Auf ganz großem Fuß

China Die Volksrepublik verspürt wenig Neigung, sich einer amerikanischen Dominanz im Pazifik zu unterwerfen, und reagiert mit einer Modernisierung ihrer Streitkräfte

Anfang des Jahres tauchen im chinesischen Internet plötzlich Fotos eines neu entwickelten Tarnkappen-Bombers auf, der sich für gegnerisches Radar nur schwer erfassen lässt. Zu sehen ist der Hightech-Jet J-20, wie er nach einem Flug auf dem Testgelände des Instituts für Flugzeug-Design in Chengdu ausrollt. Die Publizität steht im Gegensatz zur üblichen Geheimhaltung bei Rüstungsprojekten. Parallel dazu sorgt der Prototyp einer neuen chinesischen Anti-Schiffsrakete für Aufsehen. Der landgestützte ballistische Flugkörper vom Typ Ostwind 21-D kann von Satelliten aus gesteuert werden und gegebenenfalls Flugzeugträger und andere Marineverbände auf See angreifen. Zwar sind die USA bei solchen Waffensystemen technologisch nach wie vor überlegen, aber mit zweistelligen Zuwachsraten bei seinen Militärausgaben eilt China rasant hinterher und vermittelt den Eindruck: Die US-Dominanz im Pazifik soll nicht ewig dauern.

Inzwischen hat der erste chinesische Flugzeugträger seine Testfahrt im Pazifik hinter sich und liegt wieder im Heimathafen Dalian. Der ursprünglich noch von der Sowjetunion gebaute Schiffskoloss ist über 300 Meter lang, 60 Meter breit und vor Jahren über Umwege nach China gelangt. Auf der Werft von Dalian wurde das Schiff restauriert, mit neuen Navigationssystemen versehen und zum Vorläufer einer eigenen Armada von Flugzeugträgern bestimmt, um durch maritime Trägermittel dieser Art einen globalen Aktionsradius zu gewinnen. Doch das sind Zukunftsvisionen, vorerst geht es darum, die Bewegungsfreiheit der US-Navy im westlichen Pazifik einzuschränken und eine 14.000 Kilometer lange Küstenlinie abzusichern. Dazu fehlt es nicht an Equipment: Seit in den vergangenen Jahren nukleargetriebene U-Boote der mit Marschflugkörpern ausgerüsteten Shang- und Jin-Klasse in Dienst gestellt wurden, umfasst die Flotte Chinas zehn Atom-U-Boote, weitere sind im Bau.

Wettlauf im All

Die rüstungskritische Federation of American Scientists beziffert das chinesische Kernwaffenarsenal auf etwa 240 nukleare Sprengköpfe. Als Rückgrat dieses strategischen Arsenals seien ballistische Raketen disloziert, von denen Schätzungen zufolge 20 das Territorium der USA in Alaska sowie auf Hawaii und etwa 300 Ziele in Japan, Indien oder Russland erreichen könnten. Bis 2015, so rechnen Experten, würden die meisten dieser Raketen mobil sein. Darüber hinaus besitzt China nach Angaben des Londoner Instituts für Strategische Studien IISS etwa 400 Kurzstreckenraketen, die sich mit Atomsprengköpfen bestücken lassen.

Dabei richten sich die Rüstungsanstrengungen längst auch auf den Weltraum. Im Januar 2007 bereits wurde mit einer bodengestützten Mittelstreckenrakete vom Raumfahrtbahnhof Xichang aus der veraltete Wetter-Satellit Feng Yun-1C in 850 Kilometer Höhe abgeschossen. Dies geschah mit einer Anti-Satellitenwaffe, über die bis dahin nur die USA und Russland verfügten. Die Operation sorgte weltweit für Aufsehen und Besorgnis. Es konnte kein Zweifel bestehen, dass es für die Militarisierung des Kosmos einen neuen Akteur gab.

Der treibt nicht zuletzt die Entwicklung eines Weltraum-Jagdflugzeugs voran, muss den Worten von Distrikt-Gouverneur Zhao Zhengyong aus Hongkong entnommen werden. Nachdem er den Flugzeughersteller Aircraft Industrial Corporation im zentralchinesischen Xian besuchte hatte, meinte Zhao gegenüber der Zeitung Ming Pao Daily: „China testet ein Flugzeug, das über die irdische Atmosphäre hinaussteigen kann.“ Äußerlich scheint der Weltraumjäger dem US-Raumgleiter X-37B zu gleichen, von dem aus Killer-Satelliten starten können, um andere Flugkörper zu zerstören, zu manipulieren oder zu blenden.

Langfristig plant die Volksrepublik zudem eine eigene Orbitalstation im Weltraum. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin war Anfang November ein Experiment mit der unbemannten Raumkapsel Shenzhou 8, die vom Weltraumbahnhof ­Jiuquan startete und an ein Kosmos-Modul andockte. Damit ist China nach Russland und den USA das dritte Land, dem ein solches Manöver gelungen ist. Auch wenn es technologisch noch Nachholbedarf gibt – China will den Status einer wirtschaftlichen durch den einer militärischen Großmacht ergänzen, es holt auf.

Wolfgang Kötter ist Rüstungsexperte an der Universität Potsdam

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