Kettenreaktion statt Koma

Teststopp für alle Der künftige US-Präsident Barack Obama sagt nicht a priori nein

Erst der Schock der Kuba-Krise von 1962 brachte die Kontrahenten zur Einsicht: Schrankenloses, unkontrolliertes Wettrüsten birgt die Gefahr der Selbstvernichtung. Dann ging auf einmal alles ganz schnell. Ein Jahr später handelten die USA, Großbritannien und die UdSSR in wenigen Wochen eine Vereinbarung aus, und die Außenminister Dean Rusk, Lord Home und Andrej Gromyko unterzeichneten am 5. August 1963 in Moskau den Teilteststoppvertrag, der seither oberirdische Kernwaffenversuche wie Nukleartests im Weltraum und unter Wasser verbietet. Ein Fortschritt, kein Durchbruch.

Mehr als drei weitere Jahrzehnte sollte es noch dauern, bis 1996 ein umfassender Teststoppvertrag auf dem Tisch lag. Bis heute haben ihn 180 Staaten unterschrieben, 147 sogar ratifiziert. Dennoch ist das Abkommen bisher nicht rechtswirksam, weil noch neun der 44 Staaten fehlen, die prinzipiell über das Know-how zum Bau von Kernwaffen verfügen und deren Plazet Voraussetzung für das Inkrafttreten ist. arbeitet in Wien die künftige Kontrollorganisation Comprehensive Test Ban Organization (CTBTO) mit einem Jahresbudget von rund 114 Millionen Dollar bereits auf Hochtouren. Unter Leitung von Tibor Tóth aus Ungarn errichten rund 250 Mitarbeiter ein Netzwerk von insgesamt 337 Beobachtungsposten, das den gesamten Erdball lückenlos abdeckt. Im Zentrum steht ein globales System von 170 seismischen Stationen. Es kann eventuelle unterirdische Nuklearexplosionen registrieren und von den jährlich etwa 50.000 natürlichen Erdbeben unterscheiden. 80 Radionuklid-Detektoren und 60 Infraschallgeräte - darunter auch die Station Haidmühle in Niederbayern - beobachten außerdem die Atmosphäre, während elf hydroakustische Systeme die Weltmeere kontrollieren.

Warum ist der Teststoppvertrag so wichtig, um das nukleare Wettrüsten einzudämmen? Die Antwort fällt leicht: Wer heimlich Atomsprengköpfe und thermonukleare Waffen baut, muss sie irgendwann erproben, um sicher zu sein, dass sie auch funktionieren. Eine erfolgreiche Kernexplosion gilt immer noch als entscheidender Schritt über die Schwelle zur Atommacht. Andererseits würde es ein Testverbot erschweren, neuartige Nuklearwaffen zu entwickeln und so den Rüstungswettlauf zwischen den bestehenden Kernwaffenbesitzern anzuheizen. Ein umfassendes Testverbot könnte insofern enorm hilfreich sein, soll aus der augenblicklichen Abrüstungskrise kein Dauerzustand werden. "Der Teststoppvertrag ist der Schlüssel zu einem Sicherheitssystem, das wir zu bauen beabsichtigen. Ein System, das nicht auf Kernwaffen beruht", würdigt der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohamed El-Baradai, das Abkommen. Je länger der Teststoppvertrag "im Koma" liege, umso mehr wachse die Gefahr, dass vom vorliegenden Abkommen nichts als Makulatur übrig bleibe - mit fatalen Konsequenzen. "Wir sind es uns selber schuldig, wir schulden es unseren Kindern und wir schulden es unseren Völkern, dafür zu sorgen, dass der Teststoppvertrag so schnell wie möglich in Kraft tritt."

Es könnte sein, dass nach dem Regierungswechsel in den USA derartige Warnungen nicht in den Wind gesprochen sind. Barack Obama trat bereit als Senator für eine Ratifizierung ein und hatte im Wahlkampf versprochen: "Wir werden mit dem Senat kooperieren, um den umfassenden Teststoppvertrag zu ratifizieren, und danach streben, dass er möglichst schnell in Kraft tritt." Auch die gewachsene demokratische Mehrheit im Senat sollte dies erleichtern. Da aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist, wird nicht nur das Weiße Haus intensiv daran arbeiten müssen, die Senatoren zu überzeugen. Auch internationale Initiativen und gehöriger Druck aus der Bevölkerung werden vonnöten sein. Doch Anstrengungen würden sich lohnen. "Wenn sich die USA dem umfassenden Teststoppvertrag anschließen, wäre das außerordentlich wichtig", versichert der Ko-Vorsitzende der neugegründeten Internationalen Kommission zur Nuklearen Nichtverbreitung und Abrüstung, Australiens Ex-Außenminister Gareth Evans, "es würde eine Kettenreaktion in der gesamten internationalen Gemeinschaft auslösen."

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