Das Handy als Mordwaffe

Terrorgefahr Ein Anschlag in Saudi-Arabien hat jüngst gezeigt, dass Selbstmordattentäter dazu übergehen, ihren Körper als Sprengstoff-Depot einzusetzen und telefonisch zu zünden

Die Koalitionäre von Union und Freien Demokraten haben in Berlin um das Verhältnis von Bürgerrechten und innerer Sicherheit gestritten. Kein neuer Zielkonflikt, geht es doch vorrangig um eine Güterabwägung zwischen dem privatrechtlichen Schutz der Bürger und der vom Staat verantworteten Abwehr terroristischer Anschläge. Bekanntlich wurden vor der Bundestagswahl am 27. September besondere Vorkehrungen getroffen. Es kursierten gleich mehrere Drohungen, die damit begründet waren, es werde sich rächen, dass die Bundeswehr weiter in Afghanistan bleibe.

Geheimdienstinformationen zufolge soll eine Gruppe in pakistanischen Camps geschulter Terroristen – darunter vier Deutsche – in ihre Heimatländer unterwegs sein, um dort Anschläge vorzubereiten. Der Vize-Chef von al Qaida, Aiman el Sawahiri, gab dazu in einer Videobotschaft zu verstehen, man werde sich für die Gewalt rächen, unter der Muslime zu leiden hätten, es werde solange weiteres Blutvergießen und Angriffe auf die Wirtschaft geben, bis der Westen seine „Verbrechen“ beende.

Wie bei Drogenkurieren

Von Washington bis Berlin gehen die Regierungen unterschiedlich mit diesen Prophezeiungen um. Letztlich dürfte nur eine umfassende globale Strategie sinnvoll sein. Die Vereinten Nationen können bisher immerhin 16 rechtsverbindliche Abkommen gegen den Terrorismus vorweisen. Sie gelten dem Schutz des internationalen Zivilluftverkehrs und der Seeschifffahrt, der Sicherheit von diplomatischen Missionen, dem Umgang mit Geiselnahmen sowie Maßnahmen gegen den Nuklearterrorismus. Der Sicherheitsrat unterhält mit dem Antiterror-Ausschuss und dem Komitee zur Verhinderung von atomaren, biologischen und chemischen Angriffen gleich zwei Gremien, die sich mit einschlägigen Bedrohungsszenarien beschäftigen, aber nicht davor gefeit sind, von neuen Gefährdungen überholt zu werden.

Jüngst gab es weltweit Schlagzeilen wie Bombe im Bauch, Tödliche Zäpfchen und al-Qaida testet rektale Bomben. Was war geschehen? Am späten Abend des 28. August näherte sich dem saudischen Vize-Innenminister, Prinz Mohammed ben Nayef, der Anti-Terror-Operationen und Integrationsprogramme für Ex-Jihad-Männer koordiniert, beim Fastenbrechen ein später als Abdullah Hassan al-Assiri identifizierter Al-Qaida-Kämpfer. Der teilte mit, sich den saudischen Behörden stellen zu wollen, zog dann jedoch sein Handy aus der Tasche und drückte eine Taste. Die Explosion tötete den Attentäter sofort – Mohammed ben Nayef kam mit leichten Handverletzungen davon. Dem Personenschutz des Ministers war bei seinen Leibesvisitationen kein Sprengsatz aufgefallen – die aus einem halben Kilogramm Sprengstoff bestehende Bombe war im Körper des Täters platziert.

Was bisher nur bei Drogenkurieren üblich war, könnten künftig auch Selbstmord-attentäter versuchen. Sie führen Sprengkörper als Zäpfchen bei sich ein, passieren damit alle Kontrollen und können sich im gegebenen Moment per Handy-Signal in die Luft sprengen.

Teure Röntgen-Checks

Wie der französische Figaro berichtet, wertet der eigene Inlandsgeheimdienst DCRI das Prinzip – der Körper als Sprengstoff-Depot – als neue „Operationsweise von al-Qaida“. Damit seien vorhandene Schutzmechanismen im Flugverkehr ad absurdum geführt. „Unsere Airports sind zwar mit Metallsuchrahmen ausgerüstet. Bei solchen Fällen lässt sich der Sprengstoff jedoch nur mit einer Röntgen-Aufnahme entdecken“, so ein DCRI-Beamter.

Ob sich die Gefahr durch Massenröntgen oder ein totales Handy-Verbot bei Flügen entschärfen lässt, bleibt umstritten. Zwar könnte ein Röntgengerät im Gegensatz zu herkömmlichen Metalldetektoren im Körper versteckte Bomben sichtbar machen. Doch bei einer massenhaften Durchleuchtung von Fluggästen wären die gesundheitlichen Risiken aus medizinischer Sicht unverantwortlich groß. Abgesehen davon, dass Röntgenchecks extrem teuer und zeitlich aufwändig wären.

Frankreichs Innenminister Hortefeux verlangt, in der EU einem mutmaßlich neuen Luftterror durch die Übermittlung umfangreicher Passagierinformationen (Bankdaten bis zu Kontaktpersonen) von den Fluggesellschaften an die Polizei vorzubeugen. Doch mag die Überwachung noch so ausgeklügelt sein, ohne den sozio-ökonomischen und ideologischen Nährboden des Terrorismus auszutrocknen, läuft es vermutlich so wie bisher auf einen Wettlauf zwischen Hase und Igel hinaus.

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