang nahm, keineswegs verschwunden. Ihr Slogan „Wir sind die 99 Prozent“, ihre Kritik an Kapitalismus, an Spekulanten und an der Macht der Finanzwirtschaft über Politik und ganze Staaten ist durch die Entwicklungen der vergangenen Monate beständig bestätigt worden.
Eine Zäsur
Die Räumaktion ist eine Zäsur, die auch den Aktivisten Zeit zum Nachdenken über weitere Formen des Protestes gibt, nicht aber dessen Ende, wie es sich wohl manche Gazetten gewünscht haben mögen. Die schrieben gegen die „unhaltbaren“ hygienischen Verhältnisse auf dem Grünstreifen vor der Europäischen Zentralbank an, schreckten zum Beleg einer angeblichen Rattenplage auch nicht davor zurück, auf entsprechende Fotos von ganz woanders zurückzugreifen, und prangerten an, dass sich die Demonstranten mit Obdachlosen, Drogensüchtigen und Roma eingelassen hätten. Als ob nicht gerade deren Anwesenheit die sozialen Missstände deutlicher machte als jedes Protestplakat.
Alles andere als eine gute Figur machte dann das Frankfurter Verwaltungsgericht, das den Mischmasch von Aktivisten, Ausgegrenzten und Benachteiligten am Montag zum Anlass für seine Räumungsentscheidung nahm. Deren gemeinsames Ziel sei nicht erkennbar, entschied die Kammer in Verkennung der Zusammenhänge. Das Camp sei daher nicht mehr Ausdruck einer politischen Willensbekundung und somit nicht mehr grundgesetzlich geschützt.
Vorgeschobene Gefahr
Da war der Frankfurter Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) nicht mehr zu halten, der offenbar schon vor der Eilentscheidung Beamte der Landespolizei angefordert hatte, mit Rückendeckung vom neuen SPD-Oberbürgermeister Peter Feldmann. Dabei hatte der bis dato beteuert, er werde „alle“ anstehenden Richtersprüche abwarten, also nicht nur die jetzige Eilentscheidung.
Gefahr sei im Verzug gewesen, begründete Frank sinngemäß den Einsatz. Schließlich hätten die Aktivisten auf Zeit gespielt und damit begonnen, Barrikaden zu bauen. Davon war allerdings während der Aktion absolut nichts zu sehen. Der „Widerstand“ beschränkte sich darauf, dass sich einige Occupyer wegtragen ließen, anstatt – wie die meisten – ihre Habseligkeiten zu packen und mehr oder weniger freiwillig ihrer Wege zu gehen.
Gefaltete Zelte
Da flogen keine Steine, und als ein enttäuschter Aktivist einen Polizisten als „Arschloch“ titulierte, weil der dessen Zelt abgebaut hatte, musste er sich sogar von einem Occupy-Ordner mit Spooky-Maske maßregeln lassen: „Du hast Recht mit deiner Privatsphäre, aber das sind keine Arschlöcher“, mahnte der.
Die Beamten blieben ihrerseits bemerkenswert ruhig. Behutsam falteten sie die liegengebliebene Taschen und Zelte zusammen, auf dass sie ihren Eigentümern unbeschadet ausgehändigt werden könnten.
Der Widerstand gegen den so wirkmächtigen Kapitalismus und seine Getreuen kam zuletzt erstaunlich putzig daher, so dass sogar die Kanzlerin „Verständnis“ bekunden konnte. Der jetzige Bundespräsident tat ihn einst als „unsäglich albern“ ab. Sie werden sich wünschen, dass alles so nett bleibt. Der erste Schritt wäre, dass die Bundesregierung endlich eine andere Krisenpolitik macht.
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